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ANSPRACHE VON BENEDIKT XVI.
ANLÄSSLICH DER VERLEIHUNG DER EHRENBÜRGERSCHAFT DURCH DIE STADT
REGENSBURG

Mittwoch, 21. Juni 2006

 

Verehrter, lieber Herr Oberbürgermeister,
Exzellenz, lieber Bischof,
sehr verehrter Herr Regionalbischof,
verehrte Herren Bürgermeister,
verehrte Stadträte und Stadträtinnen,
meine Damen und Herren!

Für mich ist in diesem Augenblick schwer, Worte zu finden. Alles, was ich sagen möchte, ist in dem Wort »Danke« zusammengefaßt. Ich danke zuallererst Ihnen, lieber Herr Oberbürgermeister, für die herzlichen und bewegenden Worte, die ich noch kosten und nachmeditieren werde. Ich danke vor allen Dingen dem ganzen Stadtrat für die große Ehre, die Sie mir erwiesen haben, mich zum Ehrenbürger dieser großen und bedeutenden Stadt zu machen. Wie Sie erwähnt haben, darf ich ja schon Honorarprofessor von Regensburg sein und insofern schon eingeschrieben sein in diese Stadt. Aber nun gehöre ich auch zu ihren Bürgern ehrenhalber und bin dadurch, wie Sie sagen, auf Lebenszeit und über das Leben hinaus dieser besonderen Stadt zugehörig. Sie reicht ja bis Marc Aurel zurück und über ihre keltischen Wurzeln noch viel weiter und gehört so mit Augsburg, Trier, Köln zu den ältesten Städten Deutschlands – eine alte und doch eine ganz junge Stadt voll junger Menschen und voll junger Dynamik und Lebenskraft.

Ich habe dieses Miteinander, das Regensburg – wie mir scheint – auszeichnet, von tiefen Wurzeln in der Geschichte und von lebendiger Dynamik in die Zukunft hinein zuerst in der besonderen Weise erfahren, die mir dadurch gegeben wurde, daß ich seit ’64 immer wieder Gast bei meinem Bruder, bei den Domspatzen sein durfte, ein Chor, der der älteste durchgehend bestehende Knabenchor der Welt ist und der doch immer wieder neu aus ganz jungen Menschen besteht, der davon lebt, daß er seine Kontinuität nicht verliert und daß er doch immer wieder neu beginnt, mit jungen Menschen sich neu inspiriert und neue Wege findet.

Es gab ja in der karolingischen Zeit viele Knabenchöre, Schulen für Knaben an den verschiedenen Kathedralen. Aber offenbar hat sich nur der Regensburgische durch die Jahrhunderte, durch Höhen und Tiefen hindurch gehalten. Dieses Ineinander von Beharrlichkeit und Mut zur Zukunft, diese Fähigkeit, auch in dunklen Zeiten und in Tiefpunkten durchzuhalten und weiterzugehen, scheint mir doch das besonders Auszeichnende dieser Stadt zu sein.

Dann ist natürlich meine Beziehung neu und noch unmittelbarer geworden, als ich selbst 1969 nach Regensburg übersiedelte. Ich hatte zunächst einmal den Vorschlag, an die neue Universität zu gehen, in deren berufungskonstituierendem Ausschuß ich gewesen war, abgelehnt, schon weil ich nicht meine eigene Funktion in der Konstitution mit einer Annahme eines Rufes verwechseln wollte, aber auch, weil natürlich es etwas Schönes war, an einer so großen alten Universität wie Tübingen zu dozieren. Aber dann waren zwei Dinge, die mich doch veranlaßt haben, den Sprung zu wagen – oder eigentlich drei Dinge.

Zum einen war der ideologische Wirbel in einer so kleinen Stadt wie Tübingen, wo man sagt, daß die Universität zugleich das Stadttheater ersetze, besonders wuchtig und der Harmonie, der inneren Harmonie, die man für die Arbeit braucht, nicht besonders zuträglich. Aber ein rein negativer Grund wegzugehen, hätte nicht genügt. Es hat mich auch fasziniert, am Werden einer jungen Universität teilzunehmen, nachdem ich an drei großen alten Universitäten: Bonn, Münster, Tübingen, gelehrt hatte, mitzutun, eine neue Universität aufzubauen. Und dann kam natürlich dazu, daß mein Bruder in Regensburg wohnte und es mir insofern schon ein Daheim geworden war.

Es war dann in der Tat etwas Schönes und mitunter Aufregendes – Sie waren ja selbst im Senat, Herr Oberbürgermeister –, diese Universität, in der es ja auch die ideologischen Wirrnisse, die ganzen Situationen besonderer Art des Umbruchs nach ’68 gab, allmählich aufzubauen. Wir fingen mit einem Sammelgebäude an, und allmählich wuchs dann der Universitätscampus. Am Anfang stand die Universität nicht nur als ein verlorener Betonbau äußerlich etwas in der Peripherie der Stadt, auch für die Stadt selber war die Universität noch etwas Fremdes, obgleich sie sich über Jahrhunderte hin nach einer Universität ausgestreckt und nach dem Krieg bewundernswerte Anstrengungen unternommen hatte, um eine Universität einzurichten – schon fast eine Medizinische Fakultät, auch literarische Fächer aufgebaut hatte, dann wieder alles verloren hatte.

Dann kam die Universität und war zunächst doch etwas Ungewohntes. Sie wuchs, und inzwischen sind Stadt und Universität wirklich zueinander gewachsen und befruchten sich gegenseitig. Die Universität hat eine neue Dynamik, Jugendlichkeit, Ideen, Mut zu gewagtem Aufbruch in Neues hinein in die Stadt gebracht, und umgekehrt tut es der Universität, den Professoren wie den Studenten wohl, in einer Stadt zu leben, in der große Geschichte spürbar wird und in der sichtbar wird, daß die Denunzierungen der Geschichte, als sei dies alles nur dunkel gewesen, nicht wahr sind.

Wer den Dom in seiner ganzen Größe sieht, den lächelnden Engel, die Muttergottes, die Gestalten, und wer all die anderen großen Kirchen und Bauten dieser Stadt sieht, der sieht, daß wie immer – auch in den vergangenen Zeiten – Dunkles und Großes miteinander verbunden waren, daß die Geschichte auch heute uns zu belehren hat, daß wir Geschichte nicht verlieren dürfen, sie verlieren würden, wenn wir sie vergessen, sie verlieren würden, wenn wir stagnieren wollten.

So scheint mir diese Durchdringung des jungen Lebens der Universität und vieler anderer natürlich wirtschaftlicher junger Unternehmungen in der Stadt mit ihrer großen Geschichte eine besondere Begabung zu sein, die dieser Sadt ihren Schwung und zugleich ihre Gemütlichkeit – wenn ich es so ausdrücken darf –, ihr Flair von Heimat und von Zuhause gibt.

Regensburg ist außerdem auch eine ökumenische Stadt. Als Reichsstadt war Regensburg protestantisch, aber paradoxerweise war doch die Mehrzahl der Einwohner – nicht der Bürger, aber der Einwohner – katholisch. Und was in den Territorialstaaten mit ihrem »cuius regio, eius religio« nicht möglich war, war hier möglich und nötig, daß Katholiken und Protestanten friedvoll miteinander wohnten, sich kennen und verstehen lernten, und so ohne große ökumenische Gespräche, die es freilich im 16. Jahrhundert gegeben hatte, doch im Miteinander auch Verstehen wuchs, wie dann auch die jüdische Gemeinde in Regensburg, auch bei allen Um- und Abbrüchen, beim Tragischen, Negativen, doch immer wieder in Regensburg zu Hause war und mit zu dieser Stadt gehört hat.

Bischof Graber hat dann noch entsprechend auch der inneren Ausrichtung, die für die Universität gedacht war, die Beziehung nach Osten aufgenommen. Er hat dieses Institut geschaffen, in dem eine ganz große Zahl von Theologen aus den Ostländern, sowohl aus Griechenland wie aus den slawischen Ländern, aus Rumänien, studiert hat, Deutschland kennengelernt hat, die katholische Kirche kennengelernt hat, Dialog erlernt hat und eine Liebe zu Regensburg und zu dieser Stadt mit nach Hause getragen hat.

Kürzlich war bei einer bulgarischen Regierungsdelegation, die mich besucht hat, auch ein bulgarischer Bischof dabei, der mich deutsch – in perfektem könnte ich fast sagen – ansprach und sagte: »Ich habe in Regensburg studiert und werde auch zu Ihrem Besuch kommen, Heiliger Vater, und freue mich schon darauf.« Da habe ich ihm nur sagen können: »Ich freue mich auch, auf Wiedersehen in Regensburg.«

Und mit diesen Worten möchte ich auch jetzt meine Rede schließen. Herzlichen Dank für alles. Ich freue mich auf Regensburg. Auf Wiedersehen in der Stadt an der Donau!

 

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