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ANSPRACHE VON BENEDIKT XVI.
AN DIE TEILNEHMER EINER STUDIENTAGUNG
FÜR NEUERNANNTE BISCHÖFE

Castelgandolfo
Donnerstag, 21. September 2006

 

Liebe Mitbrüder im Bischofsamt!

An jeden von euch richte ich meinen herzlichen Gruß. Vor allem grüße ich Kardinal Giovanni Battista Re, der mir gegenüber eure Empfindungen zum Ausdruck gebracht hat. Mit Zuneigung grüße ich auch diejenigen, die eure Tagung organisiert und koordiniert haben. In diesen Tagen habt ihr einige Leiter der Dikasterien der Römischen Kurie sowie Bischöfe von ihrer Erfahrung sprechen gehört. Sie haben euch dabei geholfen, über einige Aspekte des bischöflichen Dienstes nachzudenken, die für unsere Zeit von großer Wichtigkeit sind. Heute ist es der Papst, der euch mit Freude empfängt und glücklich darüber ist, mit euch die Empfindungen und Erwartungen zu teilen, die ihr in diesen ersten Monaten eures bischöflichen Dienstes erlebt. Ihr habt sicherlich schon die Erfahrung gemacht, wie Jesus, der Gute Hirt, mit seiner Gnade in den Seelen wirkt. »Meine Gnade genügt dir« (2 Kor 12,9) war die Antwort, die der Apostel Paulus vernahm, als er den Herrn darum bat, ihm Leiden zu ersparen. Dasselbe Bewußtsein möge immer euren Glauben nähren, es möge euch zur Suche nach Wegen anregen, um die Herzen aller zu erreichen, mit jenem gesunden Optimismus, der immer von euch ausstrahlen soll.

In der Enzyklika Deus caritas est habe ich festgehalten, daß die Bischöfe die erste Verantwortung dafür tragen, daß die Kirche als Familie Gottes und als ein Ort der gegenseitigen Hilfe und der Dienstbereitschaft aufgebaut wird (vgl. Nr. 32). Um diese Sendung erfüllen zu können, habt ihr mit der Bischofsweihe drei besondere Ämter erhalten: das »munus docendi«, das »munus sanctificandi« und das »munus regendi«, die zusammen das »munus pascendi« bilden. Insbesondere besteht die Zielsetzung des »munus regendi« im Wachstum der kirchlichen Gemeinschaft, das heißt im Aufbau einer Gemeinschaft, die einmütig festhält an der Lehre der Apostel, am Brechen des Brotes, an den Gebeten und an der Gemeinschaft (vgl. Apg 2,42). Das Leitungsamt – eben das »munus regendi« – ist eng mit den Ämtern des Lehrens und der Heiligung verbunden und bildet so für den Bischof einen wahren Akt der Liebe Gott und dem Nächsten gegenüber, der in der pastoralen Liebe zum Ausdruck kommt. Das stellte das II. Vatikanische Konzil maßgeblich in der Konstitution Lumen gentium fest: Das Konzil gab den Bischöfen Christus zum Vorbild, den Guten Hirten, der nicht gekommen ist, um sich bedienen zu lassen, sondern um zu dienen (vgl. Nr. 27). Dem gemäß lädt das nachsynodale Schreiben Pastores gregis den Bischof dazu ein, sich immer von der Darstellung der Fußwaschung im Evangelium inspirieren zu lassen (vgl. Nr. 42). Nur Christus, die fleischgewordene Liebe Gottes (vgl. Deus caritas est, 12), kann uns maßgebend zeigen, wie wir die Kirche lieben und ihr dienen sollen.

Liebe Brüder, dem Beispiel Christi folgend, möge ein jeder von euch bei der täglichen pastoralen Sorge »allen alles« werden (1 Kor 9,22) und dabei die Wahrheit des Glaubens verkünden, die Sakramente unserer Heiligung feiern und die Liebe des Herrn bezeugen. Nehmt mit offenem Herzen all diejenigen auf, die an eure Tür klopfen: Steht ihnen mit eurem Rat zur Seite, tröstet und stützt sie auf dem Weg zu Gott, indem ihr versucht, alle zu jener Einheit im Glauben und in der Liebe zu führen, deren sichtbares Prinzip und Fundament ihr nach dem Willen des Herrn in euren Diözesen sein müßt (vgl. Lumen gentium, 23). Erweist diese aufmerksame Sorge vor allem den Priestern. Verhaltet euch ihnen gegenüber immer wie Väter und ältere Brüder, die es verstehen, ihnen zuzuhören, sie freundlich aufzunehmen, sie zu trösten und – sollte es notwendig sein – sie auch zu korrigieren; sucht ihre Zusammenarbeit und seid ihnen besonders in den wichtigen Momenten ihres Dienstes und ihres Lebens nahe. Sucht dann, eine ähnliche Fürsorge den jungen Menschen zukommen zu lassen, die sich auf das Leben als Priester und Ordensleute vorbereiten.

Durch das Leitungsamt (vgl. Lumen gentium, 27) ist der Bischof des weiteren dazu berufen, das Leben des Gottesvolkes, das seiner pastoralen Sorge anvertraut ist, anhand von Gesetzen, Weisungen und Ratschlägen entsprechend der universalen Disziplin der Kirche zu beurteilen und zu regeln. Dieses Recht und diese Pflicht des Bischofs ist überaus wichtig, damit die Diözesangemeinschaft in ihrem Innern geeint ist und in tiefer Gemeinschaft des Glaubens, der Liebe und der Disziplin mit dem Bischof von Rom und der ganzen Kirche voranschreite. So fordere ich euch auf, liebe Mitbrüder im Bischofsamt, aufmerksame Hüter dieser kirchlichen Gemeinschaft zu sein, sie zu fördern und zu verteidigen, indem ihr ständig über die Herde wacht, zu deren Hirten ihr bestellt seid. Es handelt sich um einen Akt der Liebe, der Unterscheidungsvermögen, apostolischen Mut und geduldige Güte erfordert, während er zu überzeugen und einzubeziehen sucht, damit eure Weisungen gerne angenommen und mit Überzeugung und bereitwillig befolgt werden. Durch den fügsamen Gehorsam dem Bischof gegenüber trägt jeder Gläubige verantwortungsvoll zum Aufbau der Kirche bei. Dies wird möglich sein, wenn ihr es im Bewußtsein eurer Sendung und eurer Verantwortung versteht, in einem jeden von ihnen den Sinn für die Zugehörigkeit zur Kirche und die Freude an der brüderlichen Gemeinschaft zu nähren, und dabei die von der kirchlichen Ordnung vorgesehenen Einrichtungen einbezieht. Dem Aufbau der kirchlichen Gemeinschaft gelte euer täglicher Einsatz.

Das Apostolische Schreiben Pastores gregis und das Direktorium für den pastoralen Dienst der Bischöfe weisen nachdrücklich jeden Hirten darauf hin, daß seine objektive Autorität von einem vorbildlichen Lebenswandel getragen werden muß. Ausgeglichenheit in den zwischenmenschlichen Beziehungen, Höflichkeit der Umgangsformen und eine einfache Lebensweise sind ohne Zweifel Gaben, die die Persönlichkeit des Bischofs auf menschlicher Ebene bereichern. Im Liber regulae pastoralis schreibt der hl. Gregor der Große, daß »die Leitung der Seelen die Kunst der Künste« ist (Nr. 1): eine Kunst, die ständiges Wachstum in den Tugenden erfordert, von denen ich die Tugend der Klugheit ins Gedächtnis rufen möchte, die der hl. Bernhard als Mutter der Tapferkeit beschrieb. Die Klugheit wird euch geduldig machen mit euch selbst und mit den anderen, mutig und standhaft in den Entscheidungen, barmherzig und gerecht, »mit Furcht und Zittern« (Phil 2,12) allein um euer Heil und das eurer Brüder bemüht. Die vollkommene Selbsthingabe, die die Sorge um die Herde des Herrn erfordert, bedarf der Unterstützung durch ein intensives geistliches Leben, das vom eifrigen persönlichen und gemeinschaftlichen Gebet genährt wird. Daher soll ein ständiger Kontakt mit Gott eure Tage kennzeichnen und all eure Tätigkeiten begleiten. Ein Leben in tiefer Einheit mit Christus wird euch helfen, das nötige Gleichgewicht zwischen der inneren Sammlung und jenen notwendigen Anstrengungen zu erreichen, die die vielfältigen Aufgaben des Lebens mit sich bringen. So kann es vermieden werden, in einen übertriebenen Aktivismus zu verfallen. Am Tag eurer Bischofsweihe habt ihr versprochen, für euer Volk unermüdlich zu beten. Liebe Brüder, bleibt dieser Verpflichtung immer treu. Sie wird euch dazu befähigen, auf untadelige Weise euren pastoralen Dienst auszuüben. Durch das Gebet öffnet sich euer Herz dem Plan Gottes, der ein Plan der Liebe ist. Dazu hat Er euch berufen, indem er euch durch die Gnade des Bischofsamtes inniger mit Christus vereint. In Seiner Nachfolge, in der Nachfolge des Hirten und Bischofs eurer Seelen (vgl. 1 Petr 2,25), werdet ihr dazu angespornt, unermüdlich nach der Heiligkeit zu streben, die das grundlegende Ziel des Lebens eines jeden Christen ist.

Liebe Brüder, ich danke euch für diesen Besuch, über den ich mich sehr freue. Ich möchte euch meines täglichen Gedenkens vor dem Herrn für euren kirchlichen Dienst versichern, den ich der Gottesmutter Maria, »Mater Ecclesiae«, anvertraue. Ihren Schutz rufe ich auf euch, auf eure Diözesen und auf euren Dienst herab. Mit diesen Empfindungen erteile ich euch und all denen, die euch nahestehen, einen besonderen Apostolischen Segen.

  

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