Index   Back Top Print

[ DE  - EN  - ES  - FR  - IT  - PT ]

ANSPRACHE VON BENEDIKT XVI.
AN DIE TEILNEHMER DER TAGUNG
FÜR DIE NEUERNANNTEN BISCHÖFE

Saal der Schweizer, Apostolischer Palast in Castelgandolfo
Samstag, 22. September 2007

 

Liebe Mitbrüder im Bischofsamt!

Bereits seit mehreren Jahren ist es Brauch, daß die neuernannten Bischöfe in Rom zu einer Begegnung zusammenkommen, die als Pilgerfahrt zum Grab des hl. Petrus gelebt wird. Ich heiße euch besonders herzlich willkommen. Die Erfahrung, die ihr zur Zeit macht, regt euch zum Nachdenken über die Verantwortungen und Aufgaben eines Bischofs an. Darüber hinaus ermöglicht sie euch, in euren Herzen das Bewußtsein neu zu entfachen, daß ihr nicht allein seid in der Leitung der Kirche Gottes, sondern daß ihr, zusammen mit dem Beistand der Gnade, die Unterstützung des Papstes und die eurer Mitbrüder habt. Eure Anwesenheit im Mittelpunkt der Katholizität, hier in der Kirche von Rom, öffnet eure Herzen für eine lebendigere Wahrnehmung der Universalität des Gottesvolkes und läßt den Eifer für die ganze Kirche in euch wachsen. Ich danke Herrn Kardinal Giovanni Battista Re für die Worte, mit denen er eure Empfindungen zum Ausdruck gebracht hat, und begrüße besonders Erzbischof Leonardo Sandri, den Präfekten der Kongregation für die Orientalischen Kirchen. Darüber hinaus begrüße ich jeden von euch, während meine Gedanken zu euren Diözesen gehen.

Am Tag der Bischofsweihe verlangt die Kirche vor der Handauflegung vom Kandidaten, daß er bestimmte Pflichten übernimmt. Zu diesen gehört außer der Verpflichtung, das Evangelium treu zu verkünden und den Glauben zu bewahren, auch die Aufgabe, »im Gebet an den allmächtigen Gott zu verharren zum Wohl seines heiligen Volkes«. Ich möchte jetzt mit euch etwas beim apostolischen und seelsorglichen Charakter des Gebets des Bischofs verweilen.

Der Evangelist Lukas schreibt, daß Jesus Christus die zwölf Apostel auswählte, nachdem er die ganze Nacht auf dem Berg im Gebet zu Gott verbracht hatte (Lk 6,12). Und der Evangelist Markus stellt genauer heraus, daß die Zwölf ausgewählt wurden, weil er sie »bei sich haben und … dann aussenden wollte« (Mk 3,14). Liebe Mitbrüder, wie die Apostel so sind auch wir als ihre Nachfolger vor allem berufen worden, bei Christus zu sein, um ihn tiefer kennenzulernen und an seinem Geheimnis der Liebe und seiner vertrauensvollen Beziehung zum Vater teilzuhaben. Im vertrauten und persönlichen Gebet ist der Bischof wie alle Gläubigen und noch mehr als sie berufen, im Geist der Kindschaft gegenüber Gott zu wachsen, indem er von Jesus selbst die Zuversicht, das Vertrauen und die Treue lernt – Haltungen, die Christus in der Beziehung zum Vater zu eigen sind.

Und die Apostel hatten gut verstanden, daß das Hören im Gebet und die Verkündigung des Gehörten den Vorrang haben mußten vor all den vielen Dingen, die zu tun waren, denn sie faßten den Entschluß: »Wir aber wollen beim Gebet und beim Dienst am Wort bleiben« (Apg 6,4). Dieser apostolische Plan ist äußerst aktuell. Im Dienst eines Bischofs nehmen heute die organisatorischen Aspekte breiten Raum ein, die Verpflichtungen sind zahlreich, und immer gibt es Vieles, was notwendig ist, aber der erste Platz im Leben eines Nachfolgers der Apostel muß Gott vorbehalten sein. Bereits der hl. Gregor der Große mahnte in der Pastoralregel, daß der Hirte »auf einzigartige Weise in der Lage sein muß, sich von allen anderen abzuheben durch das Gebet und die Kontemplation« (II, 5). Das hat die Überlieferung dann bekanntermaßen so formuliert: »Contemplata aliis tradere« (vgl. Thomas von Aquin, Summa Theologiae, IIa-IIae, q. 188, Art. 6).

In der Enzyklika Deus caritas est habe ich Bezug genommen auf die biblische Erzählung von der Jakobsleiter und wollte dadurch hervorheben, daß der Hirte gerade durch das Gebet einfühlsam und barmherzig gegenüber allen Menschen wird (vgl. Nr. 7). Und ich habe an den hl. Gregor den Großen erinnert, der sagte, daß der in der Kontemplation verwurzelte Hirte die Nöte der anderen aufzunehmen vermag, so daß sie im Gebet zu seinen eigenen Nöten werden: »Per pietatis viscera in se infirmitatem caeterorum transferat« (Pastoralregel, ebd.). Das Gebet erzieht zur Liebe und öffnet das Herz für die Hirtenliebe, um all diejenigen aufzunehmen, die sich an den Bischof wenden. Innerlich geformt durch den Heiligen Geist tröstet er mit dem Balsam der göttlichen Gnade, erhellt er mit dem Licht des göttlichen Wortes, schenkt er Versöhnung und Erbauung in der brüderlichen Gemeinschaft. In eurem Gebet, liebe Mitbrüder, sollen eure Priester einen besonderen Platz haben, damit sie stets in ihrer Berufung verharren und treu sind gegenüber der priesterlichen Sendung, die ihnen anvertraut ist. Es ist äußerst erbauend für jeden Priester zu wissen, daß der Bischof, von dem er das Geschenk des Priestertums empfangen hat oder der auf jeden Fall sein Vater und Freund ist, ihm im Gebet und im Herzen nahe ist und stets bereit, ihn aufzunehmen, ihn anzuhören, ihn zu unterstützen und zu ermutigen. Ebenso darf im Gebet des Bischofs niemals die Bitte um neue Berufungen fehlen. Sie müssen inständig von Gott erbeten werden, damit er »diejenigen, die er will« zum heiligen Priesteramt berufe.

Das munus sanctificandi, das ihr empfangen habt, verpflichtet euch darüber hinaus, Förderer des Gebets in der Gesellschaft zu sein. In den Städten, in denen ihr lebt und arbeitet, die oft hektisch und laut sind, in denen der Mensch es eilig hat und verloren geht, wo man so lebt, als existiere Gott nicht, sollt ihr in der Lage sein, Orte und Gelegenheiten zum Gebet zu schaffen, wo der Mensch in der Stille, im Hören auf Gott durch die lectio divina, im persönlichen und gemeinschaftlichen Gebet Gott begegnen und die lebendige Erfahrung Jesu Christi machen kann, der das wahre Antlitz des Vaters offenbart. Werdet nicht müde, dafür zu sorgen, daß die Pfarreien und die Heiligtümer, die Orte der Erziehung und des Leidens, aber auch die Familien zu Orten der Gemeinschaft mit dem Herrn werden. Insbesondere möchte ich euch ermutigen, die Kathedrale zu einem vorbildlichen Haus des Gebetes zu machen, vor allem des liturgischen Gebetes, wo die Diözesangemeinschaft zusammen mit ihrem Bischof Gott für das Heilswerk loben und ihm danken und wo sie Fürsprache halten kann für alle Menschen. Der hl. Ignatius von Antiochien ruft uns die Kraft des gemeinschaftlichen Gebetes in Erinnerung: »Wenn das Gebet eines oder zweier Menschen soviel Kraft besitzt, wieviel mehr Kraft hat dann das Gebet des Bischofs und der ganzen Kirche!« (Brief an die Epheser, 5).

Kurz gesagt, liebe Bischöfe, seid Männer des Gebets! Im Direktorium für den pastoralen Dienst der Bischöfe heißt es: Die »geistliche Fruchtbarkeit des Dienstes eines Bischofs hängt von der Tiefe seiner Vereinigung mit dem Herrn ab. Aus dem Gebet muß ein Bischof Licht, Kraft und Trost schöpfen in seiner Hirtentätigkeit« (Apostolorum successores, 36). Wenn ihr euch für euch selbst und für eure Gläubigen an Gott wendet, dann tut dies mit dem Vertrauen eines Kindes, mit dem Mut eines Freundes, mit der Beharrlichkeit Abrahams, der unermüdlich war in der Fürbitte. Haltet wie Mose die Hände zum Himmel erhoben, während eure Gläubigen den guten Kampf des Glaubens kämpfen. Wie Maria sollt ihr in der Lage sein, jeden Tag Gott zu loben für das Heil, das er in der Kirche und in der Welt wirkt, in der Überzeugung, daß für Gott nichts unmöglich ist (Lk 1,37).

Mit diesen Empfindungen erteile ich euch, euren Priestern, den Ordensmännern und Ordensfrauen, den Seminaristen und den Gläubigen eurer Diözesen einen besonderen Apostolischen Segen.

 

© Copyright 2007 - Libreria Editrice Vaticana

   



Copyright © Dicastero per la Comunicazione - Libreria Editrice Vaticana