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ANSPRACHE VON BENEDIKT XVI.
AN ACHT NEUE BOTSCHAFTER BEIM HL. STUHL
ANLÄSSLICH DER GEMEINSAMEN ÜBERGABE
DER BEGLAUBIGUNGSSCHREIBEN*

Donnerstag, 17. Dezember 2009

 

Meine Herren Botschafter!

Ich freue mich, Sie heute morgen im Apostolischen Palast zu begrüßen. Sie sind gekommen, um mir Ihre Beglaubigungsschreiben zu überreichen, mit denen Sie als außerordentliche und bevollmächtigte Botschafter Ihrer jeweiligen Länder akkreditiert werden: Dänemark, Uganda, Sudan, Kenia, Kasachstan, Bangladesch, Finnland und Lettland. Seien Sie willkommen, und seien Sie bitte so freundlich, Ihren Staatsoberhäuptern meine herzlichen Grüße zu übermitteln und Ihnen für die liebenswürdigen Worte zu danken, die Sie mir freundlicherweise in ihrem Namen überbracht haben. An sie richte ich meine ehrerbietigen Wünsche für ihre hohe Mission im Dienst ihrer Länder. Ebenso möchte ich durch Ihre Vermittlung die zivilen und religiösen Autoritäten Ihrer Länder grüßen wie auch alle Ihre Landsleute. Versichern Sie sie meines Gebetes. Meine Gedanken richten sich natürlich auch an alle katholischen Gemeinschaften in Ihren Ländern. Sie wissen, daß sie den Wunsch haben, brüderlich am Aufbau der Nation mitzuwirken, zu dem sie nach ihren besten Möglichkeiten beitragen.

In meiner letzten Enzyklika Caritas in veritate habe ich darauf hingewiesen, daß es notwendig ist, zwischen dem Menschen und der Schöpfung, in der er lebt und wirkt, wieder eine rechte Beziehung herzustellen. Die Schöpfung ist das wertvolle Geschenk, das Gott in seiner Güte den Menschen gemacht hat. Sie sind deren Verwalter und müssen aus dieser Verantwortung alle Schlußfolgerungen ziehen. Die Menschen dürfen diese Verantwortung weder ablehnen, noch ihr aus dem Weg gehen, indem sie sie den kommenden Generationen übertragen. Es ist evident, daß diese Verantwortung für die Umwelt nicht in Gegensatz gebracht werden darf zur Notwendigkeit, dem Skandal der Armut und des Hungers ein Ende zu setzen. Es ist im Gegenteil nicht mehr möglich, diese beiden Realitäten voneinander zu trennen, denn die kontinuierliche Schädigung der Umwelt stellt eine direkte Bedrohung für das Überleben des Menschen und für seine eigene Entwicklung dar; und sie droht sogar zu einer direkten Gefahr für den Frieden zwischen Menschen und Völkern zu werden.

Sowohl auf individueller als auch auf politischer Ebene ist es nunmehr notwendig, in bezug auf die Schöpfung entschiedenere und von immer mehr Partnern geteilte Verpflichtungen einzugehen. In diesem Sinne ermutige ich lebhaft die politischen Autoritäten Ihrer jeweiligen Länder und der Gesamtheit der Nationen, nicht nur ihre Aktivitäten zur Bewahrung der Umwelt zu verstärken, sondern auch – weil das Problem nicht allein auf der beschränkten Ebene eines jeden Landes angegangen werden kann – Vorschläge zu machen und Anregungen zu geben, um zu verbindlichen internationalen Vereinbarungen zu gelangen, die nützlich und gerecht für alle sind.

Die Herausforderungen, denen die Menschheit sich heute gegenübergestellt sieht, verlangen sicherlich einen verstärkten Einsatz der Intelligenz und Kreativität des Menschen sowie eine Intensivierung der angewandten Forschung im Hinblick auf einen wirksameren und vernünftigeren Gebrauch der zur Verfügung stehenden Energiequellen und Ressourcen. Diese Anstrengungen können allerdings nicht von einer Veränderung oder Umformung des aktuellen Entwicklungsmodells unserer Gesellschaften entbinden. Die Kirche schlägt vor, daß diese tiefgehende Veränderung, die noch entdeckt und gelebt werden muß, geleitet werde von dem Begriff der ganzheitlichen Entwicklung der menschlichen Person. Denn das Wohl des Menschen liegt nicht in einem immer zügelloseren Konsum und in der unbegrenzten Ansammlung von Gütern – Konsum und Güteransammlung, die auf wenige Menschen begrenzt sind und als Vorbilder für die Masse hingestellt werden. In dieser Hinsicht ist es nicht nur die Aufgabe der verschiedenen Religionen, den Primat des Menschen und des Geistes zu unterstreichen, sondern auch die Aufgabe des Staates.

Der Staat hat die Pflicht, dies vor allem durch eine engagierte Politik zu tun, die für alle Bürger – in gleicher Weise – den Zugang zu den geistigen Gütern unterstützt. Denn diese bringen den Reichtum der sozialen Bande zur Geltung und ermutigen den Menschen zur Fortsetzung seiner spirituellen Suche.

Im letzten Frühjahr habe ich auf meiner Apostolischen Reise in verschiedene Länder des Nahen Ostens wiederholt vorgeschlagen, in den Religionen allgemein einen »Neuanfang« für den Frieden zu sehen. Es ist wahr, daß die Religionen in der Geschichte häufig ein Konfliktfaktor waren. Aber es ist ebenso wahr, daß die gemäß ihrem tiefsten Wesen gelebten Religionen eine Kraft der Versöhnung und des Friedens waren und sind. In diesem historischen Augenblick müssen die Religionen auch durch den offenen und aufrichtigen Dialog den Weg der Läuterung suchen, um immer mehr ihrer wahren Berufung zu entsprechen.

Unsere Menschheit sehnt sich nach dem Frieden, und wenn möglich nach weltweitem Frieden. Man muß danach streben – ohne Utopien und Manipulationen. Wir wissen alle, daß der Friede politische und ökonomische, kulturelle und spirituelle Bedingungen braucht, um sich auszubreiten. Das friedliche Zusammenleben der unterschiedlichen religiösen Traditionen innerhalb einer Nation ist manchmal schwierig. Mehr noch als ein politisches Problem ist dieses Zusammenleben auch ein Problem, das sich im Inneren der Religionen stellt. Jeder Gläubige ist aufgerufen, nach dem Willen Gottes hinsichtlich jeder menschlichen Situation zu fragen.

Wenn Gott als der einzige Schöpfer des Menschen anerkannt wird – jedes Menschen, was auch immer sein religiöses Bekenntnis, seine gesellschaftliche Stellung oder seine politische Meinung sein mag –, wird jeder den anderen in seiner Einmaligkeit und Unterschiedlichkeit respektieren.

Vor Gott gibt es keine Kategorien oder Hierarchien, höher oder niedriger, Herrscher oder Untertanen. Für ihn existiert nur der Mensch, den er aus Liebe geschaffen hat und der in Familie und Gesellschaft in brüderlicher Harmonie leben soll. Die Entdeckung des weisen Plans Gottes für den Menschen führt diesen dazu, die Liebe Gottes anzuerkennen. Für die Gläubigen oder die Menschen guten Willens kann sich die Lösung menschlicher Konflikte, wie die schwierige Koexistenz verschiedener Religionen, in ein menschliches Zusammenleben verwandeln, in einer Ordnung voller Güte und Weisheit, die ihren Ursprung und ihre Dynamik aus Gott haben. Dieses Zusammenleben in der Achtung vor der Natur der Dinge und der ihr innewohnenden Weisheit, die von Gott kommt – die »tranquillitas ordinis« –, trägt den Namen »Frieden«. Der interreligiöse Dialog leistet seinen besonderen Beitrag zu dieser schrittweisen Entwicklung, die eine Herausforderung ist für die unmittelbaren politischen und ökonomischen menschlichen Interessen. Manchmal ist es für die Welt der Politik und der Wirtschaft schwierig, dem Menschen den ersten Platz einzuräumen; und noch schwerer fällt es ihr, die Wichtigkeit und Notwendigkeit des Religiösen in Betracht zu ziehen und zuzugeben sowie der Religion ihre wahre Natur und ihren Platz im öffentlichen Bereich zuzusichern. Der so sehr erhoffte Frieden wird nur entstehen aus dem gemeinsamen Handeln des einzelnen – der seine wahre Natur in Gott entdeckt – und der zivilen und religiösen Führungspersönlichkeiten, die – in der Achtung der Würde und des Glaubens eines jeden – die edle und authentische Rolle der Religion für die Erfüllung und Vollendung der menschlichen Person zu erkennen wissen und sie ihr zugestehen. Es handelt sich hier um eine globale Wiederzusammenführung des Zeitlichen und des Geistigen, die einen Neuanfang in Richtung des Friedens ermöglichen wird, der nach Gottes Wunsch universal sein soll.

Meine Herren Botschafter, Ihre Mission beim Heiligen Stuhl hat soeben begonnen. Bei meinen Mitarbeitern werden Sie die notwendige Unterstützung finden, um diese Mission gut zu erfüllen. Erneut spreche ich Ihnen von Herzen meine besten Wünsche aus für eine erfolgreiche Arbeit in ihrem so schwierigen Amt. Möge der Allmächtige Sie stützen und begleiten, Sie selbst wie auch Ihre Angehörigen, Ihre Mitarbeiter und alle Ihre Landsleute! Möge Gott Sie mit der Fülle seines Segens reich beschenken!


*L'Osservatore Romano n. 25 p. 8

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