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ANSPRACHE VON BENEDIKT XVI.
AN HERRN ROLF TROLLE ANDERSEN,
NEUER BOTSCHAFTER VON NORWEGEN BEIM HL. STUHL*

Freitag, 29. Mai 2009

 

Exzellenz!

Ich freue mich, Sie im Vatikan willkommen zu heißen und das Beglaubigungsschreiben entgegenzunehmen, durch das Sie als außerordentlicher und bevollmächtigter Botschafter des Königreichs Norwegen beim Heiligen Stuhl akkreditiert werden. Ich möchte meine Dankbarkeit für die guten Wünsche zum Ausdruck bringen, die Sie von seiten König Haralds V. überbringen. Bitte übermitteln Sie Seiner Majestät meinen herzlichen Gruß und versichern Sie ihn meines ständigen Gebets für das ganze Volk Ihrer Nation. Besonders passend erscheint es, daß die heutige Zeremonie, ein wichtiger Meilenstein unserer diplomatischen Beziehungen, fast genau am 20. Jahrestag des historischen Besuchs von Papst Johannes Paul II. in den skandinavischen Ländern stattfindet.

Ihr Land ist nicht nur mit beachtlichem Wohlstand gesegnet, sondern es steht auch in dem hervorragenden Ruf, anderen Ländern, die sich in einer weniger glücklichen Lage befinden, zu Hilfe zu kommen. Auf die Umwälzungen in der Finanzwelt der letzten Monate hat Norwegen schnell reagiert und anderen Ländern seine erfahrene Unterstützung angeboten, um ihnen zu helfen, den Sturm zu überstehen, obgleich es durch die Krise selbst von wirtschaftlichen Schwierigkeiten betroffen ist. Norwegen hat einer großen Zahl von Flüchtlingen und Einwanderern seine Türen geöffnet und sich so über viele Jahre hinweg als großherzige und gastfreundliche Nation erwiesen. Wie Sie, Exzellenz, erwähnten, hat dieser Zustrom in der norwegischen Gesellschaft, und besonders in der kleinen katholischen Gemeinschaft, zu einer viel größeren kulturellen und ethnischen Vielfalt geführt. Dies wiederum hat eine tiefere Reflexion über die Voraussetzungen und Werte angeregt, die das Leben im heutigen Norwegen und seinen Platz in der modernen Welt bestimmen.

»Selig, die Frieden stiften.« Diese Worte Jesu (Mt 5,9) haben sich die Norweger, deren Kultur stark von ihrer 1000jährigen christlichen Geschichte geprägt ist, sehr zu Herzen genommen. Norwegens Engagement in der Friedenssicherung wird dadurch deutlich, daß es auf höchster Ebene in die Organisation der Vereinten Nationen eingebunden ist. Ihr erster Generalsekretär, Trygve Lie, kam aus Norwegen, ebenso wie eine Reihe der derzeitigen höheren Amtsträger. Der Heilige Stuhl ist Ihrem Land sehr dankbar für seinen Beitrag zur Lösung von Konflikten an einigen der größten Brennpunkte der Welt. Von Sri Lanka bis Afghanistan, vom Sudan bis nach Somalia, vom Tschad bis zur Demokratischen Republik Kongo: Überall hat Norwegen eine Rolle gespielt, sei es durch Friedensverhandlungen, durch den Aufruf an die Beteiligten, das internationale Recht zu beachten, durch humanitäre Hilfe, durch Hilfe beim Wiederaufbau und bei der Friedenssicherung oder durch die Förderung der Demokratie und fachmännischen Rat beim Aufbau der sozialen Infrastruktur. Da ich gerade von meinem Apostolischen Besuch im Heiligen Land zurückgekehrt bin, bin ich mir der wichtigen Arbeit, die Ihr Land bei der Aushandlung von Friedensübereinkommen zwischen Israel und der palästinensischen Autonomiebehörde geleistet hat, besonders bewußt. Ich hoffe und bete, daß der Geist der Versöhnung und die Suche nach Gerechtigkeit, die zu den Abkommen von Oslo geführt haben, eines Tages die Oberhand gewinnen und den Völkern jener gemarterten Region dauerhaften Frieden bringen werden.

Zusätzlich zu diesen humanitären Anliegen nehmen die Norweger die Erfordernisse der natürlichen Umwelt sehr ernst. Sie messen der Entwicklung erneuerbarer Energiequellen besondere Bedeutung bei und schenken den Gründen für den Klimawandel und seinen Folgen Aufmerksamkeit. Bezeichnend für die Weitsicht Ihres Landes in bezug auf das Wohl des Planeten und seiner Bewohner ist das »Global Seed Vault« (Globaler Saatgut-Tresor), dessen Absicht es ist, das Überleben zahlreicher Formen pflanzlichen Lebens zu gewährleisten, damit insbesondere lebenswichtige Nahrungsressourcen vor einem möglichen Aussterben geschützt werden können.

Bei all diesen Unternehmungen ist Ihr Land durch die ethischen Grundwerte motiviert, von denen Sie, Exzellenz, gesprochen haben. Diese Werte sind in Norwegens christlicher Kultur verwurzelt und stehen daher im Mittelpunkt der Perspektiven und Ziele, die es mit dem Heiligen Stuhl teilt. In weniger als 30 Jahren diplomatischer Beziehungen zwischen uns ist viel erreicht worden. Die enge Zusammenarbeit zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Königreich Norwegen – sowie anderen Nationen – bei der Ausarbeitung und Ratifizierung der Konvention zum Verbot von Streumunition ist ein gutes Beispiel dafür. Auch ich freue mich, unsere hervorragenden Beziehungen in vielen verschiedenen Bereichen weiterzuentwickeln und zu festigen, in der Absicht, die uns gemeinsame ethische Sichtweise zu fördern, um eine menschlichere und gerechtere Welt aufzubauen.

Was das Inland betrifft, so ist die katholische Gemeinschaft in Norwegen, obwohl sie nur klein ist, eifrig darauf bedacht, sich am Leben der Nation zu beteiligen und in der öffentlichen Debatte ihre Stimme vernehmen zu lassen. Ich habe vorhin die tiefe Reflexion erwähnt, die gegenwärtig hinsichtlich der Voraussetzungen und Werte stattfindet, die die norwegische Gesellschaft bestimmen, und hier kann die katholische Gemeinschaft mit ihrem reichen Erbe der Soziallehre einen wertvollen Beitrag leisten. Wie viele Länder im heutigen Europa ist Norwegen zunehmend aufgefordert, die Bedeutung des Rechts auf Religionsfreiheit im Kontext einer liberalen und pluralistischen Gesellschaft zu untersuchen. Ich bin zuversichtlich, daß die hohen ethischen Prinzipien und die Großherzigkeit, die für Norwegens Handeln auf der internationalen Bühne bezeichnend sind, auch im Inland vorherrschend sein werden, damit alle Bürger Ihres Land die Freiheit haben, ihre Religion auszuüben, und all die verschiedenen Religionsgemeinschaften die Freiheit haben, ihre Angelegenheiten in Übereinstimmung mit ihrem Glauben und ihrem Rechtssystem zu ordnen und auf diese Weise ihren besonderen Beitrag zum Gemeinwohl zu leisten.

Exzellenz, ich entbiete Ihnen meine besten Wünsche für den Erfolg Ihrer Mission und möchte Ihnen versichern, daß die verschiedenen Ämter der Römischen Kurie bereit sind, Hilfe und Unterstützung bei der Erfüllung Ihrer Pflichten zu bieten. Auf Sie, Exzellenz, Ihre Familie und das ganze Volk des Königreichs Norwegen rufe ich von Herzen Gottes reichen Segen herab.


*L'Osservatore Romano n. 25 p.9.

 

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