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ANSPRACHE VON BENEDIKT XVI.
AN DIE DOZENTEN, STUDENTEN UND ANGESTELLTEN DES 
PÄPSTLICHEN BIBELINSTITUTES

Sala Clementina
Montag, 26. Oktober 2009

 

Meine Herren Kardinäle,
hochwürdigster Generaloberer der Gesellschaft Jesu,
verehrter Herr Rektor,
verehrte Dozenten und liebe Studenten des Päpstlichen Bibelinstituts!

Mit aufrichtiger Freude begegne ich euch aus Anlaß des 100. Jahrestages der Gründung eures Instituts, das nach dem Willen meines heiligen Vorgängers Pius X. entstanden ist, um in Rom – wie bereits gesagt wurde – ein Zentrum für Fachstudien zur Heiligen Schrift und für die damit verbundenen Fächer zu errichten. Ich begrüße ehrerbietig Kardinal Zenon Grocholewski, dem ich für die höflichen Worte danke, die er in eurem Namen an mich gerichtet hat. Ebenso begrüße ich den Generaloberen Pater Adolfo Nicolás Pachón und nehme gern die Gelegenheit wahr, der Gesellschaft Jesu meine aufrichtige Dankbarkeit dafür zu bekunden, daß sie mit beachtlichem Engagement bei der Leitung der Fakultät für den Alten Orient, der Fakultät für Bibelwissenschaft hier in Rom und des Sitzes des Instituts in Jerusalem finanzielle Mittel und menschliche Ressourcen aufbietet. Ich begrüße den Rektor und die Dozenten, die ihr Leben in ständigem Hinhören auf das Wort Gottes dem Studium und der Forschung gewidmet haben. Ferner grüße ich das Personal und danke den Angestellten und Arbeitern für ihre wertvolle Mitarbeit sowie auch den Wohltätern, die die notwendigen finanziellen Mittel für die Erhaltung der Strukturen und für die Aktivitäten des Päpstlichen Bibelinstituts zur Verfügung gestellt haben und dies auch weiterhin tun. Ich grüße die ehemaligen Studenten, die in dieser Stunde geistig mit uns verbunden sind, und ganz besonders begrüße ich euch, liebe Studenten, die ihr aus allen Teilen der Welt kommt.

Hundert Jahre sind seit der Errichtung des Päpstlichen Bibelinstituts vergangen. Im Laufe dieses Jahrhunderts ist das Interesse an der Bibel sicher gestiegen, und dank des Zweiten Vatikanischen Konzils, vor allem der dogmatischen Konstitution Dei Verbum – deren Ausarbeitung ich als direkter Zeuge miterlebt habe, da ich als Theologe an den der endgültigen Verabschiedung vorausgehenden Diskussionen teilnahm –, wurde die Bedeutung des Wortes Gottes im Leben und in der Sendung der Kirche viel stärker wahrgenommen. Das hat in den christlichen Gemeinschaften eine echte spirituelle und pastorale Erneuerung begünstigt, die vor allem die Predigt, die Katechese, das Theologiestudium und den ökumenischen Dialog betrifft. Zu dieser Erneuerung hat euer Päpstliches Institut mit der wissenschaftlichen Bibelforschung, mit der Lehre der biblischen Disziplinen und der Veröffentlichung von qualifizierten Studien und Fachzeitschriften einen bedeutsamen Beitrag geleistet. Im Laufe der Jahrzehnte folgten aufeinander mehrere Generationen berühmter Dozenten – ich möchte hier unter anderen Kardinal Bea erwähnen –, die über 7000 Professoren für Bibelwissenschaft und Förderer von Bibelgruppen sowie auch viele Experten ausgebildet haben, die heute in allen Gegenden der Welt in verschiedenen kirchlichen Diensten tätig sind. Wir danken dem Herrn für eure Tätigkeit, die sich darum bemüht, die biblischen Texte in dem Geist auszulegen, in dem sie geschrieben wurden (vgl. Dei Verbum, 12), und die für den Dialog mit den anderen Disziplinen, mit den verschiedenen Kulturen und Religionen offen ist. Auch wenn es für eure Arbeit schwierige Zeiten gegeben hat, ist sie stets in Treue zum Lehramt durchgeführt worden, wie es den Zielsetzungen eures Instituts entspricht, das eben dazu errichtet wurde, »damit in der Stadt Rom ein Zentrum für höhere Studien der Heiligen Schrift entstehe, um auf möglichst wirksame Weise die Bibelwissenschaft und alle zu ihr gehörigen Studien im Geiste der katholischen Kirche zu fördern« (Pius X., Apostol. Schreiben Vinea electa (7. Mai 1909): AAS 1 (1909), 447–448).

Liebe Freunde, das Hundertjahrjubiläum stellt ein Ziel und zugleich einen Ausgangspunkt dar. Bereichert mit der Erfahrung der Vergangenheit setzt ihr euren Weg mit erneuertem Engagement fort, wobei ihr euch des Dienstes an der Kirche, der von euch verlangt wird, bewußt seid: nämlich die Bibel dem Leben des Volkes Gottes nahezubringen, damit es die neuen Herausforderungen, die die modernen Zeiten an die Neuevangelisierung stellen, entsprechend zu bewältigen vermag. Es ist der gemeinsame Wunsch, daß die Heilige Schrift in dieser säkularisierten Welt nicht nur zur Seele der Theologie wird, sondern auch zur Quelle der Spiritualität und der Glaubenskraft aller Christgläubigen. Das Päpstliche Bibelinstitut möge daher als kirchliches Studienzentrum von hoher Qualität im Bereich der Bibelforschung weiter wachsen, indem es sich der modernen kritischen Methoden bedient und mit den Fachgelehrten in Dogmatik und in anderen theologischen Bereichen zusammenarbeitet; es möge eine sorgfältige Ausbildung für die künftigen Professoren für Bibelwissenschaft sicherstellen, damit sie, wenn sie sich der biblischen Sprachen und der verschiedenen exegetischen Methoden bedienen, direkten Zugang zu den biblischen Texten finden können.

Die bereits erwähnte dogmatische Konstitution Dei Verbum hat in diesem Zusammenhang die Legitimität und Notwendigkeit der historischkritischen Methode unterstrichen und sie auf drei wesentliche Elemente zurückgeführt: die Berücksichtigung der literarischen Gattungen; die Erforschung des historischen Umfeldes; die Prüfung dessen, was man üblicherweise »Sitz im Leben« nennt. Das Konzilsdokument hält gleichzeitig am theologischen Charakter der Exegese fest und weist auf die Stärken der theologischen Methode bei der Textauslegung hin. Das geschieht deshalb, weil die Grundvoraussetzung, auf der das theologische Verständnis der Bibel beruht, die Einheit der Schrift ist, und dieser Voraussetzung entspricht als methodologischer Weg die »analogia fidei«, das heißt das Verständnis der einzelnen Texte vom Gesamten her. Der Konzilstext fügt noch einen weiteren methodologischen Hinweis hinzu. Da die Heilige Schrift ein Ganzes ist, ausgehend vom einen Volk Gottes, das sie durch die Geschichte getragen hat, bedeutet folglich das Lesen der Schrift als einer Einheit, sie ausgehend vom Volk Gottes, von der Kirche als ihrem lebenswichtigen Ort zu lesen und den Glauben der Kirche für den wahren Auslegungsschlüssel zu halten. Wenn die Exegese auch Theologie sein will, muß sie anerkennen, daß der Glaube der Kirche jene Form von »sym-pathia« ist, ohne die die Bibel ein versiegeltes Buch bleibt: die Tradition verschließt nicht den Zugang zur Schrift, sondern öffnet ihn vielmehr; andererseits steht der Kirche in ihren institutionellen Organen das entscheidende Wort bei der Auslegung der Schrift zu. Es ist nämlich die Kirche, der das Amt anvertraut ist, das geschriebene und überlieferte Wort Gottes authentisch auszulegen, indem sie ihre Autorität im Namen Jesu Christi ausübt (vgl. Dei Verbum, 10).

Liebe Brüder und Schwestern, während ich euch für euren willkommenen Besuch danke, ermuntere ich euch, euren kirchlichen Dienst in ständigem Festhalten am Lehramt der Kirche fortzusetzen. Ich sichere einem jeden von euch die Unterstützung durch das Gebet zu und erteile euch allen als Unterpfand der göttlichen Gnaden von Herzen den Apostolischen Segen.

 

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