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ANSPRACHE VON PAPST BENEDIKT XVI.
AN DIE BISCHÖFE DER BRASILIANISCHEN BISCHOFSKONFERENZ  
(REGION OST I) ANLÄSSLICH IHRES BESUCHES
»AD LIMINA APOSTOLORUM«

Konsistoriensaal im Apostolischen Palast in Castel Gandolfo
Samstag, 25. September 2010

 

Liebe Mitbrüder im Bischofsamt!

Ich heiße euch willkommen und freue mich, euch alle im Rahmen eures »Ad-limina«-Besuchs zu empfangen, den ihr im Namen eurer Diözesen der Region Ost I und für sie durchführt, um die Bande zu stärken, die sie mit dem Nachfolger Petri vereinen. Genau darauf hat Bischof Rafael Cifuentes in den Begrüßungsworten hingewiesen, die er in eurem Namen an mich gerichtet hat und für die ich ihm danke; sehr zu schätzen weiß ich die Gebete, die Tag für Tag für mich und für die ganze Kirche aus den verschiedenen Familiengemeinschaften, aus den Pfarrgemeinden, den Ordens- und diözesanen Gemeinschaften der Kirchenprovinzen Rio de Janeiro und Niterói zum Himmel aufsteigen. »Der Herr lasse sein Angesicht über dich leuchten und sei dir gnädig. Der Herr wende sein Angesicht dir zu und schenke dir Heil« (Num 6,25–26).

Ja, geliebte Brüder, von eurem ganzen Sein und Leben möge der Glanz Gottes ausstrahlen, so wie es Mose widerfuhr (vgl. Ex 34,29 und 25), und noch mehr, da wir jetzt »mit enthülltem Angesicht die Herrlichkeit des Herrn widerspiegeln und so in sein eigenes Bild verwandelt werden, von Herrlichkeit zu Herrlichkeit, durch den Geist des Herrn« (2 Kor 3,18). So empfanden es die Konzilsväter, als sie am Ende des II. Vatikanischen Konzils die Kirche mit folgenden Worten vorstellten: »Reich an einer langen Vergangenheit, die in ihr immer lebendig ist, und unterwegs zur menschlichen Vollkommenheit in der Zeit und zu den letzten Zielen der Geschichte und des Lebens, ist die Kirche die wahre Jugend der Welt. (…) Blickt auf sie und ihr werdet in ihr dem Antlitz Christi, dem wahren, milden und weisen Helden, dem Propheten der Wahrheit und der Liebe, dem Gefährten und Freund der Jugend begegnen « (Botschaft des II. Vatikanischen Konzils an die Menschheit: An die Jugend). Da sie das Antlitz Christi durchscheinen läßt, ist die Kirche die Jugend der Welt.

Es wird allerdings sehr schwer sein, jemanden davon zu überzeugen, wenn sich die junge Generation von heute nicht in ihr widerspiegelt. Deshalb ist die Situation der Jugend in den verschiedenen Diözesen ein Thema, das, wie ihr sicher wahrgenommen habt, in meinen Gesprächen mit euch immer wieder auftaucht. Im Vertrauen auf die göttliche Vorsehung, die die Geschicke der Geschichte liebevoll leitet, ohne es je aufzugeben, die künftigen Zeiten vorzubereiten, freue ich mich, in den jungen Menschen von heute das Morgen erstrahlen zu sehen. Schon der verehrungswürdige Papst Johannes Paul II. begrüßte im Jahr 2000, als er Rom »mit den Jugendlichen jung werden« sah, sie als »die Wächter auf den Morgen« (Apost. Schreiben Novo millennio ineunte, 9; vgl. Predigt bei der Gebetsvigil des XI. Weltjugendtags, 19. August 2000, 6; in O.R. dt., Nr. 34 vom 25.8.2000, S. 12), denen die Aufgabe obliegt, ihre Brüder aufzuwecken, damit sie aufbrechen in den weiten Ozean des dritten Jahrtausends. Und als Beweis dafür taucht in unserem Gedächtnis wieder das Bild von den langen Reihen Jugendlicher auf, die im Circus Maximus warteten, um zu beichten, und die vielen Priestern das Vertrauen in das Bußsakrament zurückgegeben haben.

Wie ihr, geliebte Bischöfe, wohl wißt, hat die geistige Krise unserer Zeit ihre tiefsten Wurzeln in der Verdunkelung der Gnade der Vergebung. Wenn die Vergebung nicht als wirklich und wirksam anerkannt wird, neigt man dazu, den Menschen von der Schuld freizusprechen, indem man vorgibt, daß die Bedingungen für ihre Möglichkeit niemals eintreten. Aber in ihrem Innersten wissen die auf diese Art »befreiten« Menschen, daß das nicht stimmt, daß es die Sünde gibt und daß sie selbst Sünder sind. Auch wenn manche Strömungen der Psychologie große Schwierigkeiten damit haben zuzugeben, daß zu den Schuldgefühlen auch jene gehören können, die durch eine echte Schuld ausgelöst wurden, wer so kaltblütig ist, nicht einmal dann Schuldgefühle zu empfinden, wenn er sie empfinden müßte, möge mit allen Mitteln versuchen, diese Schuldgefühle zurückzugewinnen, weil sie in der geistlichen Ordnung für das Heil der Seele notwendig sind.

Tatsächlich ist Jesus nicht gekommen, um diejenigen zu retten, die sich schon von allein befreit haben, weil sie meinen, ihn nicht zu brauchen, sondern alle jene, die sich als Sünder fühlen und ihn brauchen (vgl. Lk 5,31–32). Die Wahrheit ist, daß wir alle ihn als göttlichen Bildhauer brauchen, der die verkrusteten Schichten aus Staub und Schmutz, die sich auf das in uns eingeschriebene Bild Gottes gelegt haben, entfernt. Wir brauchen die Vergebung, die den Dreh- und Angelpunkt jeder wahren Erneuerung darstellt: Wenn wir den Menschen in seinem Innersten erneuern, wird er auch zum Zentrum der Erneuerung der Gemeinschaft.

Denn wenn Staub und Schmutz, die das Ebenbild Gottes in mir unerkennbar machen, entfernt werden, werde ich dem anderen, der seinerseits Gottes Ebenbild ist, wirklich ähnlich und vor allem werde ich Christus ähnlich, der das Ebenbild Gottes ohne jeden Fehler und Abstrich ist, das Modell oder Vorbild, nach dem wir alle erschaffen worden sind. Der hl. Paulus drückt das auf sehr konkrete Weise aus: »Nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir« (Gal 2,20). Ich werde aus meiner Isolierung herausgeführt und in eine neue Gemeinschaft von Subjekten aufgenommen; mein »Ich« wird in das »Ich« Christi eingefügt und so mit dem Ich aller meiner Brüder vereint. Erst aus dieser tiefgreifenden Erneuerung des Individuums entsteht die Kirche, entsteht die Gemeinschaft, die im Leben und im Tod vereint und trägt. Sie ist eine Begleiterin beim Aufstieg, bei der Verwirklichung jener Läuterung, die uns zur wahren Größe des Menschseins, zur Gemeinschaft mit Gott befähigt. In dem Maße, in dem sich die Läuterung vollzieht, wird auch der Aufstieg – der anfangs schwierig ist – immer mehr zur Freude. Diese Freude soll immer mehr von der Kirche, die mit der Welt in Berührung kommt, ausstrahlen, denn sie ist die Jugend der Welt.

Verehrte Brüder, eine solche Aufgabe kann mit unseren Kräften allein nicht verwirklicht werden, sondern dazu sind das Licht und die Gnade notwendig, die vom Geist Gottes kommen und in den Herzen und Gewissen wirken. Mögen sie euch und eure Diözesen bei der Formung der Gesinnungen und der Herzen unterstützen. Überbringt euren Jugendlichen und ihren Animatoren, den Priestern, Ordensleuten und Laien meinen herzlichen Gruß! Sie mögen ihren Blick zur Unbefleckten Empfängnis, zu Unserer Lieben Frau von Aparecida, erheben, deren Schutz ich euch anvertraue. Von Herzen erteile ich euch meinen Apostolischen Segen, den ich auf alle Gläubigen eurer Diözesen ausweite.

 

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