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ANSPRACHE VON PAPST BENEDIKT XVI.
AUS ANLASS DER VERLEIHUNG DER EHRENBÜRGERSCHAFT
DER SÜDTIROLER GEMEINDE NATZ-SCHABS

Nebensaal der Aula Paolo VI
Mittwoch, 9. November 2011

  

Verehrter, lieber Herr Bürgermeister!
Liebe Mitbrüder im priesterlichen Dienst!
Liebe Freunde aus
Natz-Schabs!

Ganz herzlich kann ich nur Vergelt’s Gott sagen für die große Ehre, die Sie mir geschenkt haben, daß ich nun Ehrenbürger Ihrer Gemeinde bin und sozusagen damit auch ganz rechtlich und amtlich bei Ihnen zu Hause bin. Durch das schöne Gemälde, das Sie mir geschenkt haben, kann ich schon immer Wanderungen in Ihrer Gemeinde machen und so auch in diesem Sinn zu Hause sein, auch wenn ich fürchten muß, daß mir nicht mehr geschenkt sein wird, leibhaftig einmal hinzukommen, sondern erst von oben her ich es dann anschauen kann. Aber ich bin mit dem Herzen bei Ihnen und freue mich wirklich richtig über dieses Geschenk, das Sie mir gemacht haben.

Südtirol ist ein besonderes Land, und durch die Erzählungen meiner Mutter ist es in mein Herz eingegraben. Ich habe ja die Großmutter und die Urgroßmutter selbst nicht mehr kennen lernen dürfen: Die Großmutter ist ja gestorben, als ich drei Jahre alt war; aber viele Geschichten von ihr sind doch geblieben, vor allem ist geblieben, daß sie ihr Leben lang inwendig Heimweh hatte nach Südtirol und sich nie so ganz eigentlich innerlich in Bayern angesiedelt hat. In ihrer letzten Krankheit hat sie gesagt: „Wenn ich einen Kübel Wasser von daheim bekommen könnte, würde ich gesund werden.“ Nun, sie konnte nicht mehr gesund werden, aber sie hat aus den Wassern ihrer Heimat gelebt und damit doch ein schweres und zugleich erfülltes und reiches Leben gehabt.

Mir fällt dabei noch eine andere kleine Geschichte ein. Meine Mutter hat als junges Mädchen in einem Haushalt in Kufstein gearbeitet; da hatte sie eine Freundin, spätere Bäckersfrau, die ich auch kennen lernen durfte als Bub. Die hat sie sehr geliebt, und die hat zu ihr mehrmals gesagt: „Mariedl, des muaßt dir merk’n: Tirol hab’n d’Engel z’sammtrog’n!“ [Maria, das mußt du wissen: Tirol haben die Engel zusammengetragen]. Unsere Mutter hat das wie ein Vermächtnis aufgefaßt und uns so weitergegeben. Sie war innerlich davon überzeugt, daß es so ist. Und im Jahr 1940 – ich war 13 Jahre alt – haben wir zum ersten Mal, wir drei Geschwister, einen Radfahrausflug nach Nordtirol gemacht und dann gesehen, daß es wirklich so ist: daß die Engel es zusammengetragen haben. Und dann, in den Fünfziger Jahren, bin ich auch nach Südtirol gekommen und hab’ diese besondere Nähe Gottes gespürt, der sich in der Schönheit dieses Landes ausdrückt. Aber so ganz schön geworden ist es nicht allein durch die Schöpfung, sondern dadurch, daß die Menschen dem Schöpfer geantwortet haben: Wenn man an die gotischen Kirchtürme denkt, an die schönen Häuser, an die Freundlichkeit und Herzlichkeit der Menschen, an die schöne Musik, dann weiß man, sie haben Antwort gegeben, und im Miteinander zwischen dem Schöpfer und seinen Engeln und den Menschen ist es ein schönes Land geworden – ein außergewöhnlich schönes Land. Und ich bin stolz und glücklich, irgendwie dazuzugehören.

Mein Wunsch in dieser Stunde ist es, daß es so bleibt. Sie, Herr Bürgermeister, haben von der Kirche gesprochen, die nach wie vor in der Mitte des Dorfes steht und Ausdruck der Gemeinschaft ist, die die Menschen zusammenhält, und zugleich der Öffnung, die sie über das Tal hinaus in die ganze Christenheit, in die Welt hinein öffnet und mit Verantwortung tragen läßt. Mein Wunsch also ist es, daß es so bleibe; daß Natur, Schöpfung und das Sein der Menschen ineinander klingen; daß der Glaube Freude macht, hilft, auch schwere Situationen zu bewältigen, denn die Urgroßmutter ist, glaube ich, weggegangen, weil das Haus von den Fluten bedroht war; daß Kraft erwächst, das Land immer neu – jede Generation muß neu beginnen – so schön zu halten, wie es ist, von innen her schön; und daß es daher eine Heimat bleibt, die Menschen befähigt, rechtes Menschsein zu leben.

Vergelt’s Gott für alles und Gottes Segen Ihnen allen!

 

   



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