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APOSTOLISCHE REISE VON PAPST FRANZISKUS NACH KOLUMBIEN
(6.-11. SEPTEMBER 2017)

PAPST FRANZISKUS

ANGELUS

Kirche des hl. Petrus Claver, Cartagena
Sonntag, 10. September 2017

[Multimedia]


 

Liebe Brüder und Schwestern,

kurz bevor ich diese Kirche betreten habe, in der sich die Reliquien des heiligen Petrus Claver befinden, habe ich die Grundsteine jener Einrichtungen gesegnet, die dazu bestimmt sind, Personen in schweren Notlagen beizustehen, und ich habe das Haus von Frau Lorenza besucht, wo sie täglich viele unserer Brüder und Schwestern aufnimmt, um ihnen Speise und Zuneigung zu geben. Diese Treffen tun mir sehr gut, weil man hier feststellen kann, wie die Liebe Gottes konkret wird, wie sie zum täglichen Leben wird.

Alle zusammen werden wir den Angelus beten und dabei der Fleischwerdung des Göttlichen Wortes gedenken. Und wir denken an Maria, die Jesus empfangen und zur Welt gebracht hat. Wir betrachten sie heute Vormittag unter der Anrufung Unserer Lieben Frau von Chiquinquirá. Wie Ihr wisst, war dieses Bildnis über einen langen Zeitraum hinweg verwahrlost, hatte seine Farbe verloren und war beschädigt und durchlöchert. Es wurde wie das Stück eines alten Sacks behandelt, ohne jegliche Ehrerbietung, bis es schließlich entsorgt wurde.

Damals wurde eine einfache Frau, die der Überlieferung nach María Ramos hieß, zur ersten Verehrerin der Jungfrau von Chiquinquirá; sie sah auf diesem Tuch etwas anderes. Sie hatte den Mut und den Glauben, dieses verblichene und abgenutzte Bildnis an einem bevorzugten Platz aufzustellen, um ihm so seine verlorene Würde wiederzugeben. Sie wusste, Maria, die Jesus in ihren Armen hielt, gerade in dem zu begegnen und zu verehren, was den anderen als vernachlässigbar und nutzlos erschien.

Auf diese Weise ist sie zum Musterbeispiel für all jene geworden, die auf verschiedene Weisen danach suchen, dem Bruders, der aufgrund des Schmerzes und der Wunden des Lebens daniederliegt, seine Würde wieder zu geben; jene, die sich nicht damit abfinden und dafür arbeiten, ihnen würdige Wohnmöglichkeiten zu schaffen und ihnen in ihren dringlichsten Nöten beizustehen, und vor allem beharrlich dafür beten, damit sie den ihnen entrissenen Glanz der Kinder Gottes wiedererlangen können.

Der Herr belehrt uns durch das Beispiel der Demütigen und derjenigen, die nichts zählen. Wenn er María Ramos, einer einfachen Frau, die Gnade gewährt hat, das Bildnis der Jungfrau in der Armut dieses beschädigten Tuches zu beherbergen, so gab er Isabel, einer indigenen Frau, und ihrem Sohn Miguel die Fähigkeit, als Erste dieses Tuch mit dem Bildnis der Jungfrau in verwandelter und erneuerter Form zu erblicken. Sie waren die Ersten, die mit schlichten Augen dieses Stück Tuch völlig erneuert betrachten konnten und darin den Widerschein des göttlichen Lichts sehen konnten, das alles verwandelt und alles neu macht. Den Armen, den Demütigen, denjenigen, die die Gegenwart Gottes betrachten, offenbart sich das Geheimnis der Liebe Gottes mit größerer Deutlichkeit. Sie, die Armen und einfachen Menschen, waren die Ersten, die die Jungfrau von Chiquinquirá gesehen haben und zu ihren Missionaren, zu Verkündern der Schönheit und Heiligkeit der Jungfrau geworden sind.

Und in dieser Kirche werden wir zu Maria beten, die sich selbst „Magd des Herrn“ nannte, und zum heiligen Petrus Claver, dem „Sklaven der Schwarzen für immer“, wie er sich seit dem Tag seiner feierlichen Profess nennen ließ. Er wartete auf die Schiffe, die von Afrika am Hauptort des Sklavenhandels der Neuen Welt eintrafen. Oftmals betreute er sie aufgrund der Unmöglichkeit der Kommunikation nur mit Gesten, mit evangelisierenden Gesten. Petrus Claver wusste indessen darum, dass die Sprache der Liebe und der Barmherzigkeit von allen verstanden wird. Eine Liebkosung geht über jede Sprache hinaus. Tatsächlich hilft die Liebe, die Wahrheit zu verstehen, und die Wahrheit fordert Taten der Liebe ein: Sie gehören zusammen, sie können nicht getrennt werden. Wenn er ihnen gegenüber Widerwillen verspürte – denn die Ärmsten kamen oft in einem widerlichen Zustand an –, küsste Petrus Claver die Wunden.

Nachdem er, geradezu in heroischer Weise bescheiden und von der Nächstenliebe bestimmt, hunderttausende Menschen in ihrer Einsamkeit getröstet hatte, starb er nicht in Ehren; alle hatten ihn vergessen, und er verbrachte die letzten vier Jahre seines Lebens krank in seiner Zelle, in einem schrecklichen Zustand der Verlassenheit. Das ist der Lohn der Welt, aber Gott entlohnt auf eine andere Weise.

Tatsächlich hat Petrus Claver auf großartige Weise für den Verantwortungssinn und die Anteilnahme Zeugnis abgelegt, die jeder von uns für seine Brüder und Schwestern haben soll. Dieser Heilige wurde des Weiteren ungerechterweise beschuldigt, aufgrund seines Eifers indiskret zu sein und musste sich harter Kritik sowie einem zähen Widerstand seitens derer stellen, die befürchteten, dass sein Dienst den lukrativen Sklavenhandel untergraben würde.

Dennoch werden heute in Kolumbien und auf der Welt Millionen von Personen wie Sklaven verkauft, oder aber sie betteln um etwas Menschlichkeit, um einen Augenblick der Sanftmut, sie stechen in See oder machen sich auf den Weg, weil sie alles verloren haben, angefangen von ihrer Würde und ihren eigenen Rechten.

Maria von Chiquinquirá und Petrus Claver laden uns ein, uns für die Würde all unserer Brüder und Schwestern einzusetzen, insbesondere für die Armen und die von der Gesellschaft Verstoßenen, für die Verlassenen, für die Auswanderer, für die unter Gewalt und Sklavenhandel Leidenden.  Sie alle haben ihre Würde und sind lebendiges Abbild Gottes. Wir alle sind nach dem Bild und Gleichnis Gottes geschaffen und die Jungfrau hält uns alle als ihre geliebten Kinder in ihren Armen.

Richten wir unser Gebet an die Jungfrau und Mutter, damit sie uns in jedem Menschen unserer Zeit das Angesicht Gottes entdecken lasse.

[Der Engel des Herrn…, Segen]

* * *

NACH DEM ANGELUS

Liebe Brüder und Schwestern,

von diesem Ort aus möchte ich jedem einzelnen Land Lateinamerikas mein Gebet versichern und in besonderer Weise dem Nachbarland Venezuela. Ich bekunde meine Nähe jedem einzelnen der Söhne und Töchter dieses geliebten Landes wie auch denen, die hier in Kolumbien Aufnahme gefunden haben. Aus dieser Stadt, dem Sitz der Menschenrechte, mache ich einen Aufruf, damit jede Art von Gewalt im politischen Leben erliege und sich eine Lösung der schweren Krise finden lässt, die zur Zeit durchlebt wird und die alle in Mitleidenschaft zieht, besonders die Armen und Benachteiligten der Gesellschaft. Möge die Heilige Jungfrau Maria ihre Fürsprache für die Nöte der Welt und jedes einzelne ihrer Kinder einlegen.

Ich grüße auch euch hier Anwesenden, die aus diversen Orten hergekommen sind, ebenso jene, die diesen Besuch im Radio oder im Fernsehen verfolgen. Euch allen wünsche ich einen gesegneten Sonntag. Und bitte vergesst nicht, für mich zu beten.

Und jetzt möchte ich euch den Segen geben. Jeder von uns möge, bevor er den Segen empfängt, in sein Herz die Namen der Personen legen, die wir am meisten lieben, und auch die Namen der Personen, die wir nicht lieben, die Namen der Personen, die uns lieben, und die Namen der Personen, von denen wir wissen, dass sie uns nicht lieben, für alle und für jeden einzelnen erbitten wir den Segen.

[Stilles Gebet, Segen]

 



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