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PAPST FRANZISKUS

GENERALAUDIENZ

Petersplatz
Mittwoch, 30. August 2017

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Die Christliche Hoffnung - 32. Die Erinnerung an die Berufung belebt die Hoffnung

Liebe Brüder und Schwestern, guten Tag!

Heute möchte ich auf ein wichtiges Thema zurückkommen: die Beziehung zwischen der Hoffnung und der Erinnerung, mit besonderer Bezugnahme auf die Erinnerung an die Berufung. Und ich nehme als Bild die Berufung der ersten Jünger Jesu. In ihre Erinnerung hatte sich diese Erfahrung so sehr eingeprägt, dass jemand sogar die Stunde verzeichnet hat: »Es war um die zehnte Stunde« (Joh 1,39). Der Evangelist Johannes erzählt die Episode wie eine klare Jugenderinnerung, die er als alter Mann unversehrt in seinem Gedächtnis bewahrt: Denn Johannes schrieb diese Dinge, als er bereits alt war.

Die Begegnung hatte am Jordan stattgefunden, wo Johannes der Täufer taufte; und jene jungen Galiläer hatten sich den Täufer als geistlichen Lehrmeister erwählt. Eines Tages kam Jesus und ließ sich im Fluss taufen. Am folgenden Tag ging er erneut vorüber, und da sagte der Täufer – also Johannes der Täufer – zu zweien seiner Jünger: »Seht, das Lamm Gottes!« (V. 36).

Und das ist für die beiden der »Funke«. Sie verlassen ihren ersten Lehrmeister und stellen sich in die Nachfolge Jesu. Auf dem Weg wendet Jesus sich zu ihnen um und stellt die entscheidende Frage: »Was wollt ihr?« (V. 38). Jesus erscheint in den Evangelien als Experte des menschlichen Herzens. In jenem Augenblick war er zwei jungen Menschen begegnet, die auf der Suche waren, mit gesunder Unruhe. Denn was für eine Jugend ist eine zufriedene Jugend, ohne eine Frage nach dem Sinn? Junge Menschen, die nichts suchen, sind keine jungen Menschen, sie sind in Pension, sie sind vorzeitig gealtert. Es ist traurig, junge Menschen in Pension zu sehen… Und im ganzen Evangelium, in allen Begegnungen, die er auf dem Weg macht, erscheint Jesus als »Brandstifter« der Herzen. Daher versucht er, durch seine Frage den Wunsch nach Leben und Glück zum Vorschein zu bringen, den jeder junge Mensch in sich trägt: »Was willst du?« Auch ich möchte die jungen Menschen, die hier auf dem Petersplatz sind, und jene, die über die Medien zuhören, heute fragen: »Junger Mensch, was willst du? Was willst du in deinem Herzen?« Die Berufung des Johannes und des Andreas beginnt so: Es ist der Anfang einer Freundschaft mit Jesus, die so stark ist, dass sie unumgänglich zu einer Gemeinschaft des Lebens und der Leidenschaften mit ihm führt. Die beiden Jünger beginnen, bei Jesus zu bleiben, und werden sofort zu Missionaren, denn nach der Begegnung kehren sie nicht ruhig nach Hause zurück: Sogar ihre jeweiligen Brüder – Simon und Jakobus – werden bald in die Nachfolge einbezogen. Sie sind zu ihnen gegangen und haben gesagt: »Wir haben den Messias gefunden, wir haben einen großen Propheten gefunden.« Sie überbringen die Nachricht. Sie sind Missionare dieser Begegnung. Es war eine so bewegende, eine so glückliche Begegnung, dass die Jünger sich für immer an jenen Tag erinnern werden, der ihre Jugend erleuchtet und ihr Orientierung geschenkt hat.

Wie entdeckt man die eigene Berufung in dieser Welt? Man kann sie auf vielerlei Weise entdecken, aber dieser Abschnitt des Evangeliums sagt uns, dass der erste Wegweiser die Freude über die Begegnung mit Jesus ist. Ehe, geweihtes Leben, Priestertum: Jede wahre Berufung beginnt mit einer Begegnung mit Jesus und schenkt uns Freude und neue Hoffnung; und sie führt uns, auch durch Prüfungen und Schwierigkeiten, zu einer immer umfassenderen Begegnung – die Begegnung wächst, wird immer größer, die Begegnung mit ihm – und zur Fülle der Freude.

Der Herr will keine Männer und Frauen, die widerwillig hinter ihm hergehen, ohne im Herzen den Wind der Freude zu haben. Ich frage euch, die ihr auf dem Petersplatz seid – jeder möge sich selbst antworten –, habt ihr den Wind der Freude im Herzen? Jeder möge sich fragen: »Habe ich in mir, im Herzen, den Wind der Freude?« Jesus will Menschen, die erfahren haben, dass bei ihm zu sein eine unermessliche Freude schenkt, die jeden Tag des Lebens erneuert werden kann. Ein Jünger des Reiches Gottes, der nicht voll Freude ist, evangelisiert diese Welt nicht, er ist ein trauriger Mensch. Man wird nicht zu Verkündigern Jesu, indem man die Waffen der Rhetorik schärft: Du kannst reden, reden, reden, aber wenn nichts anderes da ist… Wie wird man zu Verkündigern Jesu? Indem man in den Augen den Glanz der wahren Glückseligkeit bewahrt. Wir sehen viele Christen, auch unter uns, die mit den Augen die Freude des Glaubens weitergeben: mit den Augen!

Aus diesem Grund hütet der Christ – wie die Jungfrau Maria – die Flamme seiner Verliebtheit: verliebt in Jesus. Gewiss, es gibt Prüfungen im Leben, es gibt Augenblicke, in denen man vorangehen muss trotz Kälte und Gegenwind, trotz großer Bitterkeit. Aber die Christen kennen den Weg, der zu jenem heiligen Feuer führt, das sie ein für alle Mal entzündet hat.

Aber bitte, ich lege euch ans Herz: Hören wir nicht auf enttäuschte und unglückliche Menschen; hören wir nicht auf jene, die zynisch raten, keine Hoffnung im Leben zu hegen; vertrauen wir jenen nicht, die jede Begeisterung im Keim ersticken, indem sie sagen, dass keine Unternehmung das Opfer eines ganzen Lebens wert ist; hören wir nicht auf die, die »alt« sind im Herzen und die die jugendliche Euphorie auslöschen. Gehen wir zu den alten Menschen, die vor Hoffnung glänzende Augen haben! Hegen wir stattdessen gesunde Utopien: Gott will, dass wir in der Lage sind, wie er und mit ihm zu träumen, während wir unterwegs gut auf die Wirklichkeit achtgeben. Träumen wir von einer anderen Welt. Und wenn ein Traum verlischt, müssen wir ihn erneut träumen, indem wir mit Hoffnung aus der Erinnerung der Anfänge schöpfen, aus jener Glut, die – vielleicht nach einem nicht ganz so guten Leben – unter der Asche unserer ersten Begegnung mit Jesus verborgen ist.

Das also ist eine Grunddynamik des christlichen Lebens: an Jesus denken. Paulus sagte zu seinem Schüler: Denk an Jesus Christus (vgl. 1 Tim 2,8); das ist der Rat des großen heiligen Paulus: Denk an Jesus Christus. An Jesus denken, an das Feuer der Liebe denken, mit dem wir eines Tages unser Leben als einen guten Plan aufgefasst haben, und mit dieser Flamme unsere Hoffnung neu beleben.

* * *

Von Herzen grüße ich die Pilger deutscher Sprache, insbesondere die Benediktinermönche des Stiftes Admont, die Jubilare der Silbernen Hochzeit aus der Diözese Graz-Seckau, und die Stipendiaten des Katholischen Akademischen Ausländerdienstes der Deutschen Bischofskonferenz. Bringen wir die Flamme der Liebe Christi zu den Menschen, die des wahren Glücks und des Friedens so dringend bedürfen. Der Heilige Geist geleite euch auf euren Wegen.

 



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