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PAPST FRANZISKUS

FRÜHMESSE IM VATIKANISCHEN GÄSTEHAUS "DOMUS SANCTAE MARTAE"

 

Der Mut zu definitiven Entscheidungen

Montag, 25. November 2013

aus: L'Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, Nr. 49, 6. Dezember 2013

 

Wie oft geschieht es, dass Christen – seien es jene, die »heutzutage verfolgt werden«, oder seien es einfache »Familienmütter und -väter« – sich in »Grenzsituationen« befinden? Und die, wenn sie sich zu definitiven Entscheidungen gezwungen sehen, sich trotz allem für den Herrn entscheiden? Das fragte sich Papst Franziskus in der Predigt, die er Montag früh, 25. November, im Verlauf der Messe in Santa Marta hielt, wobei er betonte, dass es sich dabei auf jeden Fall um eine schwierige Entscheidung handle, für die wir Gott um »die Gnade zum Mut« bitten müssten.

Der Papst bezog sich vor allem auf die Schriftlesung zum Tage aus dem Buch des Propheten Daniel (1,1-6.8-20), wo von einigen jungen Männern berichtet wird, die den Mut aufbrachten, die ihnen vom König zugewiesenen unreinen Speisen abzulehnen, und denen es gelang zu erreichen, dass sie heimlich nur Wasser und pflanzliche Nahrung zu sich nehmen durften. Der Herr belohnte diese Treue, indem er ihnen dazu verhalf, einen Körper und Geist zu entwickeln, die weitaus fähiger waren als die aller anderen, so dass der König selbst sie für seinen Dienst auswählte. Diese jungen Männer, so bemerkte der Heilige Vater, waren »in einer Grenzsituation, weil sie Sklaven waren, und wenn man damals – aber auch heutzutage – in die Sklaverei geriet, konnte man keiner Sache mehr sicher sein, nicht einmal des eigenen Lebens. Wir sind in einer Grenzsituation.«

Der Bischof von Rom erinnerte dann auch an den Abschnitt aus dem Lukasevangelium (21,1-4), in dem vom Opfer der Witwe die Rede ist, die selbst nichts zu essen hat und doch alles, was sie besitzt, opfert. »Jesus«, so unterstrich der Papst, »sagt, dass sie im Elend lebte. Zu jener Zeit bekamen die Witwen keine Witwenrente, sie lebten im Elend. Sie waren am Limit.« Folglich seien diese jungen Männer und diese Witwe in einer Grenzsituation gewesen, als sie sich genötigt sahen, eine Entscheidung zu treffen.

»Die Witwe ging in den Tempel, um Gott anzubeten, um dem Herrn zu sagen, dass er über allem steht und dass sie ihn liebt.« Sie spürt, dass sie eine Geste für den Herrn vollbringen muss, und »gibt ihren gesamten Lebensunterhalt«. Und diese ihre Geste »ist sehr viel mehr als Großzügigkeit, es ist etwas völlig anderes«. Sie habe eine gute Wahl getroffen: nur den Herrn. Denn »sie vergisst sich selbst. Sie hätte sagen können: Aber Herr, du weißt es, ich brauche das, um heute Brot zu haben… Und dieses Geld wäre in ihre Tasche zurückgekehrt. Statt dessen entschied sie sich dafür, den Herrn anzubeten bis zum Schluss.« Auch die jungen Männer hätten Gelegenheit gehabt, »sagen wir, einen Notausgang aus ihrer Lage zu finden«, fügte der Bischof von Rom hinzu. In der Tat hätten sie sagen können: »Aber wir sind doch Sklaven. Hier kann das Gesetz nicht erfüllt werden, wir müssen unser Leben schützen, nicht abmagern, nicht krank werden … essen wir also!« Statt dessen »haben sie nein gesagt. Sie haben eine Wahl getroffen: den Herrn.« Und sie waren so intelligent, einen Weg zu finden, auch in einem schwierigen Kontext treu zu bleiben.«

Die jungen Männer und die Witwe »gingen ein Risiko ein«, betonte der Heilige Vater. »Sie entschieden sich in ihrer riskanten Lage für den Herrn.« Sie hätten diese Entscheidung mit dem Herzen getroffen, ohne Rücksicht zu nehmen auf persönliche Interessen und ohne Hintergedanken. Sie hätten sich dem Herrn anvertraut. Und sie hätten das getan, so bemerkte Papst Franziskus, nicht etwa, weil sie Fanatiker gewesen wären, »sondern weil sie wussten, dass der Herr treu ist. Sie vertrauten sich dieser Treue an, die stets da ist.« Denn »der Herr ist immer treu«, insofern er »sich selbst nicht verleugnen kann«.

Sich der Treue des Herrn anvertrauen: das sei eine Entscheidung, sagte der Papst, »die zu treffen auch wir in unserem christlichen Leben Gelegenheit haben«. Mitunter handle es sich »um eine große, schwere Entscheidung«. In der Geschichte der Kirche wie auch in unserer Zeit gebe es Männer, Frauen, alte Menschen und Jugendliche, die diese Entscheidung treffen. Das würde uns bewusst, »wenn wir das Leben der Märtyrer kennenlernen, wenn wir heutzutage in den Zeitungen über Christenverfolgungen lesen. Denken wir an diese Brüder und Schwestern, die sich in Grenzsituationen befinden und diese Entscheidung treffen. Sie leben in unserer Zeit. Sie sind ein Vorbild für uns. Sie ermutigen uns, all das, was wir zum Leben haben, dem Schatz der Kirche anzuvertrauen.«

Sich erneut auf die jungen Männern aus dem Buch des Propheten Daniel beziehend, machte der Heilige Vater darauf aufmerksam, dass der Herr »ihnen hilft und sie aus ihrer schwierigen Lage befreit; und sie siegen und kommen an ein gutes Ziel.« Der Herr helfe auch der Witwe aus dem Lukasevangelium, »denn hinter Jesu Lob steht das Lob Gottes: Wahrhaftig, ich sage euch: diese arme Witwe… Es ist ein Sieg. Es wird uns gut tun, an diese Brüder und Schwestern zu denken, die im ganzen Verlauf der Geschichte und auch heute noch endgültige Entscheidungen treffen.« Der Papst forderte auf, ganz besonders an »viele Mütter und an viele Familienväter zu denken, die jeden Tag definitive Entscheidungen treffen müssen, um mit ihren Familien, mit ihren Kindern weiterzuleben. Und das ist ein Schatz in der Kirche.« Angesichts des Beispiels vieler, die heute weiterhin Zeugnis geben, »bitten wir um die Gnade des Mutes. Des Mutes, in unserem christlichen Leben weiterzugehen, in den Dingen des Alltags und in den Grenzsituationen.«

 

 

 



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