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PAPST FRANZISKUS

FRÜHMESSE IM VATIKANISCHEN GÄSTEHAUS "DOMUS SANCTAE MARTHAE"

 

Bin ich denn in meinem Inneren lebendig?

 Dienstag, 18. November 2014

 

aus: L'Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, Nr. 49, 5. Dezember 2014

 

»Das Wort Gottes vermag alles zu verändern«, aber wir »haben nicht immer den Mut daran zu glauben«. In der Predigt, die er am Dienstag, 18. November, in Santa Marta hielt, setzte sich Papst Franziskus mit dem Thema der Umkehr auseinander, und in seiner Auslegung der Schriftlesungen zum Tage befasste er sich mit drei Kategorien, mit »drei Aufrufen zur Umkehr«. Denn, so erläuterte er: »Die Umkehr ist kein Akt des Willens.« Man denkt nicht: »Ich kehre jetzt um, das ist in meinem Interesse…«, oder: »Ich muss es tun…« Nein, die Umkehr »ist eine Gnade«, sie sei »ein Besuch Gottes: Der Menschensohn ist gekommen, um uns zu suchen und zu erlösen«, es sei Jesus, »der an unsere Tür, an unser Herz klopft, und sagt: ›Komm doch!‹«

Worin bestünden also die drei Aufrufe? Dem ersten begegne man im Buch der Offenbarung (3,1-6.14-22), wo der Herr die Christen zur Umkehr auffordere, weil sie »lau« geworden seien. Das sei, so erläuterte der Papst, »das Christentum, die Spiritualität der Bequemlichkeit: weder heiß noch kalt«, kurz, die Einstellung derer, die sagen: »Ruhig … ich mache die Dinge, so gut ich kann, aber ich bin in Frieden: dass nur ja keiner komme und mich mit merkwürdigen Dingen störe.« Das sei etwa der Fall eines Menschen, der sich wohl fühle und bekräftige: »Es fehlt mir an nichts. Ich gehe sonntags zur Messe, manchmal bete ich, ich fühle mich wohl, ich bin ›im Stand der Gnade Gottes‹, ich bin reich, die Gnade hat mich reich werden lassen, ich brauche nichts, es geht mir gut.«

Dieser Gemütszustand, so betonte Franziskus, »ist ein Zustand der Sünde: die geistliche Bequemlichkeit ist ein Zustand der Sünde.« In der Tat stehe in der Offenbarung: »Du behauptest: Ich bin reich und wohlhabend, und nichts fehlt mir, aber du weißt nicht, dass gerade du elend  und erbärmlich bist, arm, blind und nackt.‹« Der Herr lasse es »diesen bequemen Christen« gegenüber nicht an Worten fehlen, »er sagt ihnen seine Meinung, direkt ins Gesicht.« So lese man in der Schrift weiter: »Weil du aber lau bist, weder heiß noch kalt, will ich dich aus meinem Mund ausspeien.« Ein »sehr starker« Ausdruck, wie der Papst bemerkte. Zugleich aber »erlaubt sich« der Herr »einen Rat«, um die Umkehr des Christen zu begünstigen, er empfehle ihm, sich anzukleiden, denn »die bequemen Christen sind nackt«. Darauf, nach dem harten Wort, komme der Herr »ein wenig näher und spricht voller Zärtlichkeit: ›Mach also Ernst, und kehr um!« Das, so der Papst, sei »der Ruf zur Umkehr: ›Ich stehe vor der Tür und klopfe an.‹« Damit wende sich der Herr an die »Partei der Bequemen, der lauen Christen« und fordere sie auf, »sich von der geistlichen Lauheit, von diesem Zustand der Mittelmäßigkeit abzukehren«.

Und dann erfolge der zweite Ruf: er gelte denen, die »für den äußeren Schein leben«. Es sei wiederum die Offenbarung, die sie nenne: »Dem Namen nach lebst du, aber du bist tot.« Denen, die meinen, nur dank des Scheins am Leben zu sein, sage der Herr: »›Werde wachsam‹, bitte, ›stärke, was noch übrig ist, was schon im Sterben lag‹: etwas ist noch lebendig, stärke es!« Und der Herr füge noch einen liebevollen Rat hinzu: »Denk also daran, wie du die Lehre empfangen und gehört hast. Halte fest daran, und kehr um! Wenn du aber nicht aufwachst, werde ich kommen wie ein Dieb.« In diesem Fall also drei Worte – »Erinnerung«, »Bewahrung«, und »Wachsamkeit « –, die der Papst betonte und ausmalte, wie diese Art von Mensch denke: »Ich bin allem Anschein nach ein Christ, innerlich aber bin ich tot.« Der Schein »ist das Leichentuch dieser Christen: sie sind tot«. Und der Herr »ruft sie zur Umkehr: Erinnere dich, werde wach und stärke, was noch übrig ist.‹ Noch ist etwas Leben in dir übrig: stärke es!«

Also sei jeder einzelne von uns aufgerufen, sich zu fragen: »Bin ich einer dieser Schein-Christen? Bin ich in meinem Inneren noch lebendig, habe ich ein geistliches Leben? Höre ich auf den Heiligen Geist?« Man müsse sich vor der Versuchung in Acht nehmen, zu sich selbst zu sagen: ›Wenn alles gut erscheint, dann habe ich mir nichts vorzuwerfen. Ich habe eine gute Familie. Die Menschen reden nicht schlecht über mich. Ich habe alles, was ich brauche. Ich habe kirchlich geheiratet… Ich bin ›vor Gott im Stand der Gnade.‹ Ich kann ganz beruhigt sein.« Aber Vorsicht, denn »die Schein-Christen… sind tot.« Man solle dagegen »suchen, was im Inneren noch lebendig ist, und es mit Hilfe der Erinnerung und der Wachsamkeit stärken, damit es weiterleben kann.« Man müsse »umkehren: vom Schein zur Wirklichkeit. Von der Lauheit zum Eifer.« Schließlich gebe es dann den dritten Aufruf zur Umkehr, der an Zachäus ergangen sei. Wer das gewesen sei? »Er war der oberste Zöllner und ein reicher Mann«; ein »Korrupter«, der »für die Fremden arbeitete, für die Römer, ein Vaterlandsverräter. Er wollte am Zoll zu Geld kommen « und gab »einen Teil an den Feind des Vaterlandes  ab«. Er sei also »gewesen wie viele Führungskräfte, die wir kennen, das heißt korrupt «. Menschen, die »statt dem Volk zu dienen«, es ausbeuten, »um sich selbst zu dienen«.

Zachäus, so kommentierte Franziskus, »war nicht lau; er war nicht tot. Er war im Zustand der Verwesung. Richtig korrupt.« Und doch habe er Christus gegenüber »etwas in seinem Inneren gespürt: diesen Wunderheiler, diesen Propheten, der so gut reden können soll, den möchte ich sehen, so aus Neugier.« An diesem Punkt sähen wir das Wirken des Heiligen Geistes: »Der Heilige Geist ist schlau und hat den Samen der Neugier ausgesät.« Dieser Mann habe, um Jesus zu sehen, sogar »eine etwas lächerliche Figur abgegeben«: Eine Führungskraft, ein »Vorgesetzter der Führungskräfte« sei sogar soweit gegangen, »auf einen Baum« zu klettern, »um eine Prozession anzuschauen «. Wie lächerlich, »sich so zu benehmen! « Und doch habe er gerade das getan, »er hat sich nicht geniert. ›Ich will ihn sehen!‹« Der Papst merkte an: In ihm – und er war ein selbstsicherer Typ – »wirkte der Heilige Geist. Und dann ist das geschehen, was geschehen ist: Das Wort Gottes drang in dieses Herz ein, und zusammen mit dem Wort auch die Freude.« Ja, die Männer, die in der »Bequemlichkeit« lebten, und die, die »für den Schein lebten, hatten vergessen, was die Freude war«, während »dieser Korrupte sie sogleich empfing«.

Das Lukasevangelium berichte, dass er »schnell herunterstieg und Jesus freudig bei sich aufnahm«: das heiße, er habe »das Wort Gottes angenommen, das Jesus war«. Und in seinem Inneren sei »sogleich« das erfolgt, was Matthäus widerfahren sei (sie gingen »demselben Beruf nach«): »Das Herz verändert sich, er kehrt um und sagt sein authentisches Wort: ›Herr, die Hälfte meines Vermögens will ich den Armen geben, und wenn ich von jemand zu viel gefordert habe‹ – sehr viel! – ›gebe ich ihm das Vierfache zurück.‹« Aufschlussreiche Worte, so Franziskus: »Das ist eine goldene Regel. Wenn die Umkehr bis an den Geldbeutel geht, dann ist sie gewiss.« Und er erläuterte: »Christen im Herzen? Alle. Christen in der Seele? Alle. Aber Christen, wenn es an den Geldbeutel geht? Wenige.« Und doch sei angesichts des »authentischen Wortes« die Umkehr »sofort erfolgt«. Dem stehe »das andere Wort« derer gegenüber, die nicht umkehren wollten: »Als sie das sahen, murrten sie: ›Er ist bei einem Sünder eingekehrt.‹ Er hat sich beschmutzt, er ist unrein geworden. Er muss sich reinigen, weil er das Haus eines Sünders betreten hat.« Es seien insgesamt drei Aufrufe zur Umkehr, die »von Jesus selbst« ausgegangen seien: »an die lauen Christen, an die bequemen Christen«, dann an die »Christen des Scheins, an die, die sich für reich halten, aber in Wirklichkeit arm sind«, ja, »die gar nichts haben, die tot sind«, und schließlich an den, der »noch schlimmer als tot ist: der korrupt ist.« Bei solchen Menschen »ist das Wort Gottes imstande, alles zu ändern. Aber die Wahrheit ist, dass wir nicht immer den Mut aufbringen, an das Wort Gottes zu glauben« und »dieses Wort zu empfangen, das uns in unserem Inneren heilt«, um dessentwillen »der Herr an die Tür unseres Herzens klopft«.

Das, so schloss der Papst, »ist die Umkehr«. Die Umkehr, an die wir, wie uns die Kirche ermahne, »in diesen letzten Wochen des Jahreskreises sehr ernsthaft denken sollen«, damit »wir auf unserem christlichen Lebensweg vorangehen können«. Daher sollten wir »uns an das Wort Gottes erinnern«, »es uns ins Gedächtnis rufen«, »es bewahren«, »ihm gehorchen« und »wachsam sein«, um »ein neues Leben der Umkehr« beginnen zu können.

 



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