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PAPST FRANZISKUS

FRÜHMESSE IM VATIKANISCHEN GÄSTEHAUS "DOMUS SANCTAE MARTHAE"

 

Eine offene Tür

 Dienstag, 10. März 2015

 

aus: L'Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, Nr. 14, 3. April 2015

 

»Um Vergebung zu bitten heißt nicht einfach, sich zu entschuldigen.« Es sei nicht leicht, ebenso wie es »nicht leicht ist, Gottes Vergebung zu erlangen: nicht etwa, weil er sie uns vorenthalten möchte, sondern weil wir die Tür verschließen, indem wir den anderen nicht vergeben«. In der Predigt, die er am Dienstag, 10. März, während der Messe in Santa Marta hielt, fügte Papst Franziskus der Reflexion über den Weg der Buße, der die Fastenzeit charakterisiert, ein weiteres Mosaiksteinchen hinzu: das Thema der Vergebung.

Seine Reflexion ging vom Text der ersten Lesung aus, die dem Buch des Propheten Daniel entnommen war (3,25.34-43), wo über den Propheten Asarja geschrieben stehe, dass er »auf die Probe gestellt wurde und sich an die Prüfung erinnerte, die seinem Volk auferlegt war, das in der Sklaverei lebte«. Aber, so führte der Papst aus, das Volk »war nicht etwa durch Zufall in Gefangenschaft geraten: es war gefangen, weil es das Gesetz des Herrn aufgegeben hatte, weil es gesündigt hatte«. Daher betete Asarja so: »Um deines Namens willen verwirf uns nicht für immer; löse deinen Bund nicht auf! Versag uns nicht dein Erbarmen!

Ach Herr, wir sind geringer geworden als alle Völker. In aller Welt sind wir heute wegen unserer Sünden erniedrigt. Du aber nimm uns an!« Das heiße, dass Asarja bereue: »Er bittet um Vergebung für die Sünde seines Volkes.« Der Prophet »beschwert sich in der Prüfung nicht bei Gott«, er sage nicht etwa: »Aber du bist uns gegenüber ungerecht, sieh nur, was uns nun widerfährt… « Vielmehr versichere er: »Du hast gerechte Strafen verhängt, in allem, was du über uns gebracht hast«. Das sei das wesentliche Detail: Asarja »war sich der Sünde bewusst«. Der Papst machte dann auch darauf aufmerksam, dass Asarja nicht etwa zum Herrn sage: »Entschuldige, wir haben einen Fehler gemacht.«

Tatsächlich »ist es eines, um Vergebung zu bitten, und ein anderes, sich zu entschuldigen«. Es handle sich dabei um zwei grundverschiedene Einstellungen: die erste beschränke sich darauf, um Entschuldigung zu bitten, die zweite impliziere auch das Eingeständnis, gesündigt zu haben. Tatsächlich sei die Sünde »nicht nur ein einfacher Fehler. Die Sünde ist Götzendienst«, sie bestehe darin, die »zahlreichen Götzen« anzubeten, »die wir haben«: den Stolz, die Eitelkeit, das Geld, das eigene Ich, den Wohlstand. Das sei der Grund dafür, dass Asarja nicht einfach um Entschuldigung, sondern »um Vergebung bitte«.

Das Tagesevangelium aus Matthäus (18, 21- 35) gab Papst Franziskus dann das Stichwort, um die andere Seite der Vergebung anzusprechen: Er ging von der von Gott erbetenen Vergebung über zu jener, die man seinen Mitmenschen gewähre. Petrus stelle Jesus eine Frage: »Herr, wie oft muss ich meinem Bruder vergeben, wenn er sich gegen mich versündigt?« Im Evangelium »kommen nicht viele Momente vor, in denen jemand um Vergebung bittet«, so erläuterte der Papst, der dann an einige dieser Beispiele erinnerte. Da sei beispielsweise »die Sünderin, die zu Jesu Füßen weint, seine Füße mit ihren Tränen benetzt und sie dann mit ihren Haaren trocknet«: Im betreffenden Fall, so sagte der Papst, »hat diese Frau sehr viel gesündigt, sie hat sehr viel geliebt und bittet um Vergebung«. Sodann könne man an jenen Vorfall erinnern, wo Petrus »nach dem wunderbaren Fischfang zu Jesus sage: Herr, geh weg von mir; ich bin ein Sünder«: da allerdings »bemerkt er, dass er sich nicht geirrt hat, dass noch etwas anderes in ihm steckt«. Weiter könne man daran denken, wie »Petrus in der Nacht des Gründonnerstags weint, als ihn Jesus ansieht«. Auf jeden Fall seien »die Augenblicke, in denen um Vergebung gebeten wird, sehr wenige«.

Aber im Tagesevangelium frage Petrus den Herrn, wie oft wir vergeben sollten: »Siebenmal nur?« Jesus habe dem Apostel »mit einem Wortspiel geantwortet, das soviel wie ›‹ bedeutet: nicht siebenmal, sondern siebenundsiebzigmal, das heißt, du sollst immer vergeben«. Hier, so betonte Franziskus, ist die Rede von »vergeben«, nicht nur von einer Bitte um Entschuldigung für einen Fehler: demjenigen zu vergeben, »der mich beleidigt hat, der mir wehgetan hat, dem Menschen, der mit seiner Niedertracht mein Leben, mein Herz verwundet hat«.

Die Frage, die sich ein jeder von uns also stellen müsse, laute: »Wie oft sind wir zu vergeben bereit?« Die Antwort hierauf könne dem Gleichnis entnommen werden, das Jesus erzählt habe, dem Gleichnis von dem Mann, »dem sehr, sehr, sehr oft vergeben wurde, viel Geld, viel, Millionen «, und der dann, »hochzufrieden« über die erlangte Vergebung, hingehe und »einen Gefährten findet, der ihm vielleicht gerade einmal fünf Euro schuldet, und ihn ins Gefängnis bringt«. Das Beispiel sei klar und deutlich: »Wenn ich nicht dazu  imstande bin, zu vergeben, dann bin ich auch nicht dazu imstande, um Vergebung zu bitten.« Daher »lehrt uns Jesus, folgendermaßen zum Vater zu beten: Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.«

Was heiße das ganz konkret? Papst Franziskus antwortete darauf mit einem imaginären Dialog mit einem bußfertigen Sünder: »Aber Vater, ich gehe zur Beichte, ich gehe beichten… – Und was tust du, bevor du beichten gehst? – Nun, ich denke an all das Schlechte, das ich getan habe. – Gut so. – Dann bitte ich den Herrn um Vergebung und verspreche, es nicht wieder zu tun… – Gut. Und dann gehst du zum Priester?« Zuvor aber »hast du noch etwas ausgelassen: Hast du denen vergeben, die dir etwas angetan haben?« Wenn das Gebet, das uns gelehrt worden sei, laute: Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern«, dann wüssten wir, dass »die Vergebung, die Gott dir gewähren wird«, »die Vergebung« voraussetze, »die du den anderen gewährst«.

Abschließend fasste Franziskus seine Reflexion folgendermaßen zusammen: Zunächst »heißt um Vergebung bitten nicht einfach nur um Entschuldigung bitten«, sondern »man müsse sich der Sünde, des Götzendienstes bewusst sein, dessen ich mich schuldig gemacht habe, der vielen Formen des Götzendienstes«; und zweitens »vergibt Gott immer, immer«, aber er verlange, dass auch ich vergebe, denn »wenn ich nicht vergebe «, dann sei das in einem gewissen Sinne so, als ob ich »die Tür der Vergebung Gottes« zuschlüge. Eine Tür, die wir hingegen offenstehen lassen müssten: Lassen wir Gottes Vergebung herein, damit wir auch den anderen Menschen vergeben können.

 



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