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PAPST FRANZISKUS

FRÜHMESSE IM VATIKANISCHEN GÄSTEHAUS "DOMUS SANCTAE MARTHAE"

 

Die Einheit wird nicht mit Kleister zustande gebracht

Donnerstag, 21. Mai 2015

 

aus: L'Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, Nr. 23, 5. Juni 2015

 

Im Mittelpunkt der Überlegungen, die Papst Franziskus während der Messe anstellte, die er am Donnerstag, 21. Mai, in Santa Marta feierte, stand die Einheit in der Kirche. Bei der Auslegung des Tagesevangeliums aus dem Johannesevangelium (17,20-26), betonte der Papst vor allem, dass »es jedermann tröstet, dieses Wort zu vernehmen: ›Aber ich bitte nicht nur für diese hier, sondern auch für alle, die durch ihr Wort an mich glauben.‹« Das hatte Jesus in jenem Augenblick gesagt, als er von den Aposteln Abschied nahm. In jenem Augenblick bittet Jesus den Vater für die Jünger, und er »betet auch für uns«.

Franziskus machte darauf aufmerksam, dass »Jesus in jenem Augenblick für uns gebetet hat und dass er das auch weiterhin tut«. In der Tat stehe im Evangelium: »Ich bitte nicht nur für diese hier, sondern auch für viele andere, die noch kommen werden.« Ein keineswegs unerhebliches Detail, dem man vielleicht nicht genug Aufmerksamkeit schenke. Und dennoch, so bekräftigte der Papst, »hat Jesus für mich gebetet« und das »ist wirklich ein Quell des Vertrauens«. Wir könnten uns »Jesus vor dem Vater im Himmel« vorstellen, der für uns bete. Und »was sieht der Vater? Die Wundmale«, also den Preis, den Jesus »für uns entrichtet hat«.

Mit diesem Bild kam der Papst zum eigentlichen Thema seiner Reflexion. In der Tat, so fragte er sich, »worum bittet Jesus den Vater in diesem Gebet?« Sage er vielleicht: »Ich erbitte für sie, dass das Leben gut zu ihnen sei, so dass sie Geld haben mögen, dass sie alle glücklich seien, dass es ihnen an nichts mangeln möge?« Nein, Jesus »betet darum, dass alle eins seien: ›Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin.‹« In jenem Augenblick bete er »für unsere Einheit. Für die Einheit seines Volkes, für die Einheit seiner Kirche«.

Jesus, so erläuterte Franziskus, wisse nur allzu gut, dass »der Geist der Welt tatsächlich der Geist des Urhebers der Spaltung, des Krieges, des Neides, der Eifersüchteleien ist«, und das gebe es »auch in den Familien, auch in den Ordensfamilien, auch in den Diözesen, auch in der ganzen Kirche: das ist die große Versuchung«. Daher sei »das große Gebet Jesu« darauf ausgerichtet, dem Vater zu »ähneln«: also »wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin«, in der »Einheit, die er mit dem Vater hat«.

Also könnte jemand die Frage stellen: »Aber Vater, mit dieser Bitte Jesu dürfen wir doch, wenn wir gläubig sein wollen, nicht übereinander tratschen?« Oder: »Dürfen wir diesem da nicht das Etikett anhängen, dass er…; sagen, dieser ist…, jener ist…?« Und »jener andere, der als Revolutionär abgestempelt worden ist…?« Die Antwort des Papstes fiel eindeutig aus: »Nein!« Denn, so fügte er hinzu, »wir müssen eins sein, eins, so wie Jesus und der Vater eins sind«. Und gerade das sei »die Herausforderung an alle Christen: der Spaltung keinen Platz unter uns einräumen, nicht zulassen, dass der Geist der Spaltung, der Urheber der Lüge in uns Einzug hält«. Wir müssten, so sagte der Papst mit Nachdruck, »stets die Einheit suchen«. Natürlich sei jeder »eben so, wie er ist«, er müsse sich aber darum bemühen, in Einheit zu leben: »Hat Jesus dir vergeben? Vergib auch du allen.«

Der Herr bete dafür, dass uns das gelinge. Der Papst erläuterte: »Die Kirche bedarf dieses Gebets für die Einheit dringend, nicht nur des Gebetes Jesu; auch wir müssen uns diesem Gebet anschließen. « Im Übrigen habe die Kirche diese Notwendigkeit bereits in ihren Anfängen zum Ausdruck gebracht: »Wenn wir damit beginnen, das Buch der Apostelgeschichte von Anfang an zu lesen «, so sagte Franziskus, »dann sehen wir, dass bereits dort die Streitigkeiten beginnen, und auch die Betrügereien. Einer will den anderen betrügen, man denke etwa an Hananias und Saphira… « Bereits im Lauf dieser ersten Jahre stoße man auf Spaltungen, auf persönliche Interessen, auf Egoismen. Die Einheit zu schaffen sei ein richtiger »Kampf« gewesen und sei es noch immer. Gleichwohl müsse man sich darüber klar werden, dass »wir aus eigenen Kräften es nicht vermögen «, die Einheit zu erreichen: In der Tat »ist sie eine Gnade«. Daher, so bekräftigte der Papst, »betet Jesus, er hat zu seiner Zeit gebetet, er betet für die Kirche, er hat für mich gebetet, für die Kirche, damit ich auf diesem Weg gehen möge«.

Die Einheit sei so überaus wichtig, dass, wie der Papst bemerkte, »in dem Abschnitt, den wir gelesen haben« dieses Wort ganze »vier mal innerhalb von sechs Versen« wiederholt wird. Eine Einheit, die »nicht mit Kleister zustande gebracht wird«. In der Tat existiere keine »mit Kleister zusammengeleimte Kirche«: Die Kirche wurde vom Heiligen Geist zu einer Einheit gemacht. Aus diesem Grunde »müssen wir dem Heiligen Geist Platz schaffen, damit er uns so verwandle, wie der Vater im Sohne ist: in eine Einheit«. Um dieses Ziel zu erreichen, so merkte der  Papst an, gebe es einen Rat, den Jesus selbst uns gegeben habe: »Bleibt in mir!« Auch das sei eine Gnade. Jesus bitte in seinem Gebet: »Vater, ich will, dass alle, die du mir gegeben hast, dort bei mir sind, wo ich bin«, damit sie »meine Herrlichkeit sehen«.

Aus dieser Meditation ergab sich ein Ratschlag: der Rat, die Verse 20 bis 26 aus dem 17. Kapitel des Johannesevangeliums zu lesen und zu bedenken: »Jesus betet, er betet für mich, er hat für mich gebetet und tut es auch weiter. Er betet mit seinen Wundmalen, im Angesicht des Vaters.« Und er tue das, »damit wir alle eins seien, so wie er eins ist mit dem Vater, für die Einheit«. Das »soll uns dazu bringen, nicht zu urteilen«, nichts zu tun, »das der Einheit schadet«, und dem Rat Jesu zu folgen, »in diesem Leben in ihm zu bleiben, damit wir in der Ewigkeit in ihm bleiben können«.

Diese Lehren, so schloss der Papst, seien in der Rede Jesu beim Letzten Abendmahl enthalten. In der heiligen Messe »erleben wir dieses Abendmahl von neuem«, und Jesus wiederhole uns diese Worte. In der Eucharistie lasse man daher »Raum dafür, dass die Worte Jesu in unser Herz eintreten können, und wir alle sind dazu in der Lage, Zeugen der Einheit in der Kirche und Zeugen der Freude in der Hoffnung auf die Betrachtung der Herrlichkeit Jesu zu sein«.



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