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PAPST FRANZISKUS

FRÜHMESSE IM VATIKANISCHEN GÄSTEHAUS "DOMUS SANCTAE MARTHAE"

 

Weg und Gedächtnis

Donnerstag, 21. April 2016

 

aus: L'Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, Nr. 18, 6. Mai 2016

 

 

Die Menschen gehen den Weg des Lebens niemals allein, und wenn sie sich daran zu erinnern vermögen, dass Gott an ihrer Seite ist, so hilft ihnen das, zu verstehen, dass das Heil nicht etwa das Geschehen eines Augenblicks ist, sondern eine Geschichte, die sich Tag für Tag zwischen guten und schlechten Dingen entfaltet und die in der Begegnung am Ende ihren Höhepunkt findet. Die Parallele zwischen der Geschichte des Volkes Israel und der persönlichen Geschichte eines jeden Christen war der rote Faden, der sich durch die Predigt zog, die Papst Franziskus im Verlauf der Messe hielt, die er am Donnerstag, 21. April, in Santa Marta feierte. Eine Geschichte, die es zu beachten gelte, weil »uns das Erinnern Gott näher bringt«, so sagte der Papst.

Der Heilige Vater betonte unter Verweis auf die der Apostelgeschichte (13, 13-25) entnommene erste Lesung zum Tage, dass es keinesfalls dem Zufall zuzuschreiben sei, dass die erste Predigt, jene »der Jünger Jesu«, »historischer Art« gewesen sei. Bei der Verkündigung des Evangeliums seien sie »dann auch zu Jesus gekommen, aber auf dem Weg über die Nacherzählung der ganzen Geschichte des Volkes Israel«, angefangen beim »Vater Abraham« über »Mose, die Befreiung von der Knechtschaft in Ägypten, das Gelobte Land«, bis sie dann mit einem Zitat König Davids geschlossen hätten: »Aus seinem Geschlecht hat Gott dem Volk Israel, der Verheißung gemäß, Jesus als Retter geschickt.« So legten sie Zeugnis ab von einem »historischen Weg«, dem Weg, den Gott »mit seinem Volk zusammen gegangen ist«.

All das, so sagte Franziskus, »lässt uns vermuten, dass die Verkündigung Christi, das Heil Christi, dieses Geschenk, das Christus uns gemacht hat, kein punktuelles, auf einen Augenblick beschränktes Ereignis ist und weiter nichts: es ist vielmehr ein Weg!« Jener Weg, »den Gott zusammen mit seinem Volk gehen wollte«, was man nicht vergessen dürfe. Deshalb kämen in der Heiligen Schrift unentwegt Empfehlungen in diesem Sinne vor. So lese man etwa im Buch Deuteronomium, das eben »das Buch der Erinnerung Israels« sei: »Erinnert euch, erinnert euch! Prägt das eurem Gedächtnis ein.« Man müsse also, so erläuterte der Papst, »zurückgehen, um zu sehen, wie Gott uns gerettet hat, den Weg der Erinnerung – mit Herz und Sinn – gehen, und so zu Jesus gelangen«.

Jesus selbst habe betont, wie wichtig es sei, sich zu erinnern, und er habe uns »im größten Augenblick seines Lebens« seinen Leib und sein Blut geschenkt »und gesagt: ›Tut dies zu meinem Gedächtnis‹«. Wir müssten uns also »erinnern, wie Gott uns errettet hat«. Das sei eine Aufforderung, der die Kirche jeden Tag in der Feier der Eucharistie nachkomme. In diesem Zusammenhang machte der Papst darauf aufmerksam, dass das Tagesgebet zu Beginn der Messe eine Anrufung Gottes enthalte, der »den Menschen erneuert und ihm eine größere Würde schenkt, als er sie im Anfang besaß«. Und er fügte hinzu: »Das Volk muss sich erinnern«, dass Gott all das gemeinsam mit seinem Volk »auf dem Weg« getan habe.

In jeder Eucharistiefeier werde »das Gedächtnis an dieses Heil« gefeiert; das Gedächtnis an Jesus, der auf dem Altar gegenwärtig wird, um uns das Leben zu schenken«, aber, so fügte Franziskus hinzu, »auch wir müssen in unserem eigenen Leben dasselbe tun: uns unseres Weges erinnern «, weil »jeder von uns einen Weg zurückgelegt hat, auf dem uns Gott begleitet hat, in Gottes Nähe, in der Nähe des Herrn«, bei dem wir uns mitunter aber auch »vom Herrn entfernen«. Auf jeden Fall, so empfahl der Papst, »ist es gut für das Herz« eines jeden Christen, sich »des eigenen Wegs« zu erinnern und sich darüber klar zu werden, wie Gott ihn »bis hierher geführt hat«, wie er ihn »an der Hand geführt hat«.

Es sei nützlich, das oft zu wiederholen und sich zu erinnern: »Gott hat mir damals diese Gnade zuteil werden lassen und ich habe so… geantwortet«, sich zu sagen: »Ich habe dies und das und jenes getan«, und einzusehen, dass Gott uns stets »begleitet« habe. Auf diese Art und Weise, so sagte der Papst, »gelangen wir zu einer weiteren Begegnung«, derjenigen, die man als die »Begegnung der Dankbarkeit« bezeichnen könne, bei der man folgendermaßen beten könne: »Ich danke dir, Herr, für deine Begleitung, für diesen Weg, den du mit mir gegangen bist!«, und dabei könne man auch um Vergebung der Sünden und der Fehler bitten, deren man sich bewusst sei, der Tatsache bewusst, dass Gott »mit uns geht und sich durch unsere Gemeinheiten nicht abschrecken lässt«, dass er »immer da« sei. Der Papst fügte diesbezüglich noch hinzu: »Wie oft haben wir ihm die Türe vor der Nase zugeschlagen; wie oft haben wir so getan, als sähen wir ihn nicht, als glaubten wir nicht, dass er bei uns sei; wie oft haben wir sein Heil abgelehnt… Aber er war da!« Und es sei wichtig, »sich all dessen zu erinnern«, wie auch wichtig sei, uns auch an »unsere guten Taten« zu erinnern. Wie oft hätten wir beispielsweise »einem anderen Menschen geholfen, einen Kranken gepflegt«.

Daraus leitete er die Aufforderung ab, »sich des ganzen Weges zu erinnern«, weil »uns das Erinnern Gott näherbringt«. Es sei, so erläuterte Franziskus, eine Art von »Neu-Schöpfung«, »Neu-Erschaffung«, die uns noch weiter bringe als bis zu der früheren Herrlichkeit, die Adam in der ersten Schöpfung hatte«. Bis ganz ans Ende seiner Predigt wiederholte der Papst mehrmals diesen einfachen Ratschlag: »Erinnert euch!« Ob es nun um die gesamte Spanne des Lebens gehe oder nur um den heutigen Tag oder das vergangene Jahr: es sei immer gut, sich zu fragen: »Wie sind meine Beziehungen zum Herrn gewesen?« und sich, so schloss der Papst, »der schönen, großartigen Dinge« zu erinnern, »die der Herr im Leben eines jeden von uns getan hat.«

 



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