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PAPST FRANZISKUS

FRÜHMESSE IM VATIKANISCHEN GÄSTEHAUS "DOMUS SANCTAE MARTHAE"
 

Mann der Stille

Dienstag, 18. Dezember 2018
 

(aus: L'Osservatore Romano, Wochenausgabe in deutscher Sprache, Nr. 3, 18. Januar 2019)

 

Vor dem Altar der Kapelle des Gästehauses Santa Marta lagen neben den Adventskerzen vier große geschmückte Weihnachtskugeln, die dem Papst von armen und behinderten Kindern aus der Slowakei geschenkt worden waren. »Wir sehen, dass sie nicht luxuriös sind«, sagte Franziskus zu Beginn der heiligen Messe, die er am Dienstagmorgen, 18. Dezember, feierte, und fügte hinzu: »Sie haben sie mit ihren Händen gemacht. Ich dachte, Jesus würde es gefallen, sie hier zu haben.« Ein nützliches Zeichen, fügte er hinzu, um auch an die »erzieherischen Bemühungen« derer zu denken, die sich »den Kindern mit Behinderungen oder Einschränkungen « widmen.

Im Evangelium nach Matthäus (1,18-24) werde Josef »so gezeigt, wie er ist, mit seiner Persönlichkeit «. Der Papst wollte auf zwei seiner »Eigenschaften« eingehen: er sei nämlich »der Mann, der in Stille zu begleiten weiß« und »der Mann der Träume«. Josef, so unterstrich der Papst und zitierte dabei die Heilige Schrift, sei vor allem »ein ›gerechter‹ Mann gewesen, der das Gesetz achtete, ein Arbeiter, bescheiden, verliebt in Maria «. In der Tat »ein normaler Mann«, der sich unvermittelt »einer Tatsache stellen« müsse, »die er nicht versteht«. In dem Moment, in dem er aus Liebe zu Maria beschließe, »sich heimlich zurückzuziehen«, da »offenbart ihm Gott seine Sendung: ›Das wird deine Sendung sein: behüten, begleiten, wachsen lassen.‹ Und er sagt ja. Und er tut dies im Stillen.«

Das also sei die erste grundlegende Eigenschaft dieses Mannes. Franziskus erinnerte daran, dass es im Evangelium »kein einziges Wort Josefs gibt«. Nicht einmal seine zustimmenden Worte würden überliefert: »Ja, das werde ich tun.« Matthäus schreibe direkt: »›Als Josef erwachte, tat er, was der Engel des Herrn ihm befohlen hatte‹. Ohne etwas zu sagen.« Und so habe Josef »in aller Stille« seine Rolle als Vater übernommen, der das Aufwachsen des Kindes unterstützt: »Er suchte einen Platz, damit sein Kind zur Welt kommen konnte. Er kümmerte sich um das Kind. Er half ihm zu wachsen. Er lehrte es seinen Beruf: viele Dinge… in aller Stille.« Und gerade die Tatsache, dass er »das Wachsen fördert«, erklärte der Papst, »wäre das Wort, das uns sehr helfen würde, uns, die wir von Natur aus immer unsere Nase in alles stecken möchten, vor allem in das Leben der anderen. ›Und warum macht er dies? Warum das …?‹ Und sie fangen an zu schwatzen, zu reden.« Josef hingegen »lässt aufwachsen, er behütet, er hilft, aber in aller Stille«.

Ein Wort fasse diese Haltung zusammen: »Begleiten«. In diesem Zusammenhang verwies der Papst auf viele alltägliche Situationen: »Oft sehen Eltern ihre Kinder, die keine guten Dinge tun, und manchmal sprechen sie mit ihnen. Aber manchmal haben sie das Gefühl, dass sie nicht sprechen, sondern auf die andere Seite schauen sollen. Das ist die Weisheit guter Eltern, die es verstehen, zu erziehen. Selbst wenn sie sehen, dass das Kind eine schwierige Zeit durchmacht und einen falschen Weg eingeschlagen hat, warten sie den richtigen Moment ab, um zu sprechen. Sie schimpfen nicht sofort: Nein, sie warten und suchen nach der Gelegenheit, das Wort zu sagen, das wachsen lässt.« Dies sei ein Stil, der auf den Stil Gottes verweise, auf seine »Geduld« gegenüber dem Menschen. »Wie sehr erträgt uns unser Gott doch, nicht wahr?«, fragte Franziskus. Dies sei ein Rat für alle Eltern: »Die Prozesse vorangehen lassen und ein bisschen weniger reden.«

Josefs zweite Charakteristik, »der Mann der Träume«, gehe aus dem Evangelium hervor. Der Papst vertiefte diesen Aspekt, indem er dessen Bedeutung erklärte: »In den Träumen sind wir ein wenig freier, wir befreien uns… Und in den Träumen kommen viele Dinge aus unserem Unterbewusstsein hoch, es werden Dinge offenbar, die wir in unserem Leben nicht recht verstehen, oder Erinnerungen. Der Traum ist ein privilegierter Ort, um nach der Wahrheit zu suchen, denn dort verteidigen wir uns nicht gegen die Wahrheit. « Es könne auch geschehen, fügte er hinzu, dass Gott im Traum zu uns spreche: »Nicht immer, weil es normalerweise unser Unbewusstes ist, das spricht. Doch Gott hat sich so oft dafür entschieden, in Träumen zu sprechen.« In der Bibel werde oft davon berichtet.

Josef also »war der Mann der Träume, doch er war kein Träumer, ja? Es war keiner, der in Phantasien lebte.« Der Unterschied sei wesentlich: »Ein Träumer ist etwas anderes: das ist einer, der glaubt… der geht… der in der Luft ist und die Füße nicht auf dem Boden hat.« Josef dagegen »stand mit beiden Beinen auf dem Boden. Aber er war offen, und er ließ es zu, dass dort das Wort Gottes wahr wurde, im Traum, in seiner Freiheit, in seinem offenen Herzen. Er verstand, und er führte diesen Traum weiter. Ohne Phantasie: den ›wirklichen‹ Traum, weil er kein Träumer war: er war ein konkreter Mann.«

Was könne dieses Merkmal die Menschen lehren? »Wir«, so der Papst weiter, »können überlegen, ob wir die Fähigkeit haben zu träumen, oder ob wir sie verloren haben. Denkt an ein verlobtes Paar: Sie träumen von der gemeinsamen Zukunft, den vielen Kindern, die sie haben werden, von vielen Dingen… Es ist wunderschön. Und sie gehen weiter, sie heiraten … Dann kommen die Schwierigkeiten und sie werden ein wenig entmutigt. Manche verbittern, sie werden bitter, sie streiten miteinander, und jene Liebe kann scheitern, weil sie nur auf die Schwierigkeiten sehen und sich nicht an die Träume erinnern, die sie hatten.«

Man dürfe nicht »die Fähigkeit verlieren, die Zukunft zu erträumen«. Dies gelte für alle: »Für unsere Familie, unsere Kinder, unsere Eltern träumen. Sehen, wie ich möchte, dass ihr Leben verläuft.« Und das gelte auch für die Priester: »Für unsere Gläubigen träumen, was wir für sie wollen. « Ein jeder müsse »träumen, wie die jungen Menschen träumen, die im Träumen ›unverfroren‹ sind, und dort finden sie einen Weg. Nicht die Fähigkeit zu träumen verlieren, denn Träumen heißt, die Türen in die Zukunft zu öffnen. Fruchtbar sein in der Zukunft.«

Gerade der heilige Josef, so der Papst abschließend, könne für jeden Christen ein Bezugspunkt sein: »Heute wollen wir diese Gestalt des heiligen Josef mitnehmen: den Mann, der uns still begleitet, und den Mann, der auf die richtige Art und Weise zu träumen weiß.« Ihn »bitten wir um die Gnade, zu verstehen, wie man träumt und dabei in den Träumen immer nach dem Willen Gottes Ausschau hält, und auch um die Gnade, in Stille, ohne Geschwätz zu begleiten«.

 



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