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HEILIGE MESSE UND SEGNUNG DER PALLIEN
FÜR DIE NEUEN METROPOLITEN
AM HOCHFEST DER HEILIGEN APOSTEL PETRUS UND PAULUS

PREDIGT VON PAPST FRANZISKUS

Vatikanische Basilika
Montag, 29. Juni 2015

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Die Lesung aus der Apostelgeschichte stellt uns die von der Verfolgung bedrängte erste christliche Gemeinde vor Augen. Eine Gemeinde, die von Herodes grausam verfolgt wird: »Jakobus, den Bruder des Johannes, ließ er mit dem Schwert hinrichtenließ auch Petrus festnehmen … und warf ihn ins Gefängnis« (12,2-4). 

Doch ich möchte nicht auf die schrecklichen, unmenschlichen und unerklärlichen Verfolgungen eingehen, die es leider noch heute in vielen Teilen der Welt gibt, oft unter den Augen und dem Schweigen aller. Ich möchte stattdessen heute dem Mut der Apostel der ersten christlichen Gemeinde Ehre erweisen: ihrem Mut, ohne Furcht vor Tod und Martyrium im gesellschaftlichen Rahmen eines heidnischen Reiches die Evangelisierung voranzutreiben, und ihrem christlichen Leben, das für uns Gläubige von heute ein starker Aufruf zum Gebet, zum Glauben und zum Zeugnis  ist.

Ein Aufruf zum Gebet:Die Gemeinde war eine betende Kirche: »Petrus wurde also im Gefängnis bewacht. Die Gemeinde aber betete inständig für ihn zu Gott« (Apg 12,5). Und wenn wir an Rom denken: Die Katakomben waren nicht Zufluchtsorte, um den Verfolgungen zu entkommen, sondern sie waren vor allem Stätten des Gebetes, um den Sonntag zu heiligen und aus dem Schoß der Erde eine Anbetung aufsteigen zu lassen zu Gott, der seine Kinder niemals vergisst.

Die Gemeinde von Petrus und Paulus lehrt uns, dass eine betende Kirche eine starke Kirche ist, die „auf den Beinen“ und in Bewegung ist! Ein betender Christ ist nämlich ein beschützter, behüteter und unterstützter Christ, vor allem aber ist er nicht allein.

Und die erste Lesung fährt fort: »Vor der Tür aber bewachten Posten den Kerker. Plötzlich trat ein Engel des Herrn ein und ein helles Licht strahlte in den Raum. Er stieß Petrus in die Seite … da fielen die Ketten von seinen Händen« (12,6-7).

Denken wir daran, wie oft der Herr unser Gebet erhört und uns einen Engel gesandt hat? Jenen Engel, der unerwartet auf uns zu kommt, um uns aus schwierigen Situationen herauszuziehen? Um uns der Hand des Todes und des Bösen zu entreißen; um uns den verlorenen Weg zu zeigen; um in uns die Flamme der Hoffnung neu zu entzünden; um uns zu liebkosen; um unser gebrochenes Herz zu trösten; um uns aus dem Schlummer unseres Daseins aufzuwecken; oder einfach um uns zu sagen: „Du bist nicht allein.“

Wie viele Engel schickt er uns über den Weg! Wir aber, in einem Anfall von Angst oder Unglauben oder auch von Euphorie, lassen sie vor der Türe stehen – gerade so, wie es dem Petrus erging, als er an das Tor des Hauses klopfte und »eine Magd namens Rhode [kam], um zu öffnen. Sie erkannte die Stimme des Petrus, doch vor Freude machte sie das Tor nicht auf« (12,13-14).

Keine christliche Gemeinde kann vorankommen ohne die Unterstützung des beharrlichen Gebetes! Des Gebetes, das Begegnung mit Gott ist, mit dem Gott, der nie enttäuscht; mit dem Gott, der sein Wort hält; mit dem Gott, der seine Kinder nicht verlässt. Jesus fragte: »Sollte Gott seinen Auserwählten, die Tag und Nacht zu ihm schreien, nicht zu ihrem Recht verhelfen?« (Lk 18,7). Im Gebet bringt der Gläubige seinen Glauben und sein Vertrauen zum Ausdruck, und Gott drückt seine Nähe aus, auch über das Geschenk der Engel, seiner Boten.

Ein Aufruf zum Glauben: In der zweiten Lesung schreibt der heilige Paulus an Timotheus: »Aber der Herr stand mir zur Seite und gab mir Kraft, damit durch mich die Verkündigung vollendet wird … und so wurde ich dem Rachen des Löwen entrissen. Der Herr wird mich allem Bösen entreißen, er wird mich retten und in sein himmlisches Reich führen« (2 Tim 4,17-18). Gott entzieht seine Kinder nicht der Welt oder dem Bösen, sondern er schenkt ihnen die Kraft, sie zu überwinden. Nur wer glaubt, kann wirklich sagen: »Der Herr ist mein Hirte, nichts wird mir fehlen« (Ps 23,1).

Wie viele Kräfte haben im Laufe der Geschichte versucht – und versuchen immer noch –, die Kirche zu vernichten, sowohl von außen als auch von innen her, doch sie alle werden vernichtet, und die Kirche bleibt lebendig und fruchtbar! Sie bleibt unerklärlich stark, damit sie – wie der heilige Paulus sagt – dem Herrn zujubeln kann: »Ihm sei die Ehre in alle Ewigkeit« (2 Tim 4,18).

Alles vergeht, Gott allein bleibt. In der Tat: Reiche, Völker, Nationen, Ideologien und Mächte sind vergangen, doch die auf Christus gegründete Kirche bleibt trotz der vielen Stürme und unserer zahlreichen Sünden im Dienst dem Glaubensgut treu, denn die Kirche gehört nicht  den Päpsten, Bischöfen und Priestern und auch nicht den gläubigen Laien; sie gehört allein Christus. Nur wer in Christus lebt, fördert und verteidigt die Kirche mit der Heiligkeit des Lebens, nach dem Beispiel von Petrus und Paulus.

Im Namen Christi haben die Gläubigen Tote erweckt, Kranke geheilt, ihre Verfolger geliebt; sie haben bewiesen, dass es keine Kraft gibt, die imstande ist, den zu besiegen, der die Kraft des Glaubens besitzt!

Ein Aufruf zum Zeugnis: Petrus und Paulus haben wie alle Apostel Christi, die in ihrem irdischen Leben die Kirche mit ihrem Blut fruchtbar gemacht haben, den Kelch des Herrn getrunken und sind Freunde Gottes geworden.

Mit ergreifenden Worten schreibt Paulus an Timotheus: »Ich werde nunmehr geopfert, und die Zeit meines Aufbruchs ist nahe. Ich habe den guten Kampf gekämpft, den Lauf vollendet, die Treue gehalten. Schon jetzt liegt für mich der Kranz der Gerechtigkeit bereit, den mir der Herr, der gerechte Richter, an jenem Tag geben wird, aber nicht nur mir, sondern allen, die sehnsüchtig auf sein Erscheinen warten« (2 Tim 4,6-8).

Eine Kirche oder ein Christ ohne Zeugnis ist unfruchtbar – ein Toter, der sich lebendig wähnt, ein verdorrter Baum, der keine Frucht bringt, ein ausgetrockneter Brunnen, der kein Wasser hat! Die Kirche hat das Böse besiegt dank dem mutigen, konkreten und demütigen Zeugnis ihrer Kinder! Sie hat das Böse besiegt dank der überzeugten Erklärung Petri: »Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes« (vgl. Mt 16,13-18) und dank der ewigen Verheißung Jesu.

Liebe Erzbischöfe, die Ihr heute das Pallium empfangt! Es ist das Zeichen für das Schaf, das der Hirte auf seinen Schultern trägt wie Christus, der Gute Hirt. Und daher ist es ein Symbol für Eure pastorale Aufgabe. Es ist ein »liturgisches Zeichen der Gemeinschaft, die zwischen dem Stuhl des hl. Petrus und seines Nachfolgers mit den Metropoliten und, durch sie, mit den anderen Bischöfen der Welt besteht« (Benedikt XVI., Angelus am 29. Juni 2005).

Mit dem Pallium möchte ich Euch heute diesen Aufruf zum Gebet, zum Glauben und zum Zeugnis übergeben.

Die Kirche möchte, dass Ihr betende Männer seid; Meister des Gebetes, die das ihnen vom Herrn anvertraute Volk lehren, dass die Befreiung aus allen Gefangenschaften allein ein Werk Gottes und eine Frucht des Gebetes ist; dass Gott im richtigen Moment seinen Engel sendet, um uns von den vielen Knechtschaften und den unzähligen weltlichen Ketten zu erlösen. Seid auch Ihr Engel und Boten der Liebe für die, welche am meisten Not leiden!

Die Kirche möchte, dass Ihr glaubende Männer seid; Meister des Glaubens, welche die Gläubigen lehren, keine Angst vor den vielen Herodes zu haben, die mit Verfolgungen und Kreuzen aller Art quälen. Kein Herodes ist imstande, das Licht der Hoffnung, des Glaubens und der Liebe dessen auszulöschen, der an Christus glaubt!

Die Kirche möchte, dass Ihr Zeugen seid. Der heilige Franziskus sagte zu seinen Brüdern: Verkündigt immer das Evangelium, wenn nötig, auch mit Worten! (vgl. Fonti francescane, 43). Es gibt kein Zeugnis ohne ein kohärentes Leben! Heute braucht man nicht so sehr Meister, sondern vielmehr mutige, überzeugte und überzeugende Zeugen, die sich des Namens Christi und seines Kreuzes nicht schämen, weder vor den brüllenden Löwen, noch vor den Mächten dieser Welt. Das entspricht dem Beispiel des Petrus und des Paulus und vieler anderer Zeugen im Laufe der gesamten Geschichte der Kirche – Zeugen, die, obwohl sie verschiedenen christlichen Konfessionen angehörten, dazu beigetragen haben, den einen Leib Christi zum Ausdruck zu bringen und wachsen zu lassen. Das unterstreiche ich besonders gerne in der – stets sehr willkommenen – Gegenwart der von dem lieben Bruder Bartholomäus I. abgesandten Delegation des Ökumenischen Patriarchats von Konstantinopel.

Zeugnis geben ist ganz einfach: Das wirksamste und echteste Zeugnis besteht nämlich darin, mit dem Verhalten und dem Leben nicht dem zu widersprechen, was man mit dem Wort verkündet und was man die anderen lehrt!

Lehrt das Gebet durch Euer Beten; verkündet den Glauben durch Euren Glauben; gebt Zeugnis durch Euer Leben!

 



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