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APOSTOLISCHE REISE VON PAPST FRANZISKUS NACH RUMÄNIEN
(31. MAI - 2. JUNI 2019)

HEILIGE MESSE

PREDIGT VON PAPST FRANZISKUS

Katholische Kathedrale St. Josef (Bukarest)
Freitag, 31. Mai 2019

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Das Evangelium, das wir gehört haben, lässt uns an der Begegnung von zwei Frauen teilhaben, die sich umarmen und alles mit Freude und Lob erfüllen: Das Kind hüpft vor Freude und Elisabet preist ihre Cousine für ihren Glauben; Maria besingt die Wundertaten, die der Herr an seiner demütigen Magd gewirkt hat, mit dem großen Lobgesang der Hoffnung für die, die nicht mehr singen können, weil sie die Stimme verloren haben … Gesang der Hoffnung, der auch uns aufwecken und einladen will, ihn heute anzustimmen und zwar mittels dreier kostbarer Elemente, die aus unserer Betrachtung der ersten Jüngerin hervorgehen: Maria geht, Maria begegnet Elisabet, Maria freut sich.

Maria geht … von Nazaret zum Haus des Zacharias und der Elisabet: Es ist die erste der Reisen Marias, von der die Schrift uns berichtet; die erste von vielen. Sie wird dann von Galiläa nach Betlehem gehen, wo Jesus geboren werden wird; sie wird nach Ägypten fliehen, um das Kind vor Herodes zu retten; sie wird sich jedes Jahr zum Paschafest wieder nach Jerusalem begeben bis zum letzten Fest, an dem sie Jesus auf Kalvaria folgen wird. Diese Reisen haben ein Merkmal: Es waren nie einfache Wege, sie haben Mut und Geduld erfordert. Sie sagen uns, dass die Gottesmutter die Anstiege kennt, unsere Anstiege kennt: Sie ist uns Schwester auf dem Weg. Da sie die Mühsal kennt, weiß sie, wie sie uns in den Widrigkeiten an der Hand nehmen soll, wenn wir vor den steilsten Serpentinen des Lebens stehen. Denn als gute Mutter weiß Maria, dass die Liebe sich in den kleinen Dingen des Alltags den Weg bahnt. Mütterliche Liebe und mütterlicher Erfindungsgeist, der imstande ist, mit ein paar ärmlichen Windeln und einer Fülle zärtlicher Liebe einen Tierstall in das Haus Jesu zu verwandeln (vgl. Apostolisches Schreiben Evangelii gaudium, 286). Maria zu betrachten erlaubt uns, den Blick auf die vielen Frauen, Mütter und Großmütter dieser Erde zu richten, die mit Opferbereitschaft und Selbstlosigkeit, Entsagung und Einsatz die Gegenwart gestalten und die Träume für die Zukunft spinnen. Sie leben eine ausdauernde und unbeachtete stille Hingabe, die nicht fürchtet, „die Ärmel hochzukrempeln“ und sich die Schwierigkeiten auf die Schultern zu laden, um das Leben der eigenen Kinder und der gesamten Familie voranzubringen und dabei »gegen alle Hoffnung« (Röm 4,18) zu hoffen. In lebendiger Erinnerung ist die Tatsache, dass in eurem Volk ein starker Sinn für Hoffnung lebt und pulsiert, über alle Bedingungen hinaus, welche die Hoffnung verdunkeln oder auszulöschen suchen. Wenn wir auf Maria und so viele Gesichte von Müttern schauen, erfährt und nährt man den Raum für die Hoffnung (vgl. Dokument von Aparecida, 536), der Zukunft schafft und eröffnet. Sagen wir es voll Kraft: In unserer Bevölkerung gibt es Raum für die Hoffnung. Deshalb geht Maria und lädt uns ein, gemeinsam zu gehen.

Maria begegnet Elisabet (vgl. Lk 1,39-56), die schon in vorgerücktem Alter ist (V. 7). Aber eben sie, die alte Frau, spricht über die Zukunft und weissagt: »Vom Heiligen Geist erfüllt« (V. 41) preist sie Maria »selig«, weil sie »geglaubt hat« (V. 45), und nimmt so die letzte Seligpreisung der Evangelien vorweg: selig, wer glaubt (vgl. Joh 20,29). Die junge Frau geht der alten auf der Suche nach den Wurzeln entgegen, und die alte Frau wird wiedergeboren, weissagt über die junge und schenkt ihr Zukunft. So begegnen sich Junge und Alte, umarmen sie sich und werden fähig, dass einer das Beste des anderen erweckt. Es ist das von der Kultur der Begegnung hervorgebrachte Wunder, wo niemand ausgesondert oder mit einem Etikett versehen wird, wo vielmehr alle gesucht sind, weil sie notwendig sind, um das Antlitz des Herrn durchscheinen zu lassen. Sie haben keine Angst, gemeinsam zu gehen, und wenn dies geschieht, dann kommt Gott und wirkt in seinem Volk Wundertaten. Der Heilige Geist nämlich ermutigt uns, aus uns selbst herauszugehen, aus unseren Abschottungen und unseren Eigenheiten, um uns zu lehren, über den äußeren Schein hinaus zu schauen, und um uns die Möglichkeit zu schenken, von den anderen gut zu sprechen – „sie zu segnen“ – besonders von unseren vielen Brüdern und Schwestern, die den Unbilden des Lebens weiter ausgesetzt sind, denen es vielleicht nicht nur an einem Dach und etwas Brot fehlt, sondern an der Freundschaft und der Herzlichkeit einer Gemeinschaft, die sie umarmt, die sie beschützt und die sie aufnimmt. Eine Kultur der Begegnung, die uns Christen antreibt, das Wunder der Mütterlichkeit der Kirche zu erfahren, die ihre Kinder sucht, schützt und vereint. Wenn in der Kirche verschiedene Riten einander begegnen, wenn nicht zuerst die eigene Zugehörigkeit, die eigene Gruppe oder Ethnie kommt, sondern das Volk, das gemeinsam Gott zu loben weiß, dann geschehen große Dinge. Sagen wir es voll Kraft: Selig, wer glaubt (vgl. Joh 20,19) und den Mut hat, Begegnung und Gemeinschaft zu schaffen.

Maria, die geht und Elisabet begegnet, erinnert uns daran, wo Gott wohnen und leben wollte, welches sein Heiligtum ist und an welchem Ort wir seinen Herzschlag hören können: inmitten des Volkes Gottes. Dort wohnt er, dort lebt er, dort wartet er auf uns. Wir hören, wie die Einladung des Propheten an uns gerichtet ist, uns nicht zu fürchten, die Hände nicht sinken zu lassen. Denn der Herr, unser Gott, ist in unserer Mitte, ein Held, der Rettung bringt (vgl. Zef 3,16-17), er ist mitten unter seinem Volk. Dies ist das Geheimnis des Christen: Gott ist in unserer Mitte wie ein starker Retter. Diese Gewissheit erlaubt uns, so wie Maria vor Freude zu singen und zu jubeln. Maria freut sich, sie freut sich, weil sie die Trägerin des Immanuel ist, des „Gott mit uns“. »Christ sein bedeutet Freude im Heiligen Geist« (Apostolisches Schreiben Gaudete et exsultate, 122). Ohne Freude bleiben wir gelähmt, Sklaven unserer Traurigkeit. Oftmals besteht das Problem des Glaubens nicht so sehr im Mangel an Mitteln und Strukturen, an Quantität und auch nicht in der Anwesenheit derer, die uns nicht annehmen; das Problem des Glaubens besteht im Mangel an Freude. Der Glaube wankt, wenn man in Traurigkeit und Mutlosigkeit laviert. Wenn wir im Misstrauen, in uns selbst verschlossen leben, widersprechen wir dem Glauben: Denn anstatt uns als Kinder zu fühlen, an denen Gott Großes getan hat (vgl. V. 49), verkleinern wir alles auf das Maß unserer Probleme und vergessen, dass wir keine Waisen sind; in der Traurigkeit vergessen wir, dass wir keine Waisen sind, dass wir einen Vater in unserer Mitte haben, einen starken Retter. Maria kommt uns zu Hilfe, weil sie, anstatt zu verkleinern, den Herrn hochpreist, also „groß macht“, seine Größe lobpreist. Das also ist das Geheimnis der Freude. Maria, klein und demütig, beginnt mit der Größe Gottes und bleibt trotz ihrer Probleme – es waren nicht wenige – in der Freude, weil sie in allem auf den Herrn vertraut. Sie erinnert uns daran, dass Gott immer Wunder wirken kann, wenn wir offen sind für ihn und für die Brüder und Schwestern. Denken wir an die großen Zeugen dieses Landes: einfache Menschen, die inmitten der Verfolgungen auf Gott vertraut haben. Sie haben ihre Hoffnung nicht auf die Welt, sondern auf den Herrn gesetzt und sind so vorangegangen. Ich möchte diesen demütigen Siegern danken, diesen Heiligen von nebenan, die uns den Weg weisen. Ihre Tränen waren nicht unnütz, sie waren Gebet, das zum Himmel aufgestiegen ist und die Hoffnung dieses Volks gespeist hat.

Liebe Brüder und Schwestern, Maria geht, begegnet Elisabet und freut sich, weil sie etwas gebracht hat, das größer als sie selbst ist: sie war Trägerin eines Segens. Wie sie fürchten auch wir uns nicht, Träger des Segens zu sein, dessen Rumänien bedarf. Seid die Förderer einer Kultur der Begegnung, die die Gleichgültigkeit Lügen straft, die die Spaltung Lügen straft und die es diesem Land möglich macht, voll Kraft die Huld des Herrn zu besingen.

 

  



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