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ANSPRACHE VON PAPST FRANZISKUS
AN DIE TEILNEHMER DES KURSES, DEN DER GERICHTSHOF DER
APOSTOLISCHEN PÖNITENTIARIE ORGANISIERT HAT

Clementina-Saal
Donnerstag, 12. März 2015

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Liebe Brüder!

Ich freue mich ganz besonders, euch jetzt in der Fastenzeit im Rahmen des jährlich von der Apostolischen Pönitentiarie veranstalteten Kurses über das »Forum Internum« zu begegnen. Einen herzlichen Gruß richte ich an den Großpönitentiar, Kardinal Mauro Piacenza, und danke ihm für seine freundlichen Worte. Ich danke ihm für die Glückwünsche, die er an mich gerichtet hat, möchte aber auch einen weiteren Jahrestag mit euch teilen: Außer dem morgigen – dem zweiten Jahrestag meines Pontifikats – ist heute der 57. Jahrestag meines Eintritts in das Ordensleben.

Betet für mich! Ich begrüße den Regenten, Bischof Krysztof Nykiel, die Prälaten, die Beamten und Mitarbeiter der Pönitentiarie, die Kollegien der ordentlichen und außerordentlichen Pönitentiare der Päpstlichen Basiliken der Stadt Rom sowie alle Teilnehmer am Kurs, dessen pastorales Ziel darin besteht, den neugeweihten Priestern und den Weihekandidaten zu helfen, das Sakrament der Versöhnung richtig zu verwalten. Wie wir wissen, sind die Sakramente der Ort der Nähe und der Zärtlichkeit Gottes gegenüber den Menschen; sie sind die konkrete Form, die Gott erdacht und gewollt hat, um uns entgegenzugehen und uns zu umarmen, ohne sich unser und unserer Begrenztheit zu schämen.

Unter den Sakramenten vergegenwärtigt das Sakrament der Versöhnung das barmherzige Antlitz Gottes natürlich mit besonderer Wirkkraft: Es macht dieses Antlitz konkret sichtbar und offenbart es beständig, ohne Unterlass. Sowohl als Büßer, als auch als Beichtväter dürfen wir nie vergessen: Es gibt keine Sünde, die Gott nicht vergeben kann! Keine! Nur das, was der göttlichen Barmherzigkeit entzogen ist, kann nicht vergeben werden – so wie jemand, der sich der Sonne entzieht, weder erleuchtet noch gewärmt werden kann. Im Licht dieses wunderbaren Geschenks Gottes möchte ich drei Notwendigkeiten hervorheben: das Sakrament als Mittel der Erziehung zur Barmherzigkeit leben; sich von dem, was wir feiern, erziehen lassen; den übernatürlichen Blick wahren.

1. Das Sakrament als Mittel der Erziehung zur Barmherzigkeit leben bedeutet, unseren Brüdern zu helfen, Frieden und – menschliches und christliches – Verständnis zu erfahren. Die Beichte darf keine »Folter« sein, sondern alle sollten den Beichtstuhl mit Freude im Herzen verlassen, mit einem hoffnungsvoll strahlenden Gesicht, wenn auch manchmal – das wissen wir – benetzt mit den Tränen der Umkehr und der Freude, die daraus entspringt (vgl. Apostolisches Schreiben Evangelii gaudium, Nr. 44). Das Sakrament, mit allen Bußakten, darf nicht zu einem harten, lästigen und aufdringlichen Verhör werden. Im Gegenteil, es muss eine befreiende Begegnung voller Menschlichkeit sein, durch die man zur Barmherzigkeit erziehen kann, die nicht ausschließt, sondern im Gegenteil auch das rechte Bemühen versteht, das begangene Übel soweit wie möglich wieder gut zu machen. So wird der Gläubige sich eingeladen fühlen, oft zu beichten, und er wird lernen, es auf bestmögliche Weise zu tun, mit jener Feinfühligkeit, die dem Herzen so gut tut – auch dem Herzen des Beichtvaters!

Auf diese Weise lassen wir Priester die persönliche Beziehung zu Gott wachsen, damit sein Reich der Liebe und des Friedens sich in den Herzen verbreiten kann. Oft verwechselt man die Barmherzigkeit damit, ein »nachsichtiger« Beichtvater zu sein. Aber denkt daran: Weder ein »nachsichtiger« noch ein strenger Beichtvater ist barmherzig. Keiner von beiden. Der erste nicht, weil er sagt: »Geh voran, das ist keine Sünde, geh, geh!« Der andere nicht, weil er sagt: »Nein, im Gesetz steht …« Keiner von beiden behandelt den Büßer jedoch als Bruder, nimmt ihn bei der Hand und begleitet ihn auf seinem Weg der Umkehr! Der eine sagt: »Geh ruhig hin, Gott vergibt alles. Geh, geh!« Der andere sagt: »Nein, das Gesetz ist dagegen.« Der Barmherzige hört ihn vielmehr an, vergibt ihm, nimmt sich jedoch seiner an und begleitet ihn. Denn die Umkehr beginnt – vielleicht – heute, aber sie muss mit Beharrlichkeit fortgesetzt werden… Er nimmt sich seiner an, wie der gute Hirt, der das verirrte Schaf sucht und sich seiner annimmt.

Man darf jedoch nicht verwirren: Das ist sehr wichtig. Barmherzigkeit heißt, sich des Bruders oder der Schwester anzunehmen und ihnen auf ihrem Weg weiterzuhelfen. Nicht zu sagen: »Ach nein, geh, geh« oder die Strenge. Das ist sehr wichtig. Und wer kann das tun? Der Beichtvater, der betet, der Beichtvater, der weint, der Beichtvater, der weiß, dass er selbst ein schlimmerer Sünder ist als der Büßer, und dass es nur der Gnade Gottes zu verdanken ist, dass er die schlimme Sache, die der Büßer ihm beichtet, nicht selbst getan hat. Barmherzig sein bedeutet, nahe zu sein und den Umkehrprozess zu begleiten.

2. Und gerade euch Beichtvätern sage ich: Lasst euch vom Sakrament der Versöhnung erziehen! Zweiter Punkt. Wie oft geschieht es, dass wir Beichten hören, die uns erbauen! Brüder und Schwestern, die in wahrer persönlicher und kirchlicher Gemeinschaft mit dem Herrn und in aufrichtiger Liebe zu den Brüdern leben. Einfache Seelen, Seelen, die arm sind vor Gott, die sich völlig dem Herrn hinschenken, die der Kirche und daher auch dem Beichtvater vertrauen. Oft dürfen wir auch echten Wundern der Umkehr beiwohnen. Menschen, die seit Monaten, manchmal seit Jahren unter der Herrschaft der Sünde stehen und die wie der verlorene Sohn in sich gehen und sich entschließen aufzubrechen und zum Haus des Vaters zurückzukehren (vgl. Lk 15,17), um seine Vergebung zu erbitten. Wie schön ist es doch, diese reuigen Brüder und Schwestern mit der segnenden Umarmung des barmherzigen Vaters anzunehmen, der uns sehr liebt und ein Fest feiert für jeden Sohn, der mit ganzem Herzen zu ihm zurückkehrt!

Wie viel können wir aus der Umkehr und der Reue unserer Brüder lernen! Sie drängen uns, auch uns selbst einer Gewissensprüfung zu unterziehen: Ich als Priester, liebe ich den Herrn so wie diese alte Frau? Ich als Priester, der ich zum Diener seiner Barmherzigkeit gemacht worden bin, bin ich fähig, die Barmherzigkeit zu haben, die im Herzen dieses Büßers wohnt? Ich als Beichtvater, bin ich bereit zur Veränderung, zur Umkehr, wie dieser Büßer, in dessen Dienst ich gestellt worden bin? Oft erbauen uns diese Menschen, sie erbauen uns.

3. Wenn man die sakramentalen Beichten der Gläubigen abnimmt, muss man stets den inneren Blick zum Himmel, zum Übernatürlichen richten. Vor allem müssen wir in uns das Bewusstsein neu erwecken, dass niemand aus eigenem Verdienst in diesen Dienst gestellt ist; weder aufgrund seiner theologischen oder rechtlichen Kenntnisse, noch aufgrund seiner menschlichen oder psychologischen Fähigkeiten. Wir alle sind aus reiner Gnade Gottes zu Dienern der Versöhnung bestellt, unentgeltlich und aus Liebe, ja aus Erbarmen. Ich, der ich das und das und das getan habe, ich muss jetzt vergeben… Mir kommt der letzte Abschnitt von Ezechiel 16 in den Sinn, wo der Herr sein Volk aufgrund seiner Untreue mit sehr strengen Worten zurechtweist. Am Ende sagt er jedoch: »Ich aber vergebe dir und stelle dich über deine Schwestern – die anderen Völker –, um sie zu richten, und du wirst wichtiger sein als sie, und das tue ich aufgrund deiner Scham, weil du dich dessen schämst, was du getan hast.« Die Erfahrung der Scham: Wenn ich diese Sünde höre, diese Seele, die mit so viel Schmerz oder mit so viel Feinfühligkeit bereut, bin ich dann in der Lage, mich meiner Sünden zu schämen?

Und das ist eine Gnade. Wir sind Diener der Barmherzigkeit dank der Barmherzigkeit Gottes: Wir dürfen diesen übernatürlichen Blick niemals verlieren, der uns wirklich demütig, annahmebereit und barmherzig macht gegenüber jedem Bruder und jeder Schwester, der oder die um die Beichte bittet. Und wenn ich nicht dasselbe getan habe, wenn ich nicht jene schlimme Sünde begangen habe oder nicht im Gefängnis bin, dann aus reiner Gnade Gottes, nur darum! Nicht aus eigenem Verdienst. Und das müssen wir in dem Augenblick, in dem wir das Sakrament spenden, spüren. Auch die Weise, in der wir das Sündenbekenntnis hören, muss übernatürlich sein: auf übernatürliche Weise, auf göttliche Weise hören; mit Achtung gegenüber der Würde und der persönlichen Geschichte eines jeden Menschen, damit er verstehen kann, was Gott von ihm will.

Daher wird die Kirche »ihre Glieder – Priester, Ordensleute und Laien – in diese ›Kunst der Begleitung‹ einführen müssen, damit alle stets lernen, vor dem heiligen Boden des anderen sich die Sandalen von den Füßen zu streifen« (Apostolisches Schreiben Evangelii gaudium, 169). Auch der größte Sünder, der vor Gott tritt, um Vergebung zu erbitten, ist »heiliger Boden«, und auch ich, der ich ihm im Namen Gottes vergeben muss, kann noch schlimmere Dinge tun als die, die er getan hat. Jeder gläubige Büßer, der in den Beichtstuhl kommt, ist »heiliger Boden«, heiliger Boden, der mit pastoraler Hingabe, Sorgfalt und Aufmerksamkeit bebaut werden muss.

Ich wünsche euch, liebe Brüder, dass ihr die Fastenzeit nutzt zur persönlichen Umkehr und um euch großherzig dem Hören der Beichten zu widmen, damit das Volk Gottes geläutert zum Osterfest gelangen kann, das den endgültigen Sieg der göttlichen Barmherzigkeit über alles Böse in der Welt darstellt. Vertrauen wir uns der Fürsprache Marias, Mutter der Barmherzigkeit und Zuflucht der Sünder, an. Sie weiß, wie sie uns Sünden helfen kann. Ich lese sehr gern die Geschichten des heiligen Alfons Maria von Liguori und die verschiedenen Kapitel seines Buches Die Herrlichkeit Mariens – die Geschichten von der Gottesmutter, die stets Zuflucht der Sünder ist und den Weg sucht, damit der Herr alles vergibt. Sie möge uns diese Kunst lehren. Ich segne euch von Herzen, und ich bitte euch, für mich zu beten. Danke.

 



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