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ANSPRACHE VON PAPST FRANZISKUS
AN ORDENSMÄNNER UND -FRAUEN AUS DER DIÖZESE ROM

Aula Paolo VI
Samstag, 16. Mai 2015

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Schwester Fulvia Sieni, Augustinerin vom Kloster »Santi Quattro Coronati«, stellte die erste Frage:

Die Klöster leben ein delikates Gleichgewicht zwischen Verborgenheit und Sichtbarkeit, Klausur und Beteiligung am diözesanen Leben, stillem Gebet und dem Wort der Verkündigung. Wie kann ein Kloster mitten in der Stadt das geistliche Leben der Diözese und andere Formen des geweihten Lebens bereichern und sich selbst davon bereichern lassen, ohne die besonderen Eigenschaften des monastischen Lebens einzubüßen?

Papst Franziskus:

Sie sprechen von einem delikaten Gleichgewicht zwischen Verborgenheit und Sichtbarkeit. Ja, ich würde sogar noch weiter gehen und es eine Spannung zwischen Verborgenheit und Sichtbarkeit nennen. Die monastische Berufung ist diese Spannung, eine Spannung im vitalen Sinne, eine Spannung der Treue. Das Gleichgewicht kann man verstehen als »gleichen wir aus, ein bisschen da, ein bisschen dort…« Die Spannung dagegen ist der Ruf Gottes zu einem Leben im Verborgenen und dazu, sich in einer gewissen Weise sichtbar zu machen. Aber wie soll diese Sichtbarkeit aussehen, wie dieses Leben im Verborgenen? Es ist diese Spannung, die ihr in eurer Seele verspürt. Das ist eure Berufung: Ihr seid Frauen »in Spannung«. Ausgespannt zwischen dieser Haltung, den Herrn zu suchen und sich im Herrn zu verbergen, und diesem Ruf, ein Zeichen zu sein. Die Klostermauern reichen nicht aus, um dieses Zeichen zu geben. Vor etwa 6 oder 7 Monaten hat mir eine Klausurschwester geschrieben, die begonnen hatte, mit den Armen zu arbeiten, und zwar in der Pförtnerloge. Dann fing sie an, sich draußen um die Armen zu kümmern; und danach ging sie immer weiter – bis sie am Ende gesagt hat: »Meine Klausur ist die Welt.« Und ich antwortete ihr: »Sag mal, meine Gute, hast du wohl ein tragbares Sprechgitter?« Das ist ein Fehler. Ein anderer Fehler ist es, nichts hören, nichts sehen zu wollen. »Pater, dürfen die Nachrichten ins Kloster gelangen?« Das müssen sie sogar! Aber nicht die Nachrichten der sogenannten »Klatschpresse«, sondern die Nachrichten darüber, was auf der Welt passiert, die Nachrichten beispielsweise über Kriege, Krankheiten, das Leid der Menschen. Darum dürft ihr auch eines nie vernachlässigen: die Zeit, den Menschen zuzuhören! Auch in den Stunden der Kontemplation, der Stille… Einige Klöster haben einen Anrufbeantworter, und die Leute rufen an, haben das ein oder andere Gebetsanliegen: diese Verbindung zur Welt ist wichtig! In manchen Klöstern sieht man die Nachrichten im Fernsehen; ich weiß nicht, das liegt im Ermessen der einzelnen Klöster, je nach ihrer Regel. Andere bekommen Zeitungen und lesen; in wieder anderen wird diese Verbindung auf eine andere Weise gepflegt. Doch die Verbindung zur Welt ist immer wichtig: zu wissen, was geschieht. Denn eure Berufung ist keine Flucht; sie bedeutet, dass man sich aufs Schlachtfeld wagt. Sie ist ein Kampf und bedeutet, dass man für diese Stadt ans Herz des Herrn rührt. Es ist wie mit Moses, der die Hände im Gebet gen Himmel hob, während das Volk kämpfte (vgl. Ex 17,8-13).

Viele Gnaden kommen vom Herrn in dieser Spannung zwischen verborgenem Leben, Gebetund dem Hören der Nachrichten der Menschen. Dabei werden euch die Umsicht, das Urteilsvermögen, erkennen lassen, wieviel Zeit ihr dem einen, wieviel dem anderen widmen müsst. Es gibt auch Klöster, die eine halbe, eine ganze Stunde am Tag damit zubringen, all jenen, die zu ihnen kommen, zu essen zu geben; und das ist kein Widerspruch zur Verborgenheit in Gott. Es ist ein Dienst; ein Lächeln. Das Lächeln der Nonnen öffnetdas Herz! Das Lächeln der Nonnen ist für jene, die kommen, eine bessere Nahrung als das Brot! Diese Woche bist du an der Reihe, eine halbe Stunde lang Essen an die Armen auszugeben, die auch nur um ein Stück Brot bitten. Die eine macht dies, die andere das: diese Woche bist du an der Reihe, die Bedürftigen anzulächeln! Vergesst das nicht. Einer Ordensschwester, die kein Lächeln hat, fehlt etwas. Im Kloster gibt es Probleme, Kämpfe – wie in jeder Familie – kleine Kämpfe, Eifersüchteleien, das eine oder das andere… Und das lässt uns das Leid der Menschen in den Familien verstehen, die Kämpfe in den Familien. Wenn Mann und Frau streiten, wenn es Eifersüchteleien gibt; wenn Familien auseinanderbrechen… Wenn auch ihr euch dieser Art Prüfung stellen müsst – diese Dinge gibt es immer – und fühlt, dass das nicht der Weg ist, dann bietet sie dem Herrn an, indem ihr einen Weg des Friedens sucht, im Kloster, damit der Herr in den Familien, unter den Menschen, Frieden schaffen möge. »Sagen Sie mir, Vater, wir lesen oft, dass es in der Welt, in der Stadt, Korruption gibt; kann es auch in den Klöstern Korruption geben?« Ja, wenn man vergisst, das Gedächtnis zu bewahren. Das Gedächtnis! Das Gedächtnis der Berufung, der ersten Begegnung mit Gott, des Charismas, das für die Gründung unseres Klosters ausschlaggebend war. Wenn man dieses Gedächtnis verliert und die Seele weltlich zu werden beginnt, weltliche Dinge denkt, dann verliert man diesen Eifer für das Fürbittgebet in den Anliegen der Menschen. Du hast ein schönes Wort gesagt, ein wunderschönes Wort: »Das Kloster ist präsent in der Stadt, Gott ist in der Stadt, und wir vernehmen den Lärm der Stadt.« Dieser Lärm, der ein Lärm des Lebens ist, der Lärm der Probleme, der Lärm der vielen Menschen, die zur Arbeit gehen, von der Arbeit nach Hause kommen, die diese Dinge denken, die lieben…; all dieser Lärm muss uns dazu antreiben, mit Gott zu ringen,

mit demselben Mut, den Mose hatte! Denk daran, wie traurig Mose war, als das Volk den falschen Weg eingeschlagen hatte. Da riss dem Herrn der Geduldsfaden, und er sagte zu Mose: »Ich werde dieses Volk zerstören! Aber mach dir keine Sorgen, dich werde ich an die Spitze eines anderen Volkes stellen.« Und was hat Mose dazu gesagt? Was hat er gesagt? »Nein! Wenn du dieses Volk zerstörst, zerstörst du auch mich!« (vgl. Ex 32,9-14). Dieses Band, das dich mit deinem Volk verbindet, ist die Stadt: »Das ist meine Stadt, mein Volk. Das sind meine Brüder und Schwestern.« Das bedeutet, sein Leben für das Volk zu geben. In diesem delikaten Gleichgewicht, in dieser delikaten Spannung, liegt all das. Ich weiß nicht, wie das bei euch Augustinerinnen der »Santi Quattro Coronati« gehandhabt wird: habt ihr die Möglichkeit, jemanden im Sprechzimmer zu empfangen… Wie viele Sprechgitter habt ihr? Vier oder fünf? Oder gibt es kein Sprechgitter mehr …? Es stimmt, dass man sich zu der einen oder anderen Unvorsichtigkeit hinreißen lassen kann; dazu, viel Zeit mit Sprechen zuzubringen – die hl. Therese hat sich oft dazu geäußert – aber eure Freude zu sehen, das Versprechen des Gebets, der Fürbitte, das tut den Menschen so gut! Und wenn ihr eine halbe Stunde geplaudert habt, dann kehrt wieder zum Herrn zurück. Das ist sehr, sehr wichtig! Weil die Klausur stets dieser menschlichen Verbindung bedarf. Das ist sehr wichtig!

Kommen wir zur letzten Frage: Wie kann ein Kloster das geistliche Leben der Diözese und andere Formen des geweihten Lebens bereichernund sich selbst davon bereichern lassen, ohne die besonderen Eigenschaften des monastischen Lebens einzubüßen? Ja, die Diözese: für den Bischof beten, für die Weihbischöfe und für die Priester. Es gibt überall gute Beichtväter! Und es gibt auch einige nicht ganz so gute… Aber die guten, die gibt es! Ich weiß von Priestern, die die Klöster aufsuchen, die sich anhören, was eine Nonne zu sagen hat – wie gut ihr den Priestern doch tut! Betet für die Priester. In diesem delikaten Gleichgewicht, in dieser delikaten Spannung, liegt auch das Gebet für die Priester. Denkt an die hl. Therese vom Kinde Jesus… Für die Priester beten,aber den Priestern auch zuhören; ihnen zuhören, wenn sie zu euch kommen, in diesen gemeinsamen Minuten im Sprechzimmer. Zuhören. Ich kenne viele, viele Priester, die gegenüber Klausurschwestern – erlaubt mir diese Anmerkung – »ihr Herz ausschütten«. Und dann werden sie vom Lächeln, dem guten Wort und der Gewissheit des Gebets der Schwester erneuert und kehren glücklich wieder in ihre Pfarrei zurück. Ich weiß nicht, ob ich die Frage damit beantwortet habe…

Die zweite Frage stellte Iwona Langa, Ordo virginum, Jugendfürsorge »Ain Karim«:

Christliche Ehe und Jungfräulichkeit sind zwei Formen, die Berufung zur Liebe umzusetzen. Treue, Ausharren, Einheit des Herzens sind eine Verpflichtung und eine Herausforderung sowohl für das christliche Ehepaar als auch für uns Ordensleute: Wie können wir einer des anderen Weg erhellen, einer für den anderen, und gemeinsam dem Reich entgegengehen?

Papst Franziskus:

Wie die erste Schwester, Sr. Fulvia Sieni, sozusagen »im Gefängnis« war, so ist diese andere Schwester hier … »auf der Straße«. Beide tragen das Wort Gottes in die Stadt. Sie haben eine schöne Frage gestellt: »Ist die eheliche Liebe dieselbe wie die Liebe im geweihten Leben?« Hat sie diese Qualität des Ausharrens, der Treue, der Einheit des Herzens? Gibt es Verpflichtungen und Herausforderungen? Das ist der Grund, warum sich Ordensfrauen als Bräute Christi bezeichnen. Sie vermählen sich mit dem Herrn. Ich hatte einen Onkel, dessen Tochter Nonne wurde, und er sagte: »Ich bin jetzt der Schwiegervater des Herrn! Meine Tochter hat sich mit dem Herrn vermählt.« Die Weihe von Ordensfrauen hat eine bräutliche Dimension. Und das gilt auch für die Weihe von Männern: Vom Bischof sagt man, er sei »Bräutigam der Kirche«, weil er an Jesu Stelle steht, dem Bräutigam der Kirche. Aber diese weibliche Dimension – ich hole hier etwas aus, komme dann aber wieder auf die Frage zurück – bei den Frauen ist sehr wichtig. Die Ordensschwestern sind das Sinnbild der Kirche und der Muttergottes. Vergessen wir nicht, dass die Kirche weiblich ist: Es heißt nicht der Kirche, sondern die Kirche. Und deshalb ist die Kirche auch Braut Jesu. Das vergessen wir oft; und wir vergessen diese mütterliche Liebe der Ordensfrau – denn die Liebe der Kirche ist mütterlich; diese mütterliche Liebe der Ordensfrau – denn die Liebe der Muttergottes ist mütterlich. Die Treue, Ausdruck der Liebe einer Ordensfrau, muss die Treue, Liebe und Zärtlichkeit der Mutter Kirche und der Mutter Maria widerspiegeln – aber nicht als Pflicht, sondern weil es sozusagen etwas »Angeborenes« ist. Eine Frau, die für ihre Weihe nicht diesen Weg einschlägt, macht letztlich einen Fehler. Die Mütterlichkeit der Ordensfrauen! Immer daran denken: wie mütterlich Maria ist und wie mütterlich die Kirche ist. Und du hast gefragt: Wie können die einen den anderen den Weg erhellen, die einen für die anderen, und dem Reich entgegengehen? Die Liebe Marias und die Liebe der Kirche ist eine konkrete Liebe! Die Konkretheit ist das Merkmal dieser Mütterlichkeit der Frauen, der Ordensfrauen. Konkrete Liebe. Wenn eine Ordensschwester anfängt, Ideen zu haben, viel zu viele Ideen… Was hat die heilige Teresa getan? Welchen Rat hat die heilige Teresa, die große Teresa, der Oberin gegeben? »Sorg dafür, dass sie etwas zu essen hat, und dann reden wir weiter.« Bring sie auf den Boden der Tatsachen zurück. Die Konkretheit der Liebe ist etwas sehr Schwieriges!

Und das gilt umso mehr, wenn man in Gemeinschaft lebt, weil wir alle die Probleme der Gemeinschaft kennen: die Eifersüchteleien, das Getratsche; dass diese Oberin das, die andere jenes ist… Diese Dinge sind konkret, aber sie sind nicht gut! Die Konkretheit der Güte, der Liebe, die alles vergibt! Wenn es eine Wahrheit gibt, die du loswerden musst, dann sag sie dem anderen ins Gesicht, aber mit Liebe. Bete, bevor du dem anderen Vorwürfe machst, und dann bitte den Herrn, dass er ihn korrigiert. Das ist konkrete Liebe! Eine Ordensschwester kann sich keine Liebe erlauben, die von Illusionen lebt; nein, die Liebe ist konkret. Und wie ist die Konkretheit der Ordensfrau? Wie ist sie? Du kannst sie in zwei Evangelientexten finden. In den Seligpreisungen: sie sagen dir, was du tun musst. Jesus, das Programm Jesu, ist konkret. Ich denke oft, dass die Seligpreisungen die erste Enzyklika der Kirche sind. Das stimmt, denn dort findet man das ganze Programm. Und die Konkretheit findest du im »Protokoll«, nach dem wir dereinst alle gerichtet werden: Matthäus 25. Genau darin liegt die Konkretheit der Ordensfrau. Mit diesen beiden Textstellen kannst du das ganze geweihte Leben leben; mit diesen beiden Regeln, diesen beiden konkreten Dingen, indem man diese konkreten Dinge tut. Und indem du diese konkreten Dinge tust, kannst du auch eine hohe Stufe, ein hohes Maß an Heiligkeit und Gebet erreichen. Aber es braucht Konkretheit: die Liebe ist konkret! Und die Liebe von euch Frauen ist eine konkrete mütterliche Liebe. Eine Mutter spricht nie schlecht von ihren Kindern. Wenn du also Nonne bist, im Kloster oder in einer Laien-Gemeinschaft, hast du sozusagen die »Weihe zur Mutter« empfangen, und dann ist es nicht in Ordnung, schlecht von den anderen Schwestern zu reden! Nein. Man muss sie immer entschuldigen, immer! Wie schön ist doch die Textstelle in der Autobiographie der heiligen Therese vom Kinde Jesus über diese Schwester, die sie hasste. Und was tat Therese? Sie lächelte und ließ sich nicht beirren. Ein Lächeln der Liebe. Und was machte sie, als sie diese Schwester begleiten musste, die immer grantig war, weil sie mit beiden Beinen hinkte, weil sie krank war, die Arme: Was tat sie? Sie tat ihr Bestes! Sie stützte sie beim Gehen, schnitt sogar das Brot für sie ab; half ihr, wo sie nur konnte. Aber sie kritisierte sie nie hinter ihrem Rücken! Das zerstört die Mütterlichkeit. Eine Mutter, die kritisiert, die schlecht von ihren Kinder spricht, ist keine Mutter! Ich glaube, dass man im Italienischen »matrigna« (Stiefmutter) dazu sagt… Das ist keine Mutter. Ich sage dir Folgendes: Die Liebe – und du siehst, dass sie auch ehelich ist, es ist dieselbe Form, die Form der Mütterlichkeit in der Kirche – ist die Konkretheit. Die Konkretheit. Ich empfehle euch folgende Übung: oft die Seligpreisungen und oft Matthäus 25 zu lesen, das »Protokoll« des Jüngsten Gerichts. Das tut der Konkretheit des Evangeliums so gut! … Ich weiß nicht, reicht das als Antwort?

Die dritte Frage wurde von P. Gaetano Saracino, Scalabrini-Missionar, Pfarrer der Pfarrei »Santissimo Redentore« gestellt:

Wie kann man die Gaben, deren Träger die verschiedenen Charismen in dieser an Talenten so reichen Ortskirche sind, mit allen teilen und Frucht bringen lassen? Oft ist schon die Kommunikation zwischen unseren verschiedenen Wegen schwierig; oft sind wir unfähig, die Kräfte zwischen Kongregationen, Pfarreien, anderen pastoralen Organismen, Vereinigungen und Laienbewegungen zu vereinen; als wären sie kein geteilter Dienst, sondern etwas, das zueinander in Konkurrenz steht. Manchmal fühlen wir Ordensleute uns wie »Lückenbüßer«. Wie können wir es schaffen, »gemeinsam zu gehen«?

Papst Franziskus:

Ich war in dieser Pfarrei und ich weiß, was dieser revolutionäre Priester tut: Er leistet gute Arbeit! Wirklich gute Arbeit! Du hast das Fest angesprochen. Das ist eines dieser Dinge, die wir Christen vergessen: das Fest. Dabei ist das Fest eine theologische Kategorie, es kommt auch in der Bibel vor! Wenn ihr nach Hause geht, dann nehmt euch Deuteronomium 26 vor. Dort sagt Mose im Namen des Herrn, was die Bauern jedes Jahr tun müssen: sie müssen die Früchte der Ernte in den Tempel bringen. Er sagt: »Geh zum Tempel und bring dem Herrn als Dank die ersten Erträge aller Feldfrüchte.« Und dann? Erstens, das Gedächtnis pflegen. Dann lässt er ihn ein kleines Credo beten: »Mein Vater war ein heimatloser Aramäer, Gott hat ihn gerufen; wir waren Sklaven in Ägypten, aber der Herr hat uns befreit und uns dieses Land gegeben… « (vgl. Dt 26,5-9). Zuerst das Gedächtnis. Zweitens, gib dem Zuständigen den Erntekorb. Drittens, danke dem Herrn. Und viertens, geh nach Hause und feiere ein Fest. Feiere ein Fest und lade alle ein, die keine Familie haben, lade die Sklaven zu dem Fest ein; jene, die nicht frei sind, auch den Nachbarn… Das Fest ist eine theologische Kategorie des Lebens. Ohne diese Fest-Dimension kann man das geweihte Leben nicht leben. Man feiert ein Fest. Aber ein Fest feiern ist nicht dasselbe wie Lärm, »Remmidemmi« machen… Ein Fest feiern ist das, was in dieser Bibelstelle steht, die ich zitiert habe. Vergesst nicht: Deuteronomium 26! Es hat den Zweck eines Gebets: Es ist die Freude, sich an all das zu erinnern, was der Herr für uns getan hat; all das, was er mir gegeben hat; auch jene Frucht, für die ich gearbeitet habe und ein Fest feiere. In den Gemeinschaften, auch in den Pfarreien wie in deinem Fall, wo man kein Fest feiert – nicht einmal, wenn es einen Anlass dazu gäbe – fehlt etwas! Sie sind zu steif, und sagen: »Das tut der Disziplin von uns Schwestern gut.« Alles hat seine Ordnung: Die Kinder gehen zur Kommunion, wunderschön, man lehrt einen schönen Katechismus… Aber es fehlt etwas: es fehlt der Lärm, das »Remmidemmi«: es fehlt das Fest! Es fehlt das festliche Herz einer Gemeinschaft. Das Fest. Manche Verfasser geistlicher Schriften sagen, dass auch die Eucharistie, die Feier der Eucharistie, ein Fest ist: Ja, das Gedächtnis vom Tod und der Auferstehung des Herrn hat eine Fest-Dimension. Das will ich gesagt haben, damit es nicht übersehen wird: Denn auch wenn du es in deiner Frage nicht direkt gesagt hast, so doch in deiner inneren Reflexion. Du sprichst auch von der Konkurrenz zwischen dieser und jener Pfarrei, dieser und jener Kongregation… In einer Diözese Harmonie zu schaffen, ist eines der schwersten Dinge für einen Bischof! Und du sagst: »Sind denn die Ordensleute für den Bischof Lückenbüßer?« Manchmal vielleicht… Aber ich stelle dir eine andere Frage: Wenn sie dich zum Bischof machen – versetz dich einmal in einen Bischof hinein –, dann hast du eine Pfarrei, mit einem guten Ordenspfarrer; drei Jahre später kommt der Provinzial und sagt zu dir: »Den wechsle ich aus, und dir schicke ich einen anderen.« Auch die Bischöfe leiden unter dieser Haltung. Oft – nicht immer, denn es gibt Ordensleute, die mit dem Bischof in Dialog treten – müssen wir unsere Pflicht tun. »Wir haben Kapitel gehalten, und das Generalkapitel hat folgendes beschlossen…« Viele Ordensmänner und -frauen verbringen ihr Leben nicht einmal mit Kapiteln, sondern mit Versen… Und sie verbringen es weiter so! Ich erlaube mir, so zu sprechen, weil ich Bischof bin und auch Ordensmann. Ich verstehe beide Seiten, und ich verstehe auch die Probleme.

Es stimmt: die Einheit zwischen verschiedenen Charismen, die Einheit des Presbyteriums, die Einheit mit dem Bischof… Und das findet man nicht leicht: jeder verfolgt seine Interessen, ich sage ja nicht immer, aber die Tendenz ist da, das ist menschlich… Dahinter steckt auch ein kleines bisschen Sünde, aber so ist das eben. Und das ist auch der Grund, warum sich die Kirche in diesem Moment mit dem Gedanken trägt, ein altes Dokument wieder hervorzuholen, neu vorzuschlagen, das sich mit der Beziehung zwischen Ordensleuten und Bischof befasst. Die Bischofssynode des Jahres 1994 hatte gefordert, dieses Dokument – Mutuae relationes (14. Mai 1978) – zu reformieren. Viele Jahre sind vergangen, und es ist nichts passiert. Die Beziehung zwischen Ordensleuten und Bischof ist nicht einfach, mit der Diözese und mit den Priestern, die keine Ordenspriester sind. Aber man muss sich für die gemeinsame Arbeit einsetzen. In den Präfekturen: Wie wird der Pastoralplan in diesem Viertel umgesetzt, ziehen auch alle an einem Strang? So macht man Kirche. Der Bischof darf die Ordensleute nicht als Lückenbüßer benutzen, und die Ordensleute dürfen den Bischof nicht als den Herrn einer Firma betrachten, der ihnen Arbeit beschafft. Ich weiß nicht… Aber das Fest, kommen wir wieder auf diesen Hauptpunkt zurück: Wenn es Gemeinschaft gibt, ohne Eigeninteressen, dann ist das immer dieser Geist eines Festes. Ich habe deine Pfarrei gesehen, und es stimmt. Du weißt, wie man das macht! Danke.

Die vierte Frage stellte P. Gaetano Greco, Kapuziner-Tertiar von der Schmerzensreichen Jungfrau Maria, Gefängniskaplan in der Jugendstrafanstalt von Casal del Marmo:

Das geweihte Leben ist ein Geschenk Gottes an die Kirche, ein Geschenk Gottes an sein Volk. Doch dieses Geschenk wird nicht immer in seiner Identität, seiner Besonderheit, angemessen geschätzt und bewertet. Oft haben vor allem die Frauen-Gemeinschaften Schwierigkeiten dabei, fähige Begleiter und Begleiterinnen zu finden, Ausbilder, geistliche Leiter, Beichtväter. Wie kann man diesen Reichtum entdecken? Das geweihte Leben hat zu 80% ein weibliches Gesicht. Wie kann man die Präsenz der Frau, besonders der Ordensfrau, in der Kirche aufwerten?

Papst Franziskus:

Pater Gaetano hat in seiner Reflexion, als er uns seine Geschichte erzählt hat, von dieser »Vertretung von 2 bis 3 Wochen« gesprochen, die er im Jugendgefängnis machen sollte. Jetzt ist er, glaube ich, schon 45 Jahre dort. Er hat es aus Gehorsam getan. »Dein Platz ist hier«, hat der Obere zu ihm gesagt. Und Pater Gaetano hat ihm schweren Herzens gehorcht. Dann hat er gesehen, dass dieser Akt des Gehorsams – das, worum ihn der Obere gebeten hatte – der Wunsch Gottes war. Bevor ich die Frage beantworte, noch ein Wort zum Gehorsam. Wenn uns Paulus das Geheimnis Jesu Christi mitteilen will, gebraucht er dieses Wort; wenn er uns sagen will, wie diese Fruchtbarkeit Jesu Christi war, gebraucht er dieses Wort: »Er war gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz« (Phil 2,8). Er hat sich selbst erniedrigt. Und gehorcht. Das Geheimnis Christi ist ein Geheimnis des Gehorsams, und der Gehorsam ist fruchtbar. Es stimmt: Wie jede Tugend, wie jeder theologische Ort, läuft er Gefahr, eine disziplinäre Haltung sein zu wollen. Aber der Gehorsam im geweihten Leben ist ein Geheimnis. Und wie ich gesagt habe, dass die Ordensfrau das Sinnbild Marias in der Kirche ist, können wir sagen, dass der Gehorsam das Sinnbild des Weges Jesu ist. Weil Jesus aus Gehorsam Fleisch geworden ist, bis zum Tod am Kreuz. Das Geheimnis des Gehorsams kann man nur im Licht dieses Weges Jesu verstehen. Das Geheimnis des Gehorsams ist ein Jesus-Ähnlichwerden auf dem Weg, den er gehen wollte. Und die Früchte sieht man. Ich danke Pater Gaetano für sein Zeugnis zu diesem Punkt, weil man viel über den Gehorsam sagt – zuerst der Dialog, ja, all diese Dinge sind gut, nicht schlecht –, was aber ist Gehorsam? Schaut euch den Paulusbrief an die Philipper an, Kapitel 2: das ist das Geheimnis Jesu. Nur dort können wir verstehen, was Gehorsam ist. Nicht in den General- oder Provinzialkapiteln: dort kann man vertiefen, verstehen aber kann man den Gehorsam nur im Geheimnis Jesu. Doch kommen wir auf die Frage zurück: Das geweihte Leben ist ein Geschenk, ein Geschenk Gottes an die Kirche. Das stimmt. Es ist ein Geschenk Gottes. Ihr sprecht von Prophetie: es ist ein Geschenk der Prophetie. Es ist der gegenwärtige Gott; Gott, der sich mit einem Geschenk gegenwärtig machen will: er wählt Männer und Frauen, aber es ist ein Geschenk, ein ungeschuldetes Geschenk. Auch die Berufung ist Geschenk, keine »Rekrutierung« von Menschen, die diesen Weg gehen wollen. Nein, es ist das Geschenk, das dem Herzen eines Menschen gemacht wird. Das Geschenk an eine Kongregation; und auch diese Kongregation ist ein Geschenk. Doch dieses Geschenk wird nicht immer in seiner Identität, in seiner Besonderheit, geschätzt und aufgewertet. Das stimmt. Es besteht die Versuchung, die Ordensleute zu vereinheitlichen, als wären sie alle ein und dasselbe. Beim Zweiten Vatikanischen Konzil gab es einen solchen Vorschlag; den Vorschlag, die Ordensleute zu vereinheitlichen. Nein, es ist ein Geschenk mit einer besonderen Identität, das aus dem charismatischen Geschenk kommt, das Gott einem Mann und einer Frau macht, damit sie eine religiöse Familie bilden. Dann gibt es da noch ein Problem: das Problem, wie man die Ordensleute begleiten soll. Oft haben die Gemeinschaften – vor allem Frauen-Gemeinschaften – unserer Ortskirche Schwierigkeiten, gute Begleiter und Begleiterinnen, geistliche Begleiter und Beichtväter zu finden. Weil sie nicht verstehen, was das geweihte Leben ist, oder weil sie sich in das Charisma hineinversetzen und Interpretationen geben wollen, die das Herz der Schwester verletzen… Wir sprechen von Schwestern, die Schwierigkeiten haben, aber auch von Männern, die solche haben. Und es ist nicht einfach, zu begleiten. Es ist nicht einfach, einen Beichtvater, einen geistlichen Begleiter zu finden. Es ist nicht einfach, einen Mann mit rechten Absichten zu finden; es ist nicht einfach, diese geistliche Führung, diese Beichte, mehr sein zu lassen als ein nettes Geplauder unter Freunden, das aber keine Tiefe hat. Und manchmal findet man geistliche Begleiter, die eine zu starre Denkweise haben; die nicht verstehen, wo das Problem liegt, weil sie das Ordensleben nicht verstehen… In der anderen Diözese, die ich hatte, habe ich den Schwestern, die zu mir kamen, immer folgenden Rat gegeben: »Sag mir, gibt es in deiner Gemeinschaft, in deiner Kongregation nicht irgendeine Schwester, die besonders weise ist, die das Charisma gut lebt, eine gute Schwester mit Erfahrung? Lass dich von ihr geistlich führen!« – »Aber sie ist doch eine Frau!« – »Aber es ist ein Laiencharisma!« Die geistliche Führung ist kein Charisma, das nur den Priestern vorbehalten ist: sie ist ein Laiencharisma! Im frühen Mönchstum waren die Laien die großen geistlichen Führer. Ich lese zur Zeit die Lehre zum Gehorsam des hl. Silvanus, jenes Mönches vom Berg Athos. Er war Tischler, arbeitete als Tischler, dann als Verwalter, aber er war nicht einmal Diakon; er war ein großer geistlicher Leiter! Es ist ein Laiencharisma. Und wenn die Oberen sehen, dass ein Mann oder eine Frau in dieser Kongregation, in dieser Provinz, dieses Charisma eines geistlichen Vaters hat, dann müssen sie versuchen, ihm zu helfen, an sich zu arbeiten, um diesen Dienst zu leisten. Das ist nicht einfach. Ein geistlicher Leiter ist eine Sache, ein Beichtvater eine andere. Zum Beichtvater gehe ich, sage ihm meine Sünden und hör mir die Strafpredigt an; dann vergibt er mir, und die Sache ist erledigt.

Dem geistlichen Leiter aber muss ich sagen, was in meinem Herzen vorgeht. Die Gewissenserforschung für die Beichte und die für die geistliche Leitung sind nicht ein- und dasselbe. Für die Beichte musst du sehen, wo du gefehlt hast, ob du die Geduld verloren hast; ob du dich zur Habgier hast hinreißen lassen: zu diesen Dingen, diesen konkreten Dingen, die sündig sind. Doch für die geistliche Führung musst du prüfen, was in deinem Herzen geschehen ist; was deine Seele antreibt, ob du betrübt bist, getröstet wurdest, ob du müde bist, warum du traurig bist: das sind die Dinge, über die man mit dem geistlichen Leiter oder der geistlichen Leiterin spricht. Das sind die Dinge. Die Oberen haben die Verantwortung, zu sehen, wer in der Gemeinschaft, in der Kongregation, in der Provinz dieses Charisma hat und ihm oder ihr dann diese Sendung zu übertragen, sie auszubilden und ihnen dabei zu helfen. Andere auf ihrem Weg zu begleiten heißt, Schritt für Schritt mit dem geweihten Bruder oder der geweihten Schwester zu gehen. Ich glaube, dass wir darin noch immer unreif sind. Darin sind wir nicht gereift, weil die geistliche Führung aus dem Urteilsvermögen kommt. Wenn du es aber mit Ordensmännern oder -frauen zu tun hast, die nicht genug Urteilsvermögen haben, um zu erkennen, was in ihrem Herzen vorgeht, wie man eine Entscheidung abwägt, dann fehlt es ihnen an geistlicher Führung. Denn das ist etwas, das nur ein weiser Mann, eine weise Frau tun kann. Aber er oder sie muss auch gut ausgebildet sein! Der gute Wille allein reicht heute nicht mehr aus: Die heutige Welt ist zu komplex, und auch die menschlichen Wissenschaften helfen uns, ohne in den Psychologismus abzugleiten, aber sie helfen uns, den Weg zu sehen. Man muss diese Männer und Frauen mit der Lektüre der großen spirituellen Leiter und Leiterinnen ausbilden, vor allem des Mönchstums. Ich weiß nicht, ob ihr mit den Werken des frühen Mönchstums vertraut seid: Wieviel Weisheit geistlicher Führung findet man dort! Es ist wichtig, dass sie damit ausgebildet werden. Wie kann man diesen Reichtum entdecken? Das geweihte Leben hat zu 80% ein weibliches Gesicht: das stimmt. Es gibt mehr Ordensfrauen als Ordensmänner. Wie kann man die Präsenz der Frau, vor allem der Ordensfrau, in der Kirche aufwerten? Ich wiederhole mich ein bisschen in dem, was ich euch sagen will: Wir müssen der Ordensfrau auch diese Rolle geben, von der viele glauben, sie wäre allein den Priestern vorbehalten. Und das bedeutet auch, dem Umstand Konkretheit zu verleihen, dass die Ordensfrau das Gesicht der Mutter Kirche, das Gesicht Mariens ist; also diesen Aspekt der Mütterlichkeit fördern – und Mütterlichkeit ist beileibe nicht nur Kinderkriegen! Mütterlichkeit bedeutet, auf dem Weg des Wachstums zu begleiten; Mütterlichkeit ist, am Bett eines Kranken zu sitzen, sich um das kranke Kind, den kranken Bruder zu kümmern. Es bedeutet, sein Leben damit zuzubringen, Liebe zu schenken; die Liebe der Zärtlichkeit und der Mütterlichkeit. Auf diesem Weg können wir uns der Rolle der Frau in der Kirche am besten nähern.

Pater Gaetano hat verschiedene Themen angesprochen, daher ist die Antwort nicht leicht… Aber wenn man mir sagt: »Nein! In der Kirche müssen die Frauen zum Beispiel Dikasterienleiter sein!« … Das dürfen sie: in einigen Dikasterien dürfen sie das; aber das, was du verlangst, ist reiner Funktionalismus. Das hat nichts damit zu tun, die Frau eine Rolle in der Kirche spielen zu lassen. Es ist tiefgehender und geht in diese Richtung. Ja, sie sollen diese Dinge tun, sollen befördert werden – wir haben jetzt in Rom eine Frau als Rektorin einer Universität, umso besser! –; aber das ist kein Triumph. Nein, nein. Es ist eine große Sache, eine funktionelle Sache; aber die wesentliche Rolle der Frau – ich sage das im nicht-theologischen Sinne – besteht darin, ihren weiblichen Genius zum Ausdruck zu bringen. Wenn wir ein Problem unter Männern behandeln, kommen wir zu einer Lösung; wenn wir aber dasselbe Problem mit den Frauen behandeln, dann wird die Lösung eine andere sein. Sie wird in dieselbe Richtung gehen, aber reicher sein, stärker, intuitiver. Das ist der Grund, warum die Frau in der Kirche eine Rolle spielen muss; der weibliche Genius muss auf viele Weisen zum Ausdruck kommen und helfen.

Ich denke, damit habe ich alle Fragen und deine Frage so gut ich konnte beantwortet. Und was den weiblichen Genius angeht, habe ich vom Lächeln gesprochen, von Geduld im Gemeinschaftsleben, und ich möchte noch etwas zu dieser 97 Jahre alten Schwester sagen, die ich begrüßt habe: sie ist 97… Dort ist sie, ich kann sie gut sehen. Heben Sie die Hand, damit alle Sie sehen können… Ich habe ein paar Worte mit ihr gewechselt, und sie hat mich mit ihrem klaren Blick angesehen, mit diesem Lächeln, das die Schwestern, die Mütter, die Großmütter haben. In ihr will ich dem Ausharren im geweihten Leben huldigen. Manche glauben, das geweihte Leben sei das Paradies auf Erden. Nein! Das Fegefeuer vielleicht… Aber nicht das Paradies. Es ist nicht leicht, weiter zu gehen. Und wenn ich so jemanden sehe, der sein Leben diesem Dienst geweiht hat, dann danke ich dem Herrn. Durch Sie, Schwester, danke ich allen, allen Ordensleuten, vielen Dank!

 



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