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ANSPRACHE VON PAPST FRANZISKUS
AN DIE TEILNEHMER EINES KONGRESSES ÜBER ETHIK IM GESUNDHEITSWESEN

Konsistoriensaal
Montag, 1. Oktober 2018

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Exzellenzen,
meine Damen und Herren!

Ich heiße Sie zu dieser Begegnung willkommen und danke Bischof Alberto Bochatey OSA, Weihbischof in der Erzdiözese La Plata und Präsident der Gesundheitskommission der Argentinischen Bischofskonferenz, sowie Herrn Cristian Mazza, Präsident der Stiftung »Consenso Salud«, und den Einrichtungen, die Sie vertreten, für dieses wichtige Seminar. Es wird unter der Schirmherrschaft der Päpstlichen Akademie für das Leben organisiert, um ausgehend von einer ethischen, auf das Lehramt der Kirche gegründeten Reflexion Themen aus dem Bereich der Gesundheit zu behandeln, die in der Gesellschaft große Bedeutung haben.

Allgemein und besonders in Lateinamerika befindet sich die Welt der Gesundheit in einer von der Wirtschaftskrise geprägten Situation, und die Schwierigkeiten für den medizinischen Fortschritt und beim Zugang zu angemessener Behandlung und entsprechenden Medikamenten können uns verzweifeln lassen. Aber die Pflege unserer Brüder und Schwestern öffnet unser Herz für die Annahme einer wunderbaren Gabe. In diesem Zusammenhang möchte ich drei Worte zum Nachdenken vorlegen: Wunder, Behandlung und Vertrauen.

Die Verantwortlichen der Pflegeeinrichtungen werden mir zu Recht sagen, dass man keine Wunder vollbringen kann und zugeben muss, dass die Kosten-Nutzen-Bilanz eine Verteilung der Ressourcen voraussetzt und die Zuweisung der Mittel neben den ethischen Argumenten von einer Unzahl medizinischer, gesetzlicher, wirtschaftlicher, sozialer und politischer Aspekte beeinflusst wird.

Doch das Wunder besteht nicht darin, Unmögliches zu tun. Das Wunder besteht darin, im Kranken, im Wehrlosen, den wir vor uns haben, einen Bruder zu sehen. Wir sind aufgerufen, in demjenigen, der unsere Dienstleistung empfängt, den unermesslichen Wert seiner Würde als Mensch, als Kind Gottes zu sehen. Das wird nicht von allein alle Knoten lösen, die es objektiv in den Systemen gibt, aber es wird in uns die Bereitschaft wecken, sie zu lösen, so weit das in unserer Macht steht. Und außerdem wird es einen inneren Wandel, einen Mentalitätswandel in uns und in der Gesellschaft bewirken.

Wenn dieses Bewusstsein tief im sozialen Nährboden verwurzelt ist, wird es die Schaffung von legislativen, wirtschaftlichen und medizinischen Strukturen ermöglichen, die notwendig sind, um eventuell auftretende Probleme zu lösen. Die Lösungen müssen nicht zu jeder Zeit und in allen Umfeldern identisch sein, sondern können hervorgehen aus der Verbindung von öffentlich und privat, von Gesetzgebung und Berufsethik, von sozialer Gerechtigkeit und unternehmerischer Initiative. Das inspirierende Prinzip für diese Arbeit darf nichts anderes sein als das Bemühen um das Wohlergehen.

Dieses Wohl ist kein abstraktes Ideal, sondern eine konkrete Person, ein Gesicht, das in den meisten Fällen leidet. Seien Sie mutig und großherzig in den Vorsätzen, Plänen und Projekten sowie im Einsatz der wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Mittel. Diejenigen, denen dies zugute kommt, besonders die Ärmsten, werden Ihre Anstrengungen und Initiativen zu schätzen wissen.

Das zweite Wort ist Behandlung. Die Behandlung der Kranken besteht nicht aus der rein aseptischen Verabreichung von Medikamenten und der bloßen Anwendung geeigneter Therapien. Die ursprüngliche Bedeutung beschränkte sich auch nicht auf die Wiederherstellung der Gesundheit. Das lateinische Verb »curare« bedeutet: beistehen, sorgen, Sorge tragen, sich kümmern, die Verantwortung für den anderen, den Bruder, übernehmen. Davon sollten wir »curas« [span. Priester] sehr viel lernen, denn dazu beruft uns Gott. Wir »curas« sind da, um Sorge zu tragen, »curare« im Sinn von sich kümmern, pflegen, behandeln.

Diese Einstellung des Mitarbeiters im Gesundheitswesen ist in allen Fällen wichtig, aber vielleicht wird dies mit größerer Intensität in der Palliativmedizin wahrgenommen. Fast weltweit erleben wir eine starke Tendenz zur Legalisierung der Euthanasie. Bei einer menschlichen, friedvollen und anteilnehmenden Begleitung wissen wir, dass der chronisch schwer kranke Patient oder der Kranke im Endstadium diese Sorge wahrnimmt. Sogar unter diesen harten Umständen verschwindet der negative Schatten der Euthanasie oder wird fast inexistent, wenn die Person sich geliebt, respektiert, angenommen fühlt.

Denn der Wert ihres Seins bemisst sich nach ihrer Fähigkeit, Liebe zu geben und zu empfangen, und nicht auf der Grundlage ihrer Produktivität. Es ist erforderlich, dass die Fachleute im Gesundheitswesen und die in der medizinischen Versorgung Tätigen sich einsetzen, um die notwendigen Kompetenzen immer auf dem neuesten Stand zu halten, so dass sie stets der Berufung entsprechen können, dem Leben zu dienen.

Die Neue Charta der im Gesundheitswesen Tätigen

(NCAS) ist für Sie ein nützliches Mittel der Reflexion und der Arbeit sowie ein Element, das eine Hilfe sein kann im Dialog zwischen den privaten und staatlichen, den nationalen und internationalen Initiativen und Projekten. Dieser Dialog und die gemeinsame Arbeit bereichern konkret die Leistungen der Gesundheitsversorgung und kommen den vielen Bedürfnissen und Notlagen im Gesundheitswesen unseres lateinamerikanischen Volkes entgegen.

Das dritte Wort ist Vertrauen, bei dem wir verschiedene Bereiche unterscheiden können. Wie Sie wissen, ist es vor allem das Vertrauen des Kranken in sich selbst, in die Möglichkeit einer Behandlung, denn davon hängt der Erfolg der Therapie zu einem großen Teil ab. Nicht weniger wichtig ist es für den im Gesundheitsdienst Tätigen, seine Arbeit in einem ruhigen Kontext zu tun, und dies ist untrennbar verbunden mit dem Wissen, dass man das Richtige tut: das, was mit den zu Verfügung stehenden Ressourcen menschlich möglich ist. Diese Gewissheit muss gegründet sein auf eine nachhaltige systematische Aufmerksamkeit für das Gesundheitswesen, in dem alle Elemente, aus denen es besteht, von einer gesunden Subsidiarität geleitet werden und einander unterstützen, um auf die Bedürfnisse der Gesellschaft insgesamt und auf die des Kranken in seiner Einzigartigkeit zu antworten.

Sich den Händen eines Menschen anzuvertrauen, vor allem wenn das eigene Leben auf dem Spiel steht, ist sehr schwer. Dennoch war die Beziehung zum Arzt oder Pfleger stets gegründet auf Verantwortlichkeit und Loyalität. Aufgrund der Bürokratisierung und der Komplexität des Gesundheitssystems laufen wir heute Gefahr, dass es die Begriffe des »Vertrages« sind, die diese Beziehung zwischen Patient und Gesundheitspersonal festlegen und damit dieses Vertrauen zerstören.

Wir müssen weiter kämpfen, um dieses Band tiefer Menschlichkeit unversehrt zu erhalten, denn keine Pflegeeinrichtung kann das menschliche Herz und auch nicht das menschliche Mitleid ersetzen (vgl. Hl. Johannes Paul II., Motu Proprio Dolentium hominum, 11. Februar 1985; NCAS, 3). Daher erfordert die Beziehung zum Kranken Respekt für seine Selbständigkeit und eine hohe Dosis an Bereitschaft, Aufmerksamkeit, Verständnis, Verbundenheit und Dialog, um Ausdruck eines Engagements im Sinne des Dienens zu sein (vgl. NCAS, 4).

Ich ermutige Sie in Ihrer Aufgabe, vielen Menschen und Familien jene Hoffnung und Freude zu bringen, die ihnen fehlt. Möge Unsere Liebe Frau, Heil der Kranken, Sie begleiten in Ihren Idealen und bei Ihrer Arbeit. Sie, die das Leben, Jesus, in ihrem Schoß aufzunehmen wusste, möge für Sie alle ein Vorbild des Glaubens und des Mutes sein. Ich segne Sie alle aus ganzem Herzen. Möge Gott, der Vater aller, einem jeden von Ihnen die Klugheit, die Liebe, die Nähe zum Kranken schenken, um mit großer Menschlichkeit die eigenen Pflichten zu erfüllen. Und bitte vergessen Sie nicht, für mich zu beten. Danke.

 



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