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JOHANNES PAUL II.

APOSTOLISCHES SCHREIBEN

PATRES ECCLESIAE

ZUM 1600. TODESTAG VON BASILIUS DEM GROSSEN

 

Ehrwürdige Brüder und geliebte Söhne,
Gruß und Apostolischen Segen!

I.

Kirchenväter werden mit Recht jene Heiligen genannt, die im Laufe der ersten Jahrhunderte durch die Kraft ihres Glaubens wie durch die Erhabenheit und den Reichtum ihrer Lehren die Kirche geschaffen und gestaltet haben [1]. Sie sind in Wahrheit "Väter" der Kirche, weil diese durch das Evangelium von ihnen das Leben erhalten hat [2]. Sie sind auch ihre Baumeister, weil sie der Kirche Gottes auf dem Fundament der Apostel, nämlich Christus [3], die ersten Strukturen gegeben haben. Aus dem so von ihren Vätern erhaltenen Leben lebt die Kirche auch heute noch; und auf dem Bau, den diese ersten Baumeister errichtet haben, baut die Kirche bis heute in den glücklichen und widrigen Umständen ihres Weges und ihrer täglichen. Arbeit auf. Die Väter waren es also und werden es immer bleiben, die das feste Gefüge der Kirche errichtet haben und der Geschichte der Kirche durch alle Jahrhunderte einen bleibenden Dienst erweisen. Daher mußte jede Verkündigung des Evangeliums und die spätere Lehre, wenn sie wahr sein wollte, mit ihrer Verkündigung und ihrer Lehre verglichen werden; jedes Charisma und jedes Dienstamt muß aus der Quelle ihrer Vaterschaft schöpfen; und schließlich muß jeder neue Stein, der dem täglich größeren und breiteren Bau hinzugefügt wird [4], in dem von ihnen errichteten Gefüge seinen Platz finden, mit ihm verschmolzen und verbunden werden. Weil das sicher ist, wird die Kirche immer wieder auf ihre von Weisheit und ewiger Jugend erfüllten Werke zurückgreifen und sie in Erinnerung bringen. Mit großer Freude begegnen wir also im Laufe des Kirchenjahres immer aufs Neue unseren Vätern und werden dadurch im Glauben gestärkt und in der Hoffnung gefestigt. Noch größer aber ist unsere Freude dann, wenn besondere Anlässe uns auffordern, diese Väter gründlicher und besser kennenzulernen. Dazu bietet in diesem Jahr die Feier des 1600. Todestages unseres Vaters Basilius, Bischof von Caesarea, eine willkommene Gelegenheit.

II.

Basilius, der unter den griechischen Vätern als der "Große" bezeichnet wird, heißt in den liturgischen Büchern der Byzantiner das "Licht der Frömmigkeit", das "Licht der Kirche". Wie er sie erleuchtet hat, erleuchtet er sie noch immer durch die Lauterkeit seines Lebens und den Glanz seiner Lehre. Denn die wichtigste und größte Lehre der Heiligen ist das Beispiel ihres Lebens. Einer Familie von Heiligen entsprossen, genoß Basilius außerdem den Vorzug einer hervorragenden Ausbildung bei den angesehensten Lehrern in Konstantinopel und Athen. Ihm schien dann, daß sein Leben erst wirklich begonnen habe, nachdem er Christus als seinen Herrn erkennen konnte, das heißt, nachdem er von diesem unwiderstehlich angezogen wurde, sich radikal von allen Dingen löste ‒ was er als Lebensprinzip mit Nachdruck in seine Lehre übernahm [5]. Er wurde sein Jünger und begab sich in die Nachfolge Christi. Ihm allein wollte er ähnlich werden, auf ihn allein blicken und auf ihn hören [6], ihm in allen Dingen gehorchen "als dem Herrn und König, als Arzt und Lehrer der Wahrheit" [7]. Ohne zu zögern, gab er seine Studien auf, die er so sehr geliebt und aus denen er so große Schätze des Wissens geschöpft hatte [8]. Da er allein Gott zu dienen beschlossen hatte, wollte er nun nichts wissen außer Christus  [9], und er hielt jede andere Weisheit außer der des Kreuzes für eitel. Mit folgenden Worten berichtet er am Ende seines Lebens von dem Ereignis seiner Bekehrung: "Nachdem ich lange Zeit der Eitelkeit gedient und fast meine ganze Jugend an nichtige Arbeit verloren hatte, die ich auf mich nahm, um jene Wissenschaften kennenzulernen, die Gott zur Torheit gemacht haben [10], bis ich eines Tages, wie aus tiefem Schlaf erwachend, das wunderbare Licht der Wahrheit des Evangeliums erblickte und die Nutzlosigkeit der Weisheit der Mächte dieser Welt erkannte, die zerstört wird [11]; während ich über mein elendes Leben sehr weinte, spürte ich das Verlangen, mir Zucht aufzuerlegen" [12]. Er beklagte also sein Leben, obgleich nach dem Zeugnis des hl. Gregor von Nazianz, seines Studiengefährten, sein sittliches Leben nach menschlichen Maßstäben vollkommen gewesen war [13]. Dennoch erschien ihm dieses Leben "elend", weil es nicht voll und ganz unter Ausschluß alles übrigen Gott geweiht war, der allein der Herr ist. Mit nicht zu zügelnder Ungeduld unterbrach er die begonnenen Studien und begab sich, nachdem er die Lehrer griechischer Weisheit aufgegeben hatte, "über viele Länder und Meere" [14] auf die Suche nach anderen Lehrern: nach jenen "Toren" und "Armen", die in der Einsamkeit eine völlig andere Weisheit erkannt hatten. So begann er mit der Seele Dinge zu begreifen, die "keinem Menschen in den Sinn gekommen sind" [15], Wahrheiten, die Rhetoren und Philosophen ihn niemals hätten lehren können [16]. In dieser neuen Weisheit wuchs er von Tag zu Tag mehr wie auf einem wunderbaren Weg der Gnade: durch Gebet und Abtötung, durch Übung der Nächstenliebe und ständigen Umgang mit der Heiligen Schrift und der Lehre der Väter [17].

Sehr bald wurde er in den kirchlichen Dienst berufen. Doch auch im Dienst an den Seelen verband er in kluger Ausgewogenheit den unermüdlichen Eifer der Predigt mit Intervallen der Einsamkeit und häufigem inneren Gebet. Denn das schien ihm äußerst notwendig für die "Reinigung der Seele" [18], damit die Verkündigung des Wortes immer durch das "sichtbare Beispiel" des Lebens bestätigt werde [19]. So wurde Basilius Bischof und war zugleich im ursprünglichen Sinn des Wortes Mönch, so daß er zweifellos zu den größten Mönchsbischöfen der Kirche gezählt wird: eine einzigartige Bischofsgestalt und ein großer Förderer und Gesetzgeber des monastischen Lebens. Denn durch seine persönliche Erfahrung trug er sehr viel zur Gründung christlicher Gemeinschaften bei, die sich ganz dem "göttlichen Dienst" [20] weihten, und "nahm die Mühe und Verpflichtung auf sich, sie häufig zu besuchen und zu unterstützen" [21]. Zu seinem und ihrem Nutzen führte er mit ihnen wunderbare Gespräche, von denen uns viele durch Gottes Gnade schriftlich überliefert worden sind [22]. Aus seinen Werken haben dann mehrere Gesetzgeber des Mönchtums ‒ vor allem der hl. Benedikt selbst, der Basilius seinen Lehrer nannte [23] ihre Regeln abgeleitet; von diesen Schriften ließen sich direkt oder indirekt auch viele derer inspirieren, die damals im Osten wie im Westen das monastische Leben aufnahmen. Deshalb glauben sehr viele, daß die wichtige Einrichtung, die das monastische Leben im Gefüge der Kirche darstellt, lange Jahrhunderte hindurch vor allem vom hl. Basilius gefestigt wurde oder daß sie zumindest ihre besondere Gestalt nicht ohne seinen wichtigen Beitrag gefunden hat.

Unter den Übeln und Schwierigkeiten, die damals das Volk Gottes plagten [24], hatte Basilius viel zu leiden. Dennoch zeigte er sie offen auf und wies mit Klarheit und Liebe auf ihre Ursachen hin, um mutig das umfassende Werk der Reform in Angriff zu nehmen: ein Werk, das im übrigen zu jeder Zeit durchgeführt und von jeder Generation aufs neue begonnen werden muß und das darauf abzielt, der Kirche des Herrn, "für die Christus gestorben ist und über die er überreich heiligen Geist ausgegossen hat" [25], wieder ihre ursprüngliche Gestalt zu geben, das heißt jenes schöne und reine Leitbild, das uns die Worte Christi und die Apostelgeschichte hinterlassen haben. Wie oft gedachte der hl. Basilius mit glühender und eifriger Sehnsucht jener Zeit, wo "die Gemeinde der Gläubigen ein Herz und eine Seele war" [26]! Sein Reformeifer wandte sich mit der nötigen Festigkeit und Konsequenz gleichzeitig allen Grundlagen, Aspekten und Bereichen des christlichen Lebens zu.

Nach der Natur seines Dienstamtes ist der Bischof vor allem Priester seines Volkes; und das Volk Gottes ist vor allem ein priesterliches Volk. Ein Bischof, dem das Wohl der Kirche wirklich am Herzen liegt, darf also keinesfalls die heilige Liturgie, ihre Kraft und ihren Reichtum, ihre Schönheit und "Wahrheit" vernachlässigen. Ja, im ganzen pastoralen Wirken nimmt die Liturgie logischerweise den wichtigsten Platz ein und bildet gleichsam den Gipfel aller übrigen Tätigkeit, denn, so erinnert das Zweite Vatikanische Konzil, "die Liturgie ist der Höhepunkt, dem das Tun der Kirche zustrebt, und zugleich die Quelle, aus der all ihre Kraft strömt" [27], "deren Wirksamkeit folglich kein anderes Tun der Kirche an Rang und Maß erreicht" [28]. Dieser einzigartigen Tatsache war sich Basilius voll bewußt; und so verstand es der Gesetzgeber des monastischen Lebens [29], gleichzeitig Ordner des liturgischen Lebens zu sein [30]. Von allen seinen Arbeiten auf diesem Gebiet ist als kostbarstes Erbe für die Kirche aller Zeiten jene Anaphora erhalten geblieben, die mit Recht seinen Namen trägt: das großartige eucharistische Gebet, das von ihm neubearbeitet und bereichert wurde und als das schönste unter den schönsten gilt. Doch damit nicht genug. Denn auch die erste Komposition der Psalmen geht auf ihn zurück und macht ihn zu einem der bedeutendsten Schöpfer und Künstler [31]. Durch die Impulse, die Basilius gab, wurde das Psalmenbeten ‒ der "geistliche Wohlgeruch" des Gottesvolkes und sein Trost [32] bei den Gläubigen der Kirche sehr beliebt und den Kindern und Jugendlichen, Gebildeten und Ungebildeten bekannt [33]. Wie Basilius selbst erzählt, "steht bei uns das Volk nachts auf und geht in das Gebetshaus ... es verbringt: die Nacht mit Psalmensingen, unterbrochen von Gebeten" [34]. Die Psalmen, die in den Kirchen oft wie Donnerhall erklangen [35], "sang man auch zu Hause und auf dem Markt" [36],

Basilius liebte die Kirche mit glühender Liebe [37], und weil er wußte, daß ihre Jungfräulichkeit eben ihr Glaube ist, hütete er voll Wachsamkeit die Reinheit ihres Glaubens. Dafür mußte und konnte er mutig kämpfen, nicht gegen Menschen, sondern gegen die Verfälscher des Wortes Gottes [38], also gegen die Entstellung der Wahrheit und die Verletzung des heiligen, von den Vätern überkommenen Erbes [39]. Sein Kampf hatte aber nichts Gewaltsames an sich, seine Stärke lag in der Liebe; seine Entschiedenheit ließ keinen Hochmut erkennen, er blieb von der Demut der Liebe beherrscht. Von Anfang bis Ende seiner Amtsführung bemühte er sich, die Bedeutung der nizänischen Formel von der Gottheit Christi, der mit dem Vater wesensgleich ist, unversehrt zu bewahren [40]. Desgleichen kämpfte er gegen die Herabwürdigung des Geistes, "der mit dem Vater anerkannt und gepriesen werden muß, da er die Heilige Dreifaltigkeit, vervollständigt [41] ... und an ihrer göttlichen und seligen Natur teilhat" [42].

Obwohl er sich ernsten Gefahren für sein Leben aussetzte, wachte und kämpfte Basilius mit Entschlossenheit für die Freiheit der Kirche. Als echter Bischof zögerte er nicht, den Herrschenden entgegenzutreten, um sein und des Gottesvolkes Recht, sich zur Wahrheit zu bekennen und dem Evangelium zu folgen, zu verteidigen [43]. Der hl. Gregor von Nazianz, der uns ein denkwürdiges Ereignis aus jenem Kampf berichtet, macht uns deutlich, daß die verborgene Kraft des Basilius allein in der Schlichtheit seiner Verkündigung, in der Eindeutigkeit des Zeugnisses, in der waffenlosen Erhabenheit seiner priesterlichen Würde lag [44].

Als er gegen Irrlehren und Tyrannen vorging, wandte sich Basilius mit nicht geringer Strenge gegen zweifelhafte Sitten und Entgleisungen innerhalb der Kirche, besonders aber gegen Verweltlichung und Habsucht. Auch hier ließ er sich wie immer von der Liebe zur Wahrheit und zum Evangelium leiten; denn wenn auch in verschiedener Weise, so war es doch immer das Evangelium, das durch häretische Irrtümer und durch das Streben nach Reichtum verleugnet und verworfen wurde. Zu diesem Thema bleiben einige Stellen aus seinen Gesprächen als Beispiele bemerkenswert: "'Geh, verkaufe deinen Besitz und gib das Geld den Armen' [45]; ... auch wenn du, wie du sagst, niemanden getötet, keinen Ehebruch begangen, nicht gestohlen, gegen niemanden falsches Zeugnis geredet hast, nützt dir doch die ganze dabei aufgewendete Gewissenhaftigkeit nichts, wenn du nicht auch das übrige hinzufügst, wodurch allein du in das Reich Gottes gelangen kannst" [46]. Wer nämlich seinen Nächsten nach Gottes Gebot lieben möchte [47], "darf nicht mehr besitzen als sein Nächster" [48]. Und noch viel eindringlicher mahnte er zur Zeit einer Hungersnot und Dürre, "sich nicht grausamer als die Tiere zu erweisen ...; das, was allen gemeinsam gehört, in die eigene Tasche zu stecken, und das, was vielen gehört, allein zu besitzen" [49]. Eine äußerst scharfe und zugleich sehr schöne Beobachtung, die die Herzen weckt, ein Appell, der an die Kirche aller Zeiten gerichtet ist, damit sie das Evangelium ernst nimmt! Von diesem Evangelium, das Liebe und Dienst an den Armen vorschreibt, legte Basilius nicht nur mit Worten, sondern auch mit großen Liebeswerken Zeugnis ab, zu denen die Errichtung eines großen Krankenhauskomplexes vor den Mauern von Casarea gehörte [50], einer wahren Stadt der Barmherzigkeit, die nach ihm Basiliadis [51] benannt wurde und ein echtes Zeugnis der evangelischen Botschaft war.

Die Liebe zu Christus und seinem Evangelium war es, die den hl. Basilius so sehr unter den Streitigkeiten der Kirche leiden ließ und ihn mit soviel Ausdauer, hoffend wider die Hoffnung, nach einer wirksameren und offenkundigeren Gemeinschaft mit allen Kirchen suchen ließ [52]. Denn die Zwietracht unter den Christen verdunkelt die Wahrheit des Evangeliums und zerreißt Christus selbst [53]. Die Spaltung der Gläubigen widerspricht der Kraft der einen Taufe [54], die uns in Christus eint, ja zu einer einzigen mystischen Person macht [55]; sie widerspricht auch der höchsten Autorität und Glaubwürdigkeit Christi, der der einzige König ist und dem sich alle in gleicher Weise unterwerfen müssen; sie widerspricht schließlich der Macht und verbindenden Wirkung des Wortes Gottes, dem einzigen Gesetz, dem alle Gläubigen einmütig gehorchen müssen [56]. Die Spaltung der Kirchen steht daher in so klarem und unmittelbarem Gegensatz zu Christus und zur biblischen Lehre, daß nach der Meinung des hl. Basilius der einzige Weg zur Wiederherstellung der Einheit eine neue Bekehrung aller zu Christus und seinem Wort sein kann [57].

Durch die vielfältige Ausübung seines Amtes ist also Basilius zu dem geworden, der zu werden er einmal allen Verkündigern des Wortes aufgetragen hatte: nämlich Apostel und Diener Christi, Verwalter der Geheimnisse Gottes, Herold des Himmelreiches, Vorbild und Regel der Frömmigkeit, Aug im Leib der Kirche, Hirt der Herde Christi, mitfühlender Arzt, Vater und Ernährer, Mitarbeiter Gottes, Gärtner der göttlichen Pflanzungen, Erbauer des Tempels Gottes [58]. Und in diesem harten, mühseligen und unablässigen Wirken und in diesem Kampf führte Basilius sein Leben [59] und opferte sich völlig auf. Denn von Mühen und asketischer Zucht verzehrt, starb er mit 50 Jahren.

III.

Nachdem wir also die wichtigsten Grundlagen und Aspekte des Lebens und Wirkens des Christen und Bischofs Basilius kurz in Erinnerung gebracht haben, scheint es angebracht, im folgenden dem reichen Erbe seiner Schriften wenigstens einige der wichtigsten Lehren zu entnehmen. Wenn man nämlich in seine Schule geht, kann man dort vielleicht Licht finden, um die Probleme und Schwierigkeiten unserer heutigen Zeit besser zu verstehen und daraus Hilfe für unsere Gegenwart und Zukunft zu schöpfen.

Es scheint uns aber nicht abwegig, wenn wir von dem ausgehen, was Basilius über die Allerheiligste Dreifaltigkeit gelehrt hat. Ja, es läßt sich kein besserer Ansatzpunkt finden, wenn wir wirklich seinen Gedanken folgen wollen. Was spricht außerdem nachdrücklicher zu uns oder ist nützlicher für unser Leben als das Geheimnis vom Leben Gottes selbst? Könnte wohl irgendein anderes Thema von größerer Bedeutung sein für das Leben eines jeden Menschen und mehr Gewicht besitzen? Wir sprechen vom neuen Menschen, der seinem innersten Wesen nach auf dieses Mysterium hin geformt wird; wir sprechen von jedem Menschen, ob er das weiß oder nicht; denn es gibt keinen Menschen, der nicht von Christus, dem ewigen Wort, und vom Geist und im Geist dazu berufen ist, den Vater zu verherrlichen.

Das ist das erste aller Geheimnisse, d.h.. die Allerheiligste Dreifaltigkeit, das freilich nichts anderes ist als das Geheimnis Gottes selbst, des einen, lebendigen und wahren Gottes.

Die Wirklichkeit dieses Geheimnisses spricht der hl. Basilius mit Festigkeit aus: die Dreiheit der göttlichen Namen bezeichnet, wie er versichert, gewiß drei verschiedene Hypostasen [60]. Aber mit nicht geringerer Festigkeit erklärt er ihre absolute Unzugänglichkeit. Wie eindeutig war sich dieser große Theologe der Schwäche und Unzulänglichkeit jeder theologischen Arbeit bewußt! Keiner, so sagte er, kann der Würde des Gegenstandes gerecht werden, und die Größe des Geheimnisses übersteigt jede Rede davon, so daß nicht einmal Engelszungen dahin gelangen können [61].

Der lebendige Gott ist also unermeßliche, abgrundtiefe und unerforschliche Wirklichkeit! Nichtsdestoweniger ist der hl. Basilius davon überzeugt, vor allem anderen und mehr als über alles andere über diese Wirklichkeit sprechen zu "müssen"; und weil er glaubt, spricht er auch [62]; und er tut das, geleitet von der unbezwingbaren Kraft der Liebe, vom Gehorsam gegenüber den Geboten Gottes und zum Aufbau der Kirche, deren Hunger, "solches zu hören, niemals gestillt wird" [63].

Aber vielleicht wäre es richtiger zu sagen, daß Basilius als echter "Theologe" dieses Geheimnis eher besungen als davon gesprochen habe. Er besingt den Vater, den "Anfang von allem, die Ursache aller Dinge, die Wurzel alles Lebens" [64] und vor allem "den Vater unseres Herrn Jesu Christi" [65]. So wie aber der Vater in erster Linie in Beziehung zum Sohn steht, so steht der Sohn — das im Schoß der seligen Jungfrau Maria menschgewordene Wort — vor allem zum Vater. Auf diese Weise sieht und besingt Basilius den Sohn, "das unzugängliche Licht, die unaussprechliche Macht, die unendliche Größe, die strahlende Herrlichkeit des trinitarischen Mysteriums, Gott bei Gott [66], Bild der Güte des Vaters, Siegel von gleicher Gestalt" [67]. Gerade weil er Christus unzweideutig als "einen aus der Heiligen Dreifaltigkeit" [68] bekennt, kann Basilius mit Realismus die Entäußerung seiner Menschlichkeit betrachten. Er veranlaßt uns auf einzigartige Weise suchend den unendlichen Raum zu durchmessen, den Christus durchlaufen hat; er lenkt unseren Geist hin auf die tiefe Erniedrigung dessen, der "obwohl Gott gleich, sich entäußerte und wie ein Sklave wurde" [69].

In der Lehre des hl. Basilius hat die Christologie der Herrlichkeit keineswegs eine Abschwächung der Christologie der Erniedrigung zur Folge; ja, sie verkündet mit um so größerer Kraft den ersten Inhalt des Evangeliums, nämlich das Wort vom Kreuz [70] und das Ärgernis des Kreuzes [71].

Das sind in der Tat die Leitlinien seiner christologischen Darlegung, da nämlich das Licht der Herrlichkeit den Sinn der Erniedrigung offenbar werden läßt.

Der Gehorsam Christi ist ein wirkliches "Evangelium", d.h. die einzigartige Verwirklichung der erlösenden Liebe Gottes, weil durch sie — und nur dadurch — er, der gehorcht, "der eingeborene Sohn Gottes, unser Herr und Gott ist ..., durch den alle Dinge gemacht sind" [72]; und so kann dieser Gehorsam unseren hartnäckigen Ungehorsam zerbrechen. Die Leiden Christi, des unbefleckten Lammes, das seinen Mund nicht auftat, als man es schlug [73], besitzen ewige und universale Bedeutung und Kraft, weil er, der solches erlitten hat, "der Schöpfer und Herr des Himmels und der Erde ist, der von der ganzen geistigen wie sinnenhaften Schöpfung angebetet wird und das All durch sein machtvolles Wort trägt" [74]. Auf diese Weise zügelt das Leiden Christi unsere Gewalt und besänftigt unseren Zorn.

Schließlich ist das Kreuz wirklich unsere "einzige Hoffnung" [75], keine Niederlage, sondern ein Heilsereignis, eine "Erhöhung"  [76] und ein wunderbarer Triumph, eben darum, weil der, der an das Kreuz geschlagen wurde und an ihm gestorben ist, "unser und der Herr aller ist"  [77], "durch den alles Sichtbare und Unsichtbare geschaffen ist, der das Leben besitzt, wie es der Vater besitzt, der es ihm gegeben hat, der alle Macht vom Vater hat" [78]; und so kommt es, daß Christi Tod uns vor der "Furcht vor dem Tod", der wir alle ausgesetzt waren, befreit [79].

Von Christus "ging der Heilige Geist aus, der Geist der Wahrheit, die Gnade der Kindschaft, das Unterpfand der künftigen Erbschaft, die Anwartschaft auf die ewigen Güter, die belebende Kraft, die Quelle der Heiligung, aus der jede mit Vernunft und Verstand begabte Kreatur die Kraft erhält, den Vater zu verehren und ihn ewig zu loben und preisen" [80].

Dieser Hymnus aus der Anaphora des hl. Basilius weist in hervorragender und zusammenfassender Form auf die Rolle des Geistes im Heilsplan hin.

Denn dieser Geist, der jedem Getauften geschenkt wird, wirkt in den einzelnen die Charismen und ruft ihnen die Gebote des Herrn in Erinnerung [81]; der Geist selbst beseelt die gesamte Kirche, versieht und belebt sie mit seinen Gaben und macht sie ganz zu einem "geistigen" und charismatischen Körper [82].

Von hier steigt der hl. Basilius zur ruhigen Betrachtung der verborgenen und unzugänglichen "Herrlichkeit" des Geistes auf, indem er bekennt, daß dieser Geist jedes menschliche Geschöpf überragt [83], daß er König und Herr ist, weil wir von ihm umgewandelt werden, damit wir der göttlichen Natur teilhaftig werden [84], und heilig, weil wir von ihm geheiligt werden [85]. Da Basilius also auf diese Weise zur Verkündigung des trinitarischen Glaubens der Kirche beigetragen hat, spricht er noch heute zu ihrem Herzen und tröstet sie besonders durch das leuchtende Bekenntnis zu ihrem Tröster.

Das strahlende Licht des Geheimnisses der Heiligsten Dreifaltigkeit steht aber dem Ruhm des Menschen keineswegs im Wege; ja, es erhöht ihn erst recht und macht ihn offenbar. Denn der Mensch ist nicht Gottes Rivale, der sich vergebens gegen ihn stellen würde; Gott fehlt ihm nicht, und er lebt nicht verlassen in Einsamkeit, sondern ist Gottes Spiegelbild.

Je mehr Gott leuchtet, um so mehr strahlt daher sein Licht im Menschen wider, und je mehr Gott verherrlicht wird, um so mehr wird die Würde des Menschen erhoben. Auf diese Weise hat denn auch der hl. Basilius die Würde des Menschen gerühmt: indem er sie als ganz mit Gott verknüpft sah, d.h. als aus Gott fließend und auf ihn als sein Ziel schauend.

Denn der Mensch hat den Verstand vor allem dazu erhalten, Gott zu erkennen; um aber sein Gesetz erfüllen zu können, ist er mit Freiheit begabt. Nur als Ebenbild Gottes überragt der Mensch die Ordnung der gesamten Natur und wird "höher als der Himmel, höher als die Sonne, höher als die Scharen der Sterne geehrt (denn welcher Himmel wird Abbild des höchsten Gottes genannt?)" [86].

Eben deshalb liegt der Ruhm des Menschen ganz in seiner Beziehung zu Gott. Darum erfüllt der Mensch seine "königliche" Würde nur dann ganz, wenn er das in ihm gespiegelte Abbild Gottes bewahrt; es wird also in der Tat nur auf ihn ankommen, ob er den erkennt und liebt, von dem er Verstand und Freiheit empfangen hat.

Bereits vor Basilius schrieb der hl. Irenäus die großartigen Worte: "Gottes Ruhm ist der lebendige Mensch, im Leben des Menschen wird Gott sichtbar" [87], was soviel heißt wie: der lebendige Mensch ist in sich eine Verherrlichung Gottes und ein Abglanz seiner Schönheit; doch er besitzt das "Leben" nur, wenn er es aus Gott geschöpft hat in persönlicher Verbundenheit mit Gott. Versäumt der Mensch diese Pflicht, leugnet er seine vornehmste Berufung und entehrt durch sein Tun seine Würde  [88].

Was anderes aber ist die Sünde? Ist Christus etwa nicht gekommen, um den Ruhm dieses Ebenbildes Gottes, also des Menschen, wiederherzustellen, die Würde, die der Mensch durch die Sünde verdunkelt [89], zerstört  [90] und zunichte gemacht hat [91]? Darum bekräftigt der hl. Basilius mit den Worten der Schrift: "Das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt [92], und er erniedrigte sich und war gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz" [93]. Deshalb, o Mensch, "erkenne deine Würde an dem Preis, der für dich gezahlt wurde; blicke auf den Preis, um den du freigekauft wurdest, und nimm deine Würde wahr!" [94].

Die Würde des Menschen ist sowohl im Geheimnis Gottes wie in dem des Kreuzes enthalten; und das ist die Lehre des Basilius vom Menschen oder sein "Humanismus", einfacher gesagt, christlicher "Humanismus".

Die Wiederherstellung des Ebenbildes Gottes kann also nur durch die Macht des Kreuzes Christi geschehen. Denn sein "Gehorsam bis zum Tod ... ist für uns Erlösung von den Sünden geworden, Befreiung vom Tod der Erbsünde, Versöhnung mit Gott, Kraft, durch die wir bei Gott Gefallen finden und von ihm angenommen werden, Gabe der Gerechtigkeit, Gemeinschaft der Heiligen im ewigen Leben, dem Erbe im Himmelreich" [95]. Hier muß im Sinn des Basilius auch gesagt werden, daß sich das alles durch die Kraft der Taufe erfüllt. Denn was ist die Taufe anderes als das Heilsereignis des Todes Christi, in das wir durch die Feier des Geheimnisses hineingenommen werden? Denn das sakramentale Mysterium, das "Nachahmung" des Todes Christi ist, taucht uns in seinen Tod, wie Paulus schreibt: "Wißt ihr denn nicht, daß wir, die wir auf Christus Jesus getauft wurden, auf seinen Tod getauft sind?" [96].

Auf die verborgene Identität von Taufe und Ostergeschehen gestützt, lehrt uns also Basilius, den Spuren des Paulus folgend, getauft werden sei nichts anderes als gekreuzigt werden, das heißt, mit Christus an sein Kreuz geschlagen werden, wirklich denselben Tod wie er zu sterben, mit ihm begraben werden und dann mit seiner Auferstehung auferstehen [97].

Mit Recht überträgt er daher auf die Taufe dieselben Ruhmestitel, mit denen er das Kreuz verherrlicht. "Die Taufe ist der Preis für die Erlösung aus der Gefangenschaft, Nachlaß der Schuld, Tod der Sünde, Erneuerung der Seele, Lichtgewand, Siegel, das nicht zerbrochen werden kann, Wagen zum Himmel, Vermittler des Reiches, Geschenk der Kindschaft" [98]. Durch sie fürwahr wird der Mensch Christus verbunden, durch den er in das innertrinitarische Leben hineingenommen wird; so wird er Geist, weil er aus dem Geist geboren wird [99], und Sohn, weil er den Sohn angezogen hat, in enger Verbundenheit mit dem Vater des Eingeborenen, der so auch in Wahrheit zu seinem Vater geworden ist [100].

Dem das Geheimnis der Taufe so tief Betrachtenden wird durch Basilius auch der Sinn des christlichen Lebens klarer. Wie anders könnten wir übrigens dieses Geheimnis vom neuen Menschen begreifen, wenn wir nicht den Blick auf seine neue Geburt im Licht und auf die göttliche Kraft richten, die ihn durch die Taufe wiedergeboren hat? "Was ist dem Christen eigen?" fragt Basilius und antwortet: "Wiedergeboren zu werden aus dem Wasser und dem Heiligen Geist durch die Taufe" [101]. Denn nur durch das, woher wir kommen, läßt sich begreifen, was wir sind und wozu wir da sind.

Als neue Kreatur lebt der Christ, auch wenn er sich dessen nicht voll bewußt ist, ein neues Leben; und in seinem Innersten befindet er sich, auch wenn er das durch sein Handeln widerlegt, in einer neuen Welt, sozusagen im himmlischen Reich auf Erden [102], denn Gottes Werk ist in höchstem Maße und mit Sicherheit wirksam und geht immer irgendwie über das hinaus, was der Mensch kann, wenn er sich widersetzt oder widerspricht.

Die Pflicht des Menschen und der Sinn des christlichen Lebens, das notwendigerweise mit der Taufe verbunden ist, besteht ohne Zweifel darin, das zu werden, was er ist; nämlich sich mit neuer „geistlicher" und eschatologischer Begründung dem Geheimnis seiner Person anzugleichen, wie der hl. Basilius mit der ihm eigenen Klarheit sagt: "Was ist die Bedeutung oder die Kraft der Taufe? Daß der Getaufte in seinem Denken, Reden und Tun umgewandelt wird und durch die Kraft, die ihm gegeben ist, zu dem wird, aus dem er geboren ist" [103] .

Die Eucharistie, durch die die christliche Einführung ihre Erfüllung findet, sieht der hl.. Basilius immer in engster Beziehung zur Taufe. Als einzige für den neuen Stand des Getauften angemessene Speise ist sie geeignet, sein neues Leben zu erhalten und neue Kräfte zu nähren [104]; als Kult im Geist und in der Wahrheit, als Ausübung des neuen Priestertums und vollkommenes Opfer des neuen Israel [105] wirkt allein die Eucharistie die Fülle der neuen Schöpfung, die in der Taufe geschieht, und erlöst ihn.

Sie ist deshalb ein Mysterium größter Freude, an dem man nur singend teilnehmen kann [106], und grenzenloser, furchterregender Heiligkeit. Wie könnte einer im Zustand der Sünde den Leib des Herrn berühren? [107]. Die Kirche, welche die heilige Kommunion verwaltet, muß in der Tat "ohne Flecken und Runzeln, heilig und makellos sein" [108]; sie muß sich also, immer bewußt des Mysteriums, das sie feiert, selbst prüfen [109], um sich mehr und mehr "von jeder Befleckung und Unreinheit" zu reinigen [110].

Anderseits ist es ihr nicht gestattet, von der Verwaltung der Kommunion Abstand zu nehmen; denn die Taufe selbst steht in Beziehung zur Eucharistie, die für das ewige Leben unerläßlich ist [111], und das Volk der Getauften muß ebenfalls rein sein, um der Eucharistie teilhaftig zu werden [112].

Hinzukommt, daß eine Eucharistiefeier als wahres Gedenken an das Ostermysterium Christi bewirken kann, daß das Gedächtnis seiner Liebe in uns lebendig bleibt. Das ist also der Grund dafür, warum die Kirche wachsam ist; denn wenn sie sich nicht von der göttlichen Wirksamkeit dieses ständigen und sanften Ansporns bewegen lassen würde, wenn sie nicht die durchdringende Kraft der Blicke ihres Bräutigams auf sich gerichtet fühlte, könnte sie nur zu leicht vergessen, erstarren und untreu werden. Die Eucharistie ist nämlich nach den Worten des Herrn mit folgendem Auftrag eingesetzt worden: "Das tut zu meinem Gedächtnis"  [113], und zu diesem Zweck ist sie infolgedessen auch zu feiern.

Basilius wird nicht müde zu wiederholen: "zum Gedächtnis" [114], ja, zum ewigen Gedächtnis, zum "unauslöschlichen Gedächtnis" [115], um "in wirksamer Weise das Gedächtnis an den zum Ausdruck zu bringen, der für uns gestorben und auferstanden ist" [116].

Nur die Eucharistie kann also nach der Vorsehung und Gnade Gottes in den Herzen das "Siegel" [117] jenes Gedenkens an Christus hüten, das uns dadurch, daß es uns drängt und zügelt, zu sündigen hindert; aus diesem Grunde bringt der hl. Basilius vor allem die folgenden Worte des Apostels Paulus mit der Eucharistie in Verbindung: "Die Liebe Christi drängt uns, wenn wir glauben, daß wie einer für alle gestorben ist, auch alle gestorben sind. Er ist aber für alle gestorben, damit die Lebenden nicht mehr für sich leben, sondern für den, der für sie starb und auferstand" [118]. Aber was ist für Christus leben — oder "Gott ganz leben" — anderes als die Tatsache des Taufbundes selbst? [119]. Auch aus diesem Grund ist die Eucharistie die Erfüllung der Taufe, weil sie allein aus ihr getreu leben läßt und die Kraft ihrer Gnade unablässig zur Verwirklichung führt.

Basilius zögert daher nicht, zum häufigen, ja, zum täglichen Empfang der Kommunion zu raten: "Jeden Tag zu kommunizieren und teilzuhaben am heiligen Leib und Blut Christi ist gut und nützlich, wie er selbst sagt: 'Wer mein Fleisch ißt und mein Blut trinkt, hat das ewige Leben' [120]. Denn wer zweifelt daran, daß die ständige Teilhabe am Leben etwas anderes ist als in vielfältiger Weise zu leben?"  [121].

Wahre "Speise des ewigen Lebens", die wie die Eucharistie geeignet ist, das neue Leben des Getauften zu nähren, ist auch "Jedes Wort, das aus dem Mund Gottes kommt" [122]. Der hl. Basilius selbst hat diesen fundamentalen Zusammenhang des Wortes Gottes mit dem Tisch des Leibes Christi nachdrücklich bestätigt [123]; denn wie die Eucharistie ist auch die Schrift, wenn auch in anderer Weise, göttlich, heilig und notwendig. Sie ist wahrhaft göttlich, betont Basilius mit ungewöhnlichem Nachdruck, denn sie kommt im wahren und eigentlichen Sinn von "Gott". Gott selbst hat sie inspiriert [124], Gott hat sie bestätigt [125], Gott hat sie durch die Verfasser der heiligen Bücher [126] — durch Moses, die Propheten, die Evangelisten, die Apostel [127] — und besonders durch seinen Sohn [128], den einen Herrn, verkündet: sowohl im Alten wie im Neuen Testament [129]; wenn auch mit unterschiedlicher Eindringlichkeit und unterschiedlicher Fülle der Offenbarung [130], jedoch ohne jede Widersprüchlichkeit [131].

Da sie göttlichen Gehaltes ist, kommt der Schrift, auch wenn sie sich menschlicher Worte bedient, höchste Autorität zu: sie ist, nach dem Wort des Paulus [132], die Quelle des Glaubens, Grundlage voller Gewißheit, zweifelsfrei und verläßlich [133]. Da sie ganz aus Gott ist, ist sie als ganze, auch in ihren kleinsten Teilen, von unermeßlichem Gewicht und höchster Aufmerksamkeit würdig [134].

Deshalb wird die Schrift auch mit Recht heilig genannt: denn wie die Entweihung der Eucharistie einen schrecklichen Frevel darstellt, so ist es auch ein Sakrileg, etwas gegen die Integrität und Reinheit des Wortes Gottes zu tun. Das ist nach den menschlichen Denkkategorien freilich nicht einzusehen, aber aus seiner erzenen Lehre, daß "der Herr selbst um eine Deutung seiner Worte befragt werden soll" [135]. An diesen heiligen Texten, die der Kirche für immer überliefert worden sind, darf nichts gekürzt oder hinzugefügt werden; das heißt, wir sprechen mit den heiligen Worten, die von Gott ein für allemal verkündigt worden sind [136].

Deshalb muß der Geist sich dem Wort Gottes immer in Gebet, Glaube und Liebe nähern. Vor allem die Kirche muß daraus schöpfen, um ihre Botschaft zu verkünden [137], wobei sie sich von den Worten des Herrn selbst leiten lassen muß [138], um nicht vielleicht "die Worte der Frömmigkeit zu menschlichen Worten zu machen" [139].

Schließlich muß sich jeder Christ "immer und überall", was er sich auch vornehmen mag [140], auf die Schrift beziehen — "klein werden" —, [141] aus ihr die wirksamsten Heilmittel für seine Schwachheit schöpfen [142] und keinen Schritt zu tun wagen, ohne sich vom Licht jener Worte erleuchten zu lassen [143]. Die ganze Lehre des hl. Basilius ist, wie wir gesagt haben, wirklich christliches "Evangelium", die Frohbotschaft vom Heil. Ist etwa das Bekenntnis zur Herrlichkeit Gottes, die im Menschen, seinem Ebenbild, widerleuchtet, nicht von Freude erfüllt und selbst eine Quelle der Freude? Ist die Botschaft vom Sieg des Kreuzes, durch das "in der Größe des Erbarmens und der reichen Barmherzigkeit Gottes" [144] unsere Sünden vergeben worden sind, ehe wir sie noch begangen haben [145], nicht wunderbar? Was gibt es Froheres als die Botschaft von der Taufe, durch die wir neugeboren, oder der Eucharistie, durch die wir gespeist, oder des Wortes, von dessen Licht wir erhellt werden? Aber eben weil er die heilbringende und verwandelnde Kraft des Wirkens Gottes und der "Kräfte der künftigen Welt" [146] nicht geringgeschätzt noch geschmälert hat, verlangt der hl. Basilius von allen mit Festigkeit absolute Liebe zu Gott, volle Dienstbereitschaft ohne Ausnahme und ein vollkommenes Leben nach Maß und Lehre des Evangeliums [147].

Denn wenn die Taufe eine Gnade ist — sogar eine einzigartige Gnade! —, dann haben alle, die sie empfangen haben, in der Tat "die Möglichkeit und Vollmacht erhalten, Gott zu gefallen" [148], und deshalb "müssen alle in gleicher Weise eben dieser Begründung der Taufe folgen", das heißt "nach dem Evangelium leben" [149].

"Alle in gleicher Weise", sagt er; denn es gibt keine Christen zweiter Ordnung, einfach deshalb nicht, weil es nicht verschiedene Taufen gibt und der Sinn des christlichen Lebens zutiefst in dem einen Taufbund enthalten ist [150].

"Nach dem Evangelium leben", sagt er; was heißt das nach dem hl. Basilius tatsächlich? Es heißt, mit leidenschaftlichem Verlangen [151] und mit allen neuen Kräften, mit denen man ausgestattet wurde, um die Gewinnung von "Gottes Gnade" zu kämpfen [152]. Das heißt zum Beispiel auch, gemäß dem Wort des Herrn "nicht reich, sondern arm sein" [153] und damit eine wichtige Vorbedingung zu erfüllen, ihm folgen zu können [154] ohne Bindungen [155] und gegenüber der herrschenden Lebensweise der Welt die Neuheit des Evangeliums zu bekunden [156]. Und es heißt auch, sich ganz dem Gotteswort zu unterwerfen, indem man "eigene Wünsche" zurückstellt [157] und nach dem Vorbild Christi gehorsam ist "bis zum Tod" [158].

Der hl. Basilius schämte sich wahrhaftig nicht des Evangeliums, sondern überzeugt davon, daß es Gottes heilende Kraft für jeden Glaubenden ist [159], verkündigte er es ohne alle Einschränkung  [160], damit das Wort der Gnade im Vollsinn zur Quelle des Lebens werde.

Außerdem möchten wir noch daran erinnern, daß der hl. Basilius, wenn auch in bescheidenerem Maße als sein Bruder, der hl. Gregor von Nyssa, und sein Freund, der hl. Gregor von Nazianz, die Jungfräulichkeit Mariens preist [161], sie "Prophetin" nennt und von ihrer Verlobung mit dem hl. Josef folgendes sagt [162]: Das geschah, "damit der Jungfräulichkeit Ehre widerfahre und die Ehe gleichzeitig nicht verachtet werde" [163].

Die oben erwähnte Anaphora des hl Basilius enthält herrliche Lobhymnen auf die "heiligste, unbefleckte, über alles gepriesene, glorreiche Gottesmutter und immerwährende Jungfrau Maria"; an die "gnadenreiche Frau und Freude des ganzen Weltalls..."

IV.

Wir alle in der Kirche rühmen uns, Schüler und Söhne dieses großen Heiligen und Lehrers zu sein; deshalb wollen wir sein Beispiel immer wieder betrachten und voll Ehrfurcht seine Lehren hören in der inneren Bereitschaft, uns von seinen Lehren trösten und mahnen zu lassen.

Diese Botschaft richten wir vor allem an einige Männer- und Frauenorden, die durch Namen und Patronat des hl. Basilius geehrt sind und seiner Regel folgen, wobei wir sie bei diesem glücklichen Anlaß mahnen, sich mit neuer Seelenglut dem asketischen Leben und der Betrachtung der göttlichen Dinge zu widmen, woraus in reichem Maße heilige Werke zur Ehre des allmächtigen Gottes und zum Aufbau der heiligen Kirche hervorgehen mögen.

Damit das geschehe, erbitten wir die mütterliche Hilfe der allerseligsten Jungfrau Maria, während wir euch als Vorzeichen himmlischer Gnade und Unterpfand unseres Wohlwollens voll Liebe den Apostolischen Segen spenden.

Gegeben zu Rom, bei St. Peter, 2. Januar 1980, im zweiten Jahr unseres Pontifikats, am Gedenktag der hll. Basilius des Großen und Gregor von Nazianz, Bischöfe und Kirchenlehrer.

 

IOANNES PAULUS PP. II


Anmerkungen

[1] Vgl. Gal 4, 19; Vinzenz von Lérins, Commonitorium I, 3; PL 50, 641.

[2] Vgl. 1 Kor 4, 15.

[3] Vgl. 1 Kor 3, 11.

[4] Vgl. Eph 2, 21.

[5] Vgl. Regulae fusius tractatae 8; PG 31, 933 c — 941 a.

[6] Vgl. Moralia LXXX 1; PG 31, 860 b c.

[7] De baptismo I 1; PG 31, 1516 b.

[8] Vgl. Gregor von Nazianz, In laudem Basilii; PG 36, 525 c — 528 c.

[9] Vgl. 1 Kor 2, 2.

[10] Vgl. 1 Kor 1, 20.

[11] Vgl. 1 Kor 2, 6.

[12] Epistula 223; PG 32, 824 a.

[13] In laudem Basilii; PG 36, 521 cd.

[14] Epistula 204; PG 32, 753 a.

[15] Vgl. 1 Kor 2, 9.

[16] Vgl. Epistula 223: PG 32, 824 bd.

[17] Vgl. vor allem Epistulae 2 und 22.

[18] Epistula 2, PG 32, 228 a. .Vgl. Epist. 210, 769 a.

[19] Regulae fusius tractatae 43; PG 31, 1028 a

 1029 b. Vgl. Moralia LXX 10, PG 31, 824 d

 825 b.

[20] Regula Benedicti, Prologus.

[21] Vgl. Gregor von Nazianz, In laudem Basilii; PG 36, 536 b.

[22] Vgl. Regulae brevius tractatae, prooemium, PG 31, 1080 ab.

[23] Vgl. Regula Benedicti, LXXIII 5.

[24] Vgl. De iudicio; PG 31, 653 b.

[25] Ebd.

[26] Apg 4, 32; vgl. De iudicio 660 c. Regulae fusius tractatae 7, 933 c. Homilia tempore famis, 325 ab.

[27] Sacrosanctum Concilium, Nr. 10.

[28] Ebd., Nr. 7.

[29] Gregor von Nazianz, In laudem Basilii, PG

36, 541 c.

[30] Ebd.

[31] Vgl. Epistula 2 und Regulae fusius tractatae

37, PG 31, 1013 b — 1016 c.

[32] Vgl. In Psalmum 1: PG 29, 212 a — 213 c.

[33] Ebd.

[34] Epistula 207: PG 32, 764 ab.

[35] Vgl. Gregor von Nazianz, In laudem Basilii; PG 36, 561 cd.

[36] Vgl. In Psalmum 1: PG 29, 212 c.

[37] Vgl. 2 Kor 11, 2.

[38] Vgl. 2 Kor 2, 17.

[39] Vgl. 1 Tim 6, 20; 2 Tim 1, 14.

[40] Vgl. Epistula 9: PG 32, 272 a; Epistula 52, 392 b — 396 a; Adv. Eunomium I; PG 29, 556 c.

[41] Epistula 243; PG 32, 909 a.

[42] Vgl. De Spiritu sancto; PG 32, 117 c.

[43] Vgl. Gregor von Nazianz, In laudem Basilii; PG 36, 557 c — 561 c.

[44] Vgl. ebd., 561 c — 564 b.

[45] Mt 19, 22.

[46] Homilia in divites; PG 31, 280 b — 281 a.

[47] Vgl. Lev 19, 18: Mt 19, 19.

[48] Homilia in divites; PG 31, 281 b.

[49]  Homilia tempore famis; PG 31, 325 a.

[50] Vgl. Epistula 94, 488 bc.

[51] Vgl. Sozomenus, Historia Ecclesiae VI 34; PG 67, 1397 a.

[52] Vgl. Epistulae 70 und 243.

[53] Vgl. 1 Kor 1, 13.

[54] Vgl. Eph 4, 4.

[55] Vgl. Gal 3, 28.

[56] Vgl. De iudicio; PG 31, 653 a — 656 c.

[57] Vgl. ebd., 660 b — 661 a.

[58] Vgl. Moralia LXXX 12-21: PG 31, 864 b — 868 b.

[59] Vgl. Moralia LXXX 18, 865 c.

[60] Vgl. Adv. Eunomium I; PG 29, 529 a.

[61] Vgl. Homilia de fide; PG 31, 464 b — 465 a.

[62] Vgl. 2 Kor 4, 23.

[63] Homilia de fide, 464 cd;

[64] Ebd. 465 c.

[65] Anaphora S. Basilii.

[66] Homilia de fide, 465cd. 

[67] Vgl. Anaphora S. Basilii.

[68] Liturgia S. loannis Chrysostomi.

[69] Phil 2, 6 f.

[70] Vgl. 1 Kor 1, 18.

[71] Vgl. Gal 5, 11.

[72De iudicio; PG 31, 660 b.

[73] Vgl. fes 53, 7.

[74] Vgl. Hebr 1, 3: Homilia de ira, PG 31, 369 b.

[75] Stundengebet der Karwoche, Vesperhymnus.

[76] Vgl. Joh 8, 32 f., u.a.

[77] Vgl. Apg 10, 36: De baptismo II 12: PG 31, 1624 b.

[78] De baptismo II 13, 1625 c.

[79] Vgl. Hebr. 2, 15.

[80] Vgl. Anaphora S. Basilii.

[81] Vgl. De baptismo I 2: PG 31, 1561 a.

[82] Vgl. De Spiritu sancto; PG 32, 181 ab; De iudicio, PG 31, 657 c — 660 a.

[83] Vgl. De Spiritu sancto, cap. 22.

[84] Vgl. ebd., cap. 20 f.

[85] Vgl. ebd., cap. 9 und 18.

[86] In Psalmum 48; PG 29, 449 c.

[87Adversus haereses IV, 20, 7.

[88] Vgl. In Psalmum 48, 449 d — 452 a.

[89] Homilia de malo; PG 31, 333 a.

[90] In Psalmum 32; PG 29, 344 b.

[91] De baptismo I 2; PG 31, 1537 a.

[92] Joh 1, 14.

[93] Vgl. Phil 2, 8; In Psalmum 48; PG 29, 452 ab.

[94] Ebd., b.

[95] De baptismo 1 2; PG 31, 1556 b.

[96] Röm 6, I.

[97] Vgl. De baptismo 1 2.

[98] In sanctum baptisma; PG 31, 433 ab.

[99] Vgl. Moralia XX 2; PG 31, 736 d; ebd. LXXX 22, 869 a.

[100] Vgl. De baptismo I 2, 1564 c — 1565 b.

[101] Moralia LXXX 22; PG 31, 868 d.

[102] Vgl. De Spiritu sancto; PG 32, 157 c; In sanctum baptisma; PG 31, 429 b.

[103] Moralia XX 2; PG 31, 736 d.

[104] Vgl. De baptismo I, 3; PG 31, 1573 b.

[105] Vgl. ebd. II 2 f. und 8, 1601 c; Epistula 93; PG 32, 485 a.

[106] Vgl. Moralia XXI 4; PG 31, 741 a.

[107] Vgl. De baptismo II 3; PG 31, 1585 ab.

[108] Eph 5, 27; Moralia LXXX 22, 869 b.

[109] Vgl. 1 Kor 11, 28: Moralia XXI 2, 740 a b.

[110] De baptismo II 3; PG 31, 1585 ab.

[111]  Vgl. Moralia XXI 1; PG 31, 737 c.

[112] Vgl. Moralia LXXX 22, 869 b.

[113] 1 Kor 11, 24 f. u.a.

[114] Moralia XXI 3, 740 b. .

[115] Ebd., 1576 d.

[116] Moralia LXXX 22, 869 b.

[117] Vgl. Regulae fusius tractatae 5; PG 31, 921 b.

[118] 2 Kor 5, 14 f.

[119] Vgl. De baptismo II 1; PG 31, 1581 a.

[120] Joh 6, 54.

[121] Epistula 93, PG 32, 484 b.

[122] Mt 4, 4; vgl. Dt 8, 3; De baptismo I 3, PG 31, 1573 b c.

[123] Vgl. Dei Verbum, Nr. 21.

[124] Vgl. De iudicio, PG 31, 664 d; De fide. ebd., 677 a, usw.

[125] Vgl. De fide, PG 31, 680 b.

[126] Vgl. Regulae brevius tractatae 13, PG 31, 1092 a; Adv.- Eunomium II, PG 29, 597 c, usw.

[127] Vgl. De baptismo 1,1, PG 31, 1524 d.

[128] Vgl. De baptismo I 2, 1561 c.

[129] Vgl. Regulae brevius tractatae 47, PG 31, 1113 a.

[130] Vgl. Regulae brevius tractatae 276, PG 31, 1276 c d; De baptismo I 2, PG 31, 1545 b.

[131] Vgl. De fide, PG 31, 692 b.

[132] Vgl. Röm 10, 17: Moralia LXXX 22, PG 31, 868 c.

[133] Ebd.

[134] Vgl. In Hexaem. VI, PG 29, 144 c; ebd. VIII 184 c.

[135] De baptismo II 4, PG 31, 1589 b.

[136] Vgl. De fide, PG 31, 680 a b; Moralia LXXX 22, ebd., 868 c.

[137] Vgl. In Psalmum 115, PG 30, 105 c, 108 a. .

[138] Vgl. De baptismo I, 2, PG 31, 1533 c.

[139Epistula 140, PG 32, 588 b.

[140]  Regulae brevius tractatae 269, PG 31, 1268 c.

[141] Vgl. Mk 10, 15: Regulae brevius tractatae 217, PG 31, 1225 b c; De baptismo I, 2, PG 31, 1560 a b.

[142] Vgl. In Psalmum 1, PG 29, 209 a.

[143] Vgl. Regulae brevius tractatae 1. PG 31, 1081 a.

[144]  Regulae brevius tractatae 1, PG 31, 1088 c.

[145]  Regulae brevius tractatae 12, 1089 b.

[146] Vgl. Hebr 6, 5.

[147] Vgl. Moralia LXXX 22; PG 31, 869 c.

[148]  Regulae brevius tractatae 10, PG 31, 1088 c.

[149] De baptismo II 1, PG 31, 1580 ac.

[150] Ebd.

[151] Vgl. Regulae brevius tractatae 157, PG 31, 1185 a.

[152] Vgl. Moralia I 5, PG 31, 704 a.

[153] Vgl. Moralia XLVIII 3, PG 31, 769 a.

[154] Vgl. Regulae fusius tractatae 10, PG 31, 944 d — 945 a.

[155] Vgl. Regulae fusius tractatae 8, 940 b c; Regulae fusius tractatae 237, 1241 b.

[156] Vgl. De baptismo I, 2, PG 31, 1544 d.

[157] Vgl. Regulae fusius tractatae 6, PG 31, 925 c; 41, 1021 a.

[158] Vgl. Phil 2, 8: Regulae fusius tractatae 28, 989 b; Regulae brevius tractatae 119, 1161 d, u.a.

[159] Vgl. Röm 1, 16.

[160] Vgl. Moralia LXXX 12. PG 31, 864 b.

[161] Vgl. In sanctam Christi generationem 5, PG 31, 1468 b.

[162] Vgl. In Isaiam 208. PG 30, 477 b.

[163] Vgl. In sanctam Christi generationem 3, PG 31, 1464 a.

 

 

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