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APOSTOLISCHES SCHREIBEN
VON JOHANNES PAUL II. 
AN DIE GLÄUBIGEN DER
GRIECHISCH-KATHOLISCHEN KIRCHE RUMÄNIENS

 

Liebe Brüder und Schwestern
der Griechisch-Katholischen Kirche Rumäniens!

1. In die Osterzeit des Großen Jubiläums des Jahres 2000 fällt der dreihundertste Jahrestag der Union Eurer Kirche mit der Kirche Roms. Das Jubiläumsjahr ist ein Jahr der Gnade, in dem die ganze Kirche der Menschwerdung unseres Herrn Jesus Christus vor 2000 Jahren im Schoße der allerheiligsten Jungfrau gedenkt. In der freudigen Vergegenwärtigung dieses wunderbaren Ereignisses faßt die christliche Gemeinschaft wieder Mut, um mit neuem Eifer der Welt die Frohe Botschaft des Heils zu verkünden.

»Verbum caro factum est«: die Menschwerdung ist der Grund unserer steten Dankbarkeit, sie ist die Gnade, derer wir gedenken und die wir ganz besonders festlich im Laufe dieses Jubiläums begehen. Vor diesem Hintergrund können wir mit hoffnungsvollem Blick auf die ganze Geschichte der Menschheit sehen.

Erinnerung und Gegenwart

2. In dieses Bild fügt sich besonders beeindruckend auch die dreihundertjährige Geschichte der Griechisch-Katholischen Kirche Rumäniens ein. Genau vor einem Jahr haben wir in Eurem geschätzten Heimatland gemeinsam gebetet. Während der Göttlichen Liturgie, die wir in der Kathedralkirche des hl. Joseph in Bukarest gefeiert hatten, sagte ich: »Ich erachte es als providentiell und bedeutungsvoll, daß die Dreihundertjahrfeiern mit dem Großen Jubiläum des Jahres 2000 zusammentreffen« (Predigt am 8. Mai 1999; O.R. dt., Nr. 21, 21.5.1999, 10).

Daß ich im Mai letzten Jahres bei Euch sein konnte, war für mich ein besonderes Geschenk des Herrn, der es mir gestattete, sozusagen gemeinsam mit Euch die Erfahrung jener Jünger zu machen, »die auf dem Weg« waren. Unterwegs »kam Jesus hinzu und ging mit ihnen«. Und er legte ihnen dar […], »was in der gesamten Schrift über ihn geschrieben steht« (Lk 24,13–15,27). Vom Wort Christi erleuchtet, konnten wir gemeinsam seine Gegenwart betrachten, die sich auf dem Antlitz Eurer Kirche widerspiegelt. Sodann nährte er uns mit seinem Fleisch und Blut, und unsere Herzen brannten in unserer Brust (vgl. Lk 24,32).

3. Die Schönheit Eures Landes und der Glaube seiner Einwohner ist mir seit meinem Besuch zum bleibenden Eindruck geworden. In der Osterzeit dieses Jahres wurde diese Erinnerung insbesondere wieder ganz lebendig, da sie mit der Dreihundertjahrfeier der Union Eurer Kirche mit der Kirche von Rom zusammenfällt. Mein Herz möchte mit einstimmen in Euren Jubelgesang – »Hristos a înviat!« [Christus ist auferstanden!] – , der mich damals anläßlich meines Besuches ergriffen hatte und tief in meiner Seele eingeprägt blieb. Eine solche Botschaft geht weit über den bloßen Wortgehalt hinaus: sie ist eine glorreiche Kraftquelle des Auferstandenen, der mit seiner Kirche durch die Geschichte geht. Im Lichte dieser Gegenwart wende ich mich nun an Euch, die Ihr voller Freude die Dreihundertjahrfeier der Union begeht.

Geschichte und Einheit

4. Der Ursprung des Geheimnisses der Einheit liegt im Mysterium der Menschwerdung begründet. In der Heiligen Schrift steht ja geschrieben, es sei der Wille des Vaters, »in Christus alles zu vereinen« (Eph 1,10). Im Ereignis dieses Mysteriums entfaltet sich die Mission der Kirche, die darin besteht, schrittweise die Einheit mit Gott und unter den Menschen zu verwirklichen: »Die Kirche ist ja in Christus gleichsam das Sakrament, das heißt Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit« (Lumen gentium, 1). In der Kirche erblühen Einheit und Frieden auf, und auf eben diese Weise kann die Geschichte der Menschen zur Geschichte der Einheit werden.

Das Mysterium der Einheit kennzeichnet das rumänische Volk in ganz besonderer Weise. Wir wissen – und an diese Stelle möchte ich in tiefer Verehrung daran erinnern – , daß der auferstandene Christus durch die Verkündigung der Apostel bereits in frühchristlicher Zeit den geschichtlichen Weg Eures Volkes mitgegangen ist und diesem Volk eine besondere Aufgabe innerhalb des wertvollen Dienstes an der Einheit anvertraut hat. In diesem Zusammenhang sind die Namen des Apostels Andreas, des Bruders Petri, weiterhin Niketas von Remesiana, Johannes Cassian und des Dionysios Exiguus sinnbildhaft. Die göttliche Vorsehung hat es gefügt, daß Ihr zu einer Zeit, in der die heilige Kirche in ihrem Inneren die große Spaltung noch nicht erfahren hatte, mit dem Erbe Roms auch das Erbe von Byzanz übernommen habt.

5. Die Rumänen, die immer ein lateinischer Volksstamm blieben, haben sich geöffnet, um die Glaubens- und Kulturschätze der byzantinischen Kultur anzunehmen. Trotz der Wunde der Spaltung teilen die Griechisch-Katholische und die Orthodoxe Kirche Rumäniens dieses Erbe. Und das ist auch der Schlüssel zum Verständnis der geschichtlichen Ereignisse Eurer Kirche. Sie hat sich in den dramatischen Spannungen zwischen dem christlichen Osten und Westen entwickelt. Seit jeher sind die Herzen der Söhne und Töchter dieser alten Kirche kraftvoll erfüllt von der Leidenschaft für die von Christus gewollte Einheit. Ich selbst konnte letztes Jahr mit Ergriffenheit Zeuge davon sein.

Dieses Ringen um die Einheit wurde in einzigartiger Weise von der Kirche in Transsilvanien durchlebt, und zwar besonders nach der Tragödie der Spaltung der abendländischen und der morgenländischen Christenheit. In jenem Land lebten viele Völker wie Rumänen, Ungarn, Armenier und Sachsen eine gemeinsame, oft auch schwierige Geschichte, die ihre Spuren in den sozialen und religiösen Charaktereigenschaften seiner Bewohner hinterlassen hat. Leider wurde die Einheit, welche die Kirche der ersten Jahrhunderte auszeichnete, nie wieder erreicht, und auch Eure Geschichte wurde in wachsendem Maße von Trennung und Tränen gezeichnet.

In diesem Umfeld erstrahlen die Anstrengungen jener, die sich nicht mit der Wunde der Trennung abfinden wollten und versuchten, sie zu heilen, wie Hoffnungsschimmer auf. In Transsilvanien entstand in den Herzen der rumänischen Christen und ihrer Hirten der Wunsch, die vollkommene Einheit mit dem Apostolischen Stuhl des Nachfolgers Petri wieder herzustellen, insbesondere im Laufe des 16. und 17. Jahrhunderts. Diese Jünger Christi waren ergriffen vom brennenden Bestreben, die Kirche zu reformieren und zur Einheit zu führen, da sie im tiefsten Inneren ihres Herzens die Bande mit der Kirche und der Stadt des Martyriums und der Gräber der Apostel Petrus und Paulus verspürten. Daher riefen sie eine Bewegung ins Leben, die Schritt für Schritt die volle Einheit mit Rom verwirklichte. Zu den erwähnenswerten entscheidenden Stationen dieser Union gehören die Synoden von Alba Julia in den Jahren 1697 und 1698, auf denen man sich für diese Union aussprach. Schließlich wurde die Union dann am 7. Oktober 1698 offiziell verabschiedet und auf der Synode vom 7. Mai 1700 feierlich ratifiziert.

6. Durch das Wirken berühmter Bischöfe wie Athanasius Anghel († 1713), Johannes Innozenz Micu-Klein († 1768) und Peter Paul Aron († 1764) sowie anderer verdienter Oberhirten, Priester und Laien konnte die Griechisch-Katholische Kirche Rumäniens ihre Identität stärken und erfuhr in relativ kurzer Zeit eine bedeutende Entwicklung. In Anbetracht dieser Tatsache hat mein Vorgänger Pius IX. seligen Angedenkens mit der Bulle Ecclesiam Christi vom 16. November 1853 die Metropolie Fãgãras und Alba Julia für die unierten Rumänen errichtet.

Wie könnten die wertvollen Dienste der Griechisch-Katholischen Kirche gegenüber dem ganzen rumänischen Volk in Transsilvanien in Vergessenheit geraten? Sie hat einen entscheidenden Beitrag zu seinem Wachsen geleistet. Von den »Koryphäen« der transsilvanischen Schule von Blaj, aber auch von zahlreichen anderen Persönlichkeiten aus Klerus und Laienstand wurde sie in geradezu bezeichnender Weise repräsentiert. Sie haben im kirchlichen, kulturellen und gesellschaftlichen Leben der Rumänen ein unauslöschliches Mal hinterlassen. Insbesondere war es ein glänzendes Verdienst Eurer Kirche, zwischen Orient und Okzident eine Mittlerrolle eingenommen zu haben, da sie einerseits die vom Hl. Stuhl vorgebrachten Werte in Transsilvanien aufgenommen haben, andererseits aber der ganzen katholischen Welt die Werte des christlichen Orients vermittelten, die ja wegen der bestehenden Kirchenspaltung kaum mehr zugänglich waren. Deshalb wurde die Griechisch- Katholische Kirche zum beredten Zeugnis der Einheit der gesamten Kirche. Sie zeigte nämlich auf, wie sie in sich die Werte der kirchlichen Einrichtungen, liturgischen Riten, kirchlichen Traditionen beinhaltet, die auf verschiedene Weise auf dieselbe apostolische Tradition zurückgehen (vgl. Orientalium Ecclesiarum, 1).

Zeugen und Märtyrer der Einheit

7. Der Weg der Griechisch-Katholischen Kirche Rumäniens war nie einfach gewesen, wie ihre wechselvolle Geschichte beweist. Im Laufe der Jahrhunderte wurde ihr ein schmerzhaftes und schwieriges Zeugnis der Treue zu den Anforderungen des Evangeliums hinsichtlich der Einheit abverlangt. Und so wurde sie auf besondere Weise zur Kirche der Zeugen für die Einheit, die Wahrheit und die Liebe. Trotz der zahlreichen Schwierigkeiten, denen die Griechisch-Katholische Kirche Rumäniens begegnete, ist sie vor der gesamten christlichen Ökumene immer am meisten als jene einzigartige Zeugin des unverzichtbaren Wertes der kirchlichen Einheit aufgetreten. Insbesondere in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts, also in der Zeit des totalitären Kommunismus, wurde Eure Kirche auf eine sehr harte Probe gestellt und hat sich so zu Recht den Titel »Kirche der Bekenner und Märtyrer« verdient. Damals wurde der Kampf zwischen dem »mysterium iniquitatis« (»der geheimen Macht der Gesetzeswidrigkeit«) (2 Thess 2,1) und dem »mysterium pietatis« (»dem Geheimnis unseres Glaubens«) (1 Tim 3,16), die in der Welt am Werk sind, am deutlichsten offenbar. Und seither strahlt auch die Herrlichkeit des Martyriums mit größter Klarheit auf dem Antlitz Eurer Kirche als ein Licht auf, das sich im Gewissen der Christen auf der ganzen Welt widerspiegelt und so Bewunderung und Dankbarkeit hervorruft.

8. Dieses Bewußtsein hat auch mich bewegt, alle Gelegenheiten zu nutzen, um von Euch, liebe Brüder und Schwestern, Nachricht zu erhalten. Nun möchte ich Euch noch einen weiteren Beweis meiner Solidarität und meiner Unterstützung zukommen lassen. Als mir letztes Jahr während meiner Pilgerfahrt in Euer Land gewährt war, gemeinsam mit Euch auf dem katholischen Friedhof von Bukarest zu beten, habe ich dies getan, indem ich die ganze Kirche Christi im Herzen trug. Zusammen mit der ganzen Kirche kniete ich schweigend nieder an den Gräbern Eurer Märtyrer. Von vielen wissen wir nicht einmal den Begräbnisort, da ihre Verfolger sie auch noch dieses letzten Zeichens von Achtung und Respekt beraubten. Aber ihre Namen sind im Buch der Lebenden eingeschrieben, und ein jeder von ihnen hat »einen weißen Stein« empfangen, »und auf dem Stein steht ein neuer Name, den nur der kennt, der ihn empfängt« (Offb 2,17). Das Blut dieser Märtyrer ist ein Ferment des Lebens im Geiste des Evangeliums, das nicht nur in Eurem Lande wirkt, sondern auch in vielen anderen Teilen der Welt.

Es ist diese »große Schar« (Offb 7,9) von Märtyrern und Bekennern Eurer Kirche in weißen Gewändern (vgl. Offb 7,13), »die aus der großen Bedrängnis kommen; sie haben ihre Gewänder gewaschen und im Blut des Lammes weiß gemacht« (Offb 7,14), und »deshalb stehen sie vor dem Thron Gottes« (Offb 7,15). In dieser Schar ragen glanzvoll jene illustren Namen von Bischöfen wie Vasile Aftenie, Ioan Balan, Valeriu Traian Frentiu, Ioan Suciu, Tit Liviu Chinezu, Alexandru Rusu und Kardinal Iuliu Hossu hervor. Sie und jene Beter »dienen ihm bei Tag und Nacht in seinem Tempel« (Offb 7,15). Zusammen mit den anderen Märtyrern und Bekennern legen sie für ihr Volk Fürbitte ein und erfahren seine wahre und tiefe Verehrung. Das Zeugnis des Martyriums, das Bekenntnis des Glaubens an Christus und die Einheit seiner Kirche mögen wie der Weihrauch des Abendopfers (vgl. Ps 141,2) zum Throne Gottes emporsteigen im Namen der ganzen Kirche, deren Achtung und Verehrung sie genießen.

Die Vergangenheit erneut überdenken – Reinigung des Gedächtnisses

9. Der Glanz des Glaubenszeugnisses und der großherzige Dienst an der Einheit müssen innerhalb der Kirche ständig begleitet sein vom unermüdlichen Einsatz für die Wahrheit, in der die Dynamik der Hoffnung gereinigt und gefestigt wird. Dies entspricht auch dem Geist des Jubiläums 2000. Aus diesem Anlaß empfindet es die ganze Kirche als ihre Pflicht, erneut ihre Vergangenheit zu überdenken, um so die Inkonsequenzen zu erkennen, denen ihre Kinder hinsichtlich der Lehre des Evangeliums verfallen sind, damit sie wieder mit gereinigtem Antlitz ihren Weg in die von Gott gewollte Zukunft fortsetzen kann.

Die derzeitigen Schwierigkeiten, die Eure Kirche bei ihrem Wiedererstarken nach der Zeit der Unterdrückungen vorfindet, sowie die beschränkt zur Verfügung stehenden personalen und materiellen Mittel, die eben dieses Wiedererstarken aufhalten, könnten dazu führen, den Mut zu verlieren. Der Christ weiß jedoch, daß er um so vertrauensvoller auf Gottes Hilfe bauen kann, je größer die Hindernisse sind, die ihm in den Weg gelegt werden, denn dieser Gott ist ihm nahe und begleitet ihn. Daran erinnert auch Euer sehr schöner Gesang »Cu noi este Dumnezeu«, der so reich an Bedeutung ist und der so tief in die Herzen Eurer Menschen eingeschrieben ist.

Während dieses Jubiläums hat Eure Kirche zusammen mit der Gesamtkirche die Pflicht, in die eigene Vergangenheit zurückzublicken und vor allem die Zeit der Verfolgungen in Augenschein zu nehmen, um so ihr »Martyrologium« auf den neusten Stand zu bringen. Es ist dies keine leichte Aufgabe, da es nur ganz spärliche Quellen aus jener Zeit gibt. Es war eine viel zu kurze Zeit, als daß ein ausreichend distanziertes Urteil darüber zur Reife hätte gelangen können; es war aber wiederum eine zu lange Zeit, so daß leider einiges in Vergessenheit geraten ist. Zum Glück leben ja noch viele Zeugen der jüngsten Vergangenheit. Es ist daher eine Pflicht, alle nötigen Anstrengungen zu unternehmen, um die Dokumentation hinsichtlich der vergangenen Ereignisse zu vervollständigen. Nur dadurch wird es den zukünftigen Generationen ermöglicht, ihre Geschichte kennenzulernen, sie einer kritischen Prüfung zu unterziehen und daher durch ihren Glauben zu würdigen. Angesichts dieser Sachlage ist es wohl angebracht, das Zeugnis und das Martyrium Eurer Kirche in einem weiteren Kontext der Leiden und Verfolgungen der Christen des zwanzigsten Jahrhunderts zu überprüfen.

Im Apostolischen Schreiben Tertio millennio adveniente habe ich konkret auf die Märtyrer unseres Jahrhunderts verwiesen, die »häufig unbekannt, gleichsam ›unbekannte Soldaten‹ der großen Sache Gottes« (Nr. 37) waren. Auch habe ich gesagt: »Am Ende des zweiten Jahrtausends ist die Kirche erneut zur Märtyrerkirche geworden […] Das Zeugnis für Christus bis hin zum Blutvergießen ist zum gemeinsamen Erbe von Katholiken, Orthodoxen, Anglikanern und Protestanten geworden […] Das ist ein Zeugnis, das nicht vergessen werden darf« (ebd.). Im Glauben und im Martyrium dieser Christen erscheint die Einheit der Kirche in einem neuen Licht. Ihr Blut, das sie für Christus und mit Christus vergossen haben, ist eine sichere Grundlage, auf der die Suche nach Einheit der ganzen christlichen Ökumene gegründet werden kann.

In Bukarest habe ich die Tatsache hervorgehoben, daß Ihr auch in Rumänien gemeinsam gelitten habt: »Das kommunistische Regime beseitigte die mit Rom unierte Kirche des byzantinischen Ritus und verfolgte Bischöfe und Priester, Ordensmänner, Ordensfrauen und Laien; nicht wenige von ihnen bezahlten die Treue zu Christus mit ihrem Blut, [… daher] möchte ich auch jenen Mitgliedern der Rumänisch-Orthodoxen Kirche und anderen Kirchen und religiösen Gemeinschaften, die eine ähnliche Verfolgung und schwere Beschränkungen erlitten, die ihnen gebührende Anerkennung zollen. Der Tod hat diese unsere Glaubensbrüder im heldenhaften Zeugnis des Martyriums vereint. Sie hinterlassen uns eine unvergeßliche Lektion der Liebe zu Christus und seiner Kirche« (Ansprache auf dem Flughafen von Bukarest, 7. Mai 1999, 4; O.R. dt., Nr. 21, 21.5.1999, S. 7). Diesbezüglich ermutige ich Euch nun, im Laufe der Jubiläumsfeierlichkeiten und der Dreihundertjahrfeier Eurer Union die Märtyrergestalten der Griechisch-Katholischen Kirche Rumäniens zu ermitteln und aufzuwerten, die der Sache der Einheit aller Christen einen bemerkenswerten Antrieb verliehen haben.

10. Außerdem wird es auch von großem Nutzen sein, die heutige Situation im Lichte Eurer Geschichte zu überdenken. Denn es erscheint in der Tat notwendig, den historischen Kontext, den Geist und die Entscheidungen Eurer Provinzialsynoden aus den Jahren 1872, 1882 und 1900 in vertieftem Maße zu überprüfen. Dieselbe geschichtliche Aufarbeitung sollte auch andere wichtige Ereignisse betreffen, welche die Geschichte der Griechisch-Katholischen Kirche Rumäniens gezeichnet haben. Das Beispiel der berühmten Gelehrten der transsilvanischen Schule von Blaj, die eine seriöse historische und linguistische Studie über die Ereignisse erstellt haben, kann dieser Aufarbeitung durchaus als wichtige Grundlage und Bezugspunkt dienen, um beachtliche Ergebnisse zu erzielen. Im Rahmen dieser Art von wissenschaftlicher Aufarbeitung werden sicherlich auch fundamentale Aspekte für die theologische, liturgische und spirituelle Tradition der Griechisch- Katholischen Kirche Rumäniens ans Licht kommen. Auf diese Weise werden die Identität Eurer Kirche und ihr geistiges Profil mit neuer Lebenskraft erscheinen und sowohl zur Kultur Rumäniens als auch zur Kultur der gesamten christlichen Ökumene einen Beitrag leisten. Von ganzem Herzen ermutige und segne ich alle Anstrengungen, die diesbezüglich unternommen werden.

Mit ganz besonderem Eifer wird man auch das Problem der Annahme des II. Vatikanischen Konzils seitens der Griechisch-Katholischen Kirche Rumäniens in Angriff nehmen müssen. Aufgrund der Verfolgungen, die damals im Gange waren, hatte Eure Kirche nicht die Möglichkeit, voll und ganz an jenem historischen Ereignis teilzunehmen, noch war es ihr möglich, das Wirken des Geistes klar und deutlich wahrzunehmen. War es doch eben dieses Konzil, das mit großer Aufmerksamkeit die schwierigen Fragen der katholischen Ostkirchen, der Ökumene und der Kirche im allgemeinen anging. Die Lehre des Konzils fand dann auch ihre Fortsetzung im nachfolgenden ordentlichen Lehramt der Kirche. Gerne nehme ich zur Kenntnis, daß die Griechisch-Katholische Kirche Rumäniens sich gegenwärtig in einer langwierigen und arbeitsreichen Phase befindet, um die Weisungen des Hl. Stuhls voll und ganz zu aufzunehmen.

Zeichen der Einheit

11. Durch die Anwesenheit des Heiligen Geistes kann die Vielgestaltigkeit der Kirche in ihrer unaussprechlichen Schönheit hinsichtlich der Einheit vorbehaltlos erstrahlen. Diesbezüglich hat das II. Vatikanische Konzil von den Schätzen der mit Rom vereinten Ostkirchen gesprochen: »In diesen Werten von ehrwürdigem Alter leuchtet ja eine Überlieferung auf, die über die Kirchenväter bis zu den Aposteln zurückreicht. Sie bildet ein Stück des von Gott geoffenbarten und ungeteilten Erbgutes der Gesamtkirche« (Orientalium Ecclesiarum, 1). Die ganze christliche Ökumene braucht also deren Stimme und deren Präsenz: »Die heilige katholische Kirche ist der mystische Leib Christi und besteht aus den Gläubigen, die durch denselben Glauben, dieselben Sakramente und dieselbe oberhirtliche Führung im Heiligen Geist organisch geeint sind. Durch ihre Hierarchie zu verschiedenen Gemeinschaften zusammengeschlossen, bilden sie ›Teilkirchen‹ oder ›Riten‹. Unter diesen herrscht eine wunderbare Verbundenheit, so daß ihre Vielfalt in der Kirche keinesfalls der Einheit Abbruch tut, sondern im Gegenteil diese Einheit deutlich aufzeigt« (ebd., 2).

Die katholische Kirche hat sich, unterstützt von der Lehre des II. Vatikanischen Konzils, mit aller Entschiedenheit besonders in den letzten Jahrzehnten dafür eingesetzt, ihren Weg auf der Suche nach der Einheit unter den Jüngern Christi zu gehen. Meine unmittelbaren Vorgänger, allen voran Johannes XXIII. seligen Angedenkens, haben alle Mühen und Anstrengungen zugunsten der ökumenischen Versöhnung unternommen, was ganz besonders für die Orthodoxen Kirchen gilt. Sie haben hierin eine im Evangelium gründende Forderung und eine Antwort auf die beständigen Anregungen des Heiligen Geistes erkannt. Unter dem erbarmungsvollen Blick ihres Herrn gedenkt die Kirche ihrer Vergangenheit, anerkennt die Fehler ihrer Kinder und bekennt, daß es ihr gegenüber ihren Brüdern in Christus an Liebe gefehlt hat. Folglich bittet sie auch um Verzeihung und verzeiht selbst, womit sie bemüht ist, die volle Einheit der Christen wieder zu erlangen.

12. Der Versuch, wieder die volle Gemeinschaft herzustellen, ist unvermeidlich durch den historischen Kontext, durch die politische Situation und durch die jeweils vorherrschende Mentalität einer jeden Epoche bedingt. In diesem Sinne paßte sich auch die Union von Transsilvanien an die Vorstellung von Einheit an, die sich nach den Konzilien von Florenz und Trient durchgesetzt hatte. Damals war es der glühende Wunsch nach Einheit, der die Rumänen von Transsilvanien zur Union mit der römischen Kirche führte, und über dieses Geschenk sind wir alle Gott zutiefst dankbar. Da aber die Gemeinschaft unter den Kirchen dennoch niemals als ein endgültig erreichtes Ziel betrachtet werden kann, muß auch dem vom Herrn Jesus ein für alle Mal gegebenen Geschenk der Einheit eine beständige Haltung der Aufnahmebereitschaft entsprechen, welche die Frucht der inneren Umkehr eines jeden ist. Die veränderten Umstände der Gegenwart erfordern, daß man versucht, die Einheit vor einem viel größeren ökumenischen Horizont zu erreichen, bei dem man aufnahmebereit wird für das, was der Geist eingibt, und mutig die Beziehungen zu den anderen Kirchen und allen Brüdern in Christus überdenkt, und zwar in der Haltung dessen, der »wider alle Hoffnung zu hoffen weiß« (vgl. Röm 4,18). Und genau hinsichtlich dieses Geschenkes der Einheit habe ich im Apostolischen Schreiben Tertio millennio adveniente angemerkt: »Von uns wird verlangt, dieser Gabe dadurch zu entsprechen, daß wir Leichtfertigkeiten und Unterlassungen im Zeugnis für die Wahrheit nicht nachsichtig übergehen« (Nr. 34). Es wird somit notwendig sein, die dreihundertjährige Geschichte der Griechisch-Katholischen Kirche Rumäniens wieder unter einem neuen Blickpunkt zu betrachten. Wir müssen ganz ruhig und sachlich an jene geschichtlichen Ereignisse herangehen, die ihren Weg vorgezeichnet haben.

Wie ich auch dazu ermutigt habe, die möglichen Gestaltungsformen des Petrusdienstes innerhalb der christlichen Ökumene zu überdenken, um so jenen Anforderungen, die dem Willen Christi entstammen, zu entsprechen (vgl. Enzyklika Ut unum sint, 95), so rufe ich nun auch dazu auf, ein »aggiornamento« [Öffnung] und eine Vertiefung der besonderen Berufung der mit Rom unierten Ostkirchen in einem neuen Kontext einzuleiten, wobei ich mich auf den Forschungsbeitrag und die Überlegungen aller Kirchen berufe. Die von den Hirten der Katholischen Kirche und den Orthodoxen Kirchen ins Leben gerufenen theologischen Kommissionen sollen sich darum bemühen, in diesem komplexen Bereich tätig zu werden. Zur Zeit stellt sich den Christen das Problem, »wie nämlich die bisher erzielten Ergebnisse angenommen werden sollen. Sie dürfen nicht Aussagen der bilateralen Kommissionen bleiben, sondern müssen Gemeingut werden. Damit das geschieht und sich auf diese Weise die Gemeinschaftsbande festigen, bedarf es einer ernsthaften Untersuchung, die in verschiedenen Weisen, Formen und Zuständigkeiten das Volk Gottes als Ganzes einbeziehen muß« (Ut unum sint, 80). Damit »dieser Prozeß« günstig ausgeht, müssen seine Ergebnisse zweckmäßigerweise von kompetenten Personen verständlich dargestellt werden« (ebd., 81). Die Suche nach der Einheit der Christen in Liebe und Wahrheit ist ein grundlegendes Element für eine nachhaltige Evangelisierung. Gemäß dem Willen Christi ist die Kirche einzig und unteilbar. Eine authentische Rückkehr zu den liturgischen und patristischen Traditionen – einem Schatz, den Ihr mit der Orthodoxen Kirche teilt – wird auch zur Versöhnung mit den anderen in Rumänien vertretenen Kirchen führen. In diesem Geist der Versöhnung sollte man auch unbedingt zur Weiterführung des Dialoges zwischen Eurer Kirche und der Orthodoxen Kirche ermutigen, und zwar sowohl auf nationaler als auch auf lokaler Ebene in der Hoffnung, daß bald alle kontroversen Punkte im Geiste der Gerechtigkeit und christlichen Nächstenliebe geklärt werden können.

Der Geist des Dialoges erfordert aber auch gleichzeitig, daß Eure Kirche immer dankbarer das Antlitz Jesu Christi entdeckt, welches der Heilige Geist in der orthodoxen Schwesterkirche abbildet; aber dasselbe muß man auch von dieser Kirche Euch gegenüber erwarten können. So werdet Ihr jenes Zeugnis ablegen, zu dem der Apostel Paulus die Christen der Stadt Rom einlädt (vgl. Röm 12,9–13).

Bedeutung des Gebetes

13. Für das Jubiläum versucht die Kirche sich im freudigen Lichte des auferstandenen Christus zu erneuern und lädt ihre Kinder dazu ein, auf die göttliche Gnade mit einer ernsthaften Gewissenserforschung zu antworten und sich um Reinigung und Buße zu bemühen. Dies ist ein langwieriger Prozeß, der seinen Anfang im II. Vatikanischen Konzil genommen hat und immer noch nicht abgeschlossen ist. Wir haben jene heiligen Wurzeln wieder entdeckt, die seit jeher die Kirche nährten, nämlich das Gotteswort, das »factis et verbis« (in Tat und Wort) von der Liturgie, den Konzilien, den Vätern und Heiligen interpretiert wurde. Aber wir haben auch nachhaltig wiederholt, daß die Hauptquelle der kirchlichen Einheit die Allerheiligste Dreifaltigkeit ist (vgl. Lumen gentium, 1–8).

Auch die Griechisch-Katholische Kirche Rumäniens trägt ihre Wurzeln im Wort Gottes, in der Lehre der Väter und in der byzantinischen Tradition. Aber sie findet auch einen ihr eigentümlichen besonderen Ausdruck in der Union mit dem Hl. Stuhl, im Leiden der Verfolgungen des zwanzigsten Jahrhunderts und darüber hinaus auch durch die lateinische Kultur seines Volkes. Aus all diesen Elementen resultiert schließlich die Identität Eurer Kirche, deren tiefste Wurzel die Allerheiligste Dreifaltigkeit ist. Sie ist der eigentliche Ursprung und die Quelle »von lebendigem Wasser« (Joh 7,38), zu der man immer wieder zurückkommen muß.

Es ist meine feste Überzeugung, daß die Rückkehr zum Ursprung der kirchlichen Traditionen auch von einer beständigen und innigen Rückkehr zur Quelle der Dreifaltigkeit begleitet sein muß. Das kann vor allem durch das Wiedererlangen jener tiefen Innigkeit in uns allen erfolgen, die im Gebet ihren Ausdruck findet. Das Gebet verleiht Kraft und erhellt den Weg des Menschen. Im tiefen Schweigen der Gebetserfahrung kann man dazu gelangen, das wahre Profil der Kirche in ihrer authentischen und ewigen Identität wiederzuerkennen. Auch kann man jenen Namen entdecken, der allein Gott bekannt ist und der die einzig wahre Identität eines jeden Christen darstellt. Deshalb ist das Jubiläum des Jahres 2000 sowie die Dreihundertjahrfeier der Union Eurer Kirche mit Rom eine Zeit des Gebetes, zu der uns Gott selbst einlädt.

Die allerseligste Gottesmutter möge uns erleuchten und begleiten, sie, die stets die vollkommene Ikone der Kirche und unsere Fürsprecherin vor dem Throne Gottes ist.

In diesem Sinne erteile ich meinem verehrten Bruder in Christo Alexandru Kardinal Todea, dem emeritierten Metropolitanerzbischof von Fãgãras und Alba Julia, sowie dem amtierenden Metropolitanerzbischof Lucian Mures¸an und allen anderen Brüdern im Bischofsamt, den Priestern, Ordensleuten und Euch allen, geliebte Brüder der Griechisch-Katholischen Kirche Rumäniens, den gnadenreichen Apostolischen Segen.

Aus dem Vatikan, am 7. Mai des Jahres 2000, im 22. Jahr meines Pontifikates.

IOANNES PAULUS PP. II

    

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