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JOHANNES PAUL II. 

GENERALAUDIENZ  

Mittwoch, 30. August 2000

 

Die »metánoia« als Folge der Begegnung mit Christus

Liebe Schwestern und Brüder!

1. Der Psalmist verkündet: »Mein Elend ist aufgezeichnet bei dir« (Ps 56,9). Dieser kurze und prägnante Satz beinhaltet die Geschichte des Menschen, der in der Wüste der Einsamkeit, des Bösen und der geistlichen Trockenheit umherirrt. Durch die Sünde hat er die wunderbare Harmonie zerstört, mit der Gott die Schöpfung ursprünglich ausgestattet hatte: »Gott sah alles an, was er gemacht hatte: Es war sehr gut«, so gibt es uns eine bekannte Stelle aus dem Buch Genesis zu verstehen (Gen 1,31). Dennoch steht Gott seinem Geschöpf nie fern, sondern er bleibt in seinem Innersten gegenwärtig, nach einem schönen Ausspruch des hl. Augustinus: »Wo also warest du nur damals und in welcher Ferne? Weit von dir zog ich in der Fremde umher…Du aber warst innerlicher als mein Innerstes und höher als mein Höchstes« (Bekenntnisse, III,6; Bibliothek der Kirchenväter, Bd. 18, Kempten/München 1914, S. 48).

Doch bereits der Psalmist hatte in einem großartigen Hymnus die vergebliche Flucht des Menschen vor seinem Schöpfer beschrieben: »Wohin könnte ich fliehen vor deinem Geist, wohin mich vor deinem Angesicht flüchten? Steige ich hinauf in den Himmel, so bist du dort; bette ich mich in der Unterwelt, bist du zugegen. Nehme ich die Flügel des Morgenrots und lasse mich nieder am äußersten Meer, auch dort wird deine Hand mich ergreifen und deine Rechte mich fassen. Würde ich sagen: ›Finsternis soll mich bedecken, statt Licht soll Nacht mich umgeben‹, auch die Finsternis wäre für dich nicht finster, die Nacht würde leuchten wie der Tag, die Finsternis wäre wie Licht« (Ps 139,7–12).

2. Mit besonderer Beharrlichkeit und Liebe macht sich Gott auf die Suche nach dem widerspenstigen Sohn, der versucht, seinem Blick weit zu entfliehen. Gott hat sich durch seinen Sohn Jesus Christus, der sich bei seinem Eintritt in die Geschichte als »das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt«, zu erkennen gab, auf die verschlungenen Wege der Sünder begeben. Die ersten Worte, die er in der Öffentlichkeit sprach, lauteten: »Kehrt um! Denn das Himmelreich ist nahe« (Mt 4,17). Es taucht hier ein wichtiger Begriff auf, den Jesus wiederholt durch Worte und Taten veranschaulichen wird: »Kehrt um«, auf griechisch »metanoéite«, d.h. vollzieht in euch eine »metánoia«, also einen radikalen Wandel der Gesinnung und des Herzens. Hierzu muß man das Böse hinter sich lassen und in das Reich der Gerechtigkeit, der Liebe und der Wahrheit, das sich uns eröffnet, eintreten.

Die Trilogie der Parabeln von der göttlichen Barmherzigkeit, die Lukas in Kapitel 15 seines Evangeliums anführt, stellt am eindrucksvollsten die aktive Suche und die liebevolle Erwartung Gottes gegenüber der durch die Sünde verwundeten Kreatur dar. Der Mensch vollzieht die »metánoia«, also die Umkehr. So kehrt er wie der verlorene Sohn zurück, um den Vater zu umarmen, der ihn niemals vergessen oder gar verlassen hätte.

3. Der hl. Ambrosius verweist in seinem Kommentar zu dieser Parabel über den Vater, der verschwenderisch ist in seiner Liebe zum Sohn, der sich in Sünde verloren hat, auf die Gegenwart der Dreifaltigkeit: »Steh denn auf, eile zur Kirche! Hier weilt der Vater, hier weilt der Sohn, hier weilt der Heilige Geist. Da kommt dir der Vater entgegen, der dich heimlich im Geiste überlegen und sprechen hörte. Und schon von ferne sieht er dich und eilt herbei: er sieht sich in deinem Herzen um, eilt herbei, daß niemand dir wehre, daß niemand ihn hindere, und schließt dich desgleichen in seine Arme… Um den Hals fällt er ihm, um den am Boden Liegenden aufzuheben, den von Sündenlast Beschwerten und zum Irdischen Niedergebeugten wiederum gen Himmel aufzurichten, wo selbst er seinen Schöpfer suchen soll. Um den Hals fällt dir Christus, um deinen Nacken vom Joch der Knechtschaft zu befreien und deinem Hals ein süßes Joch aufzulegen« (Lukaskommentar, VII., 229–230; BKV, Bd. 21, Kempten/ München 1915, S. 746f.).

4. Die Begegnung mit Christus verändert die Existenz eines Menschen. Dies lehrt uns die Geschichte des Zachäus, von der wir zu Beginn gehört haben. Vergleichbares widerfuhr auch den Sündern und Sünderinnen, die Jesus auf ihren Wegen begegnet sind. Vom Kreuz herab wird dem Verbrecher ein letzter Akt des Verzeihens und der Hoffnung zuteil, als er – an der äußersten Grenze zwischen Leben und Tod angelangt – seine »metánoia« vollbringt und zu seinem Gefährten spricht: »Uns geschieht recht, wir erhalten den Lohn für unsere Taten« (Lk 23,41). Jesus gibt ihm, als er ihn anfleht: »Jesus, denk an mich, wenn du in dein Reich kommst«, zur Antwort: »Amen, ich sage dir: Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein« (Lk 23,42–43). Somit endet die Sendung Christi auf Erden, die mit der Einladung begonnen hatte, umzukehren, um ins Reich Gottes gelangen zu können, mit der Bekehrung und dem Eingehen eines Menschen in sein Reich.

5. Auch die Sendung der Apostel nahm ihren Anfang mit einer eindringlichen Einladung zur Umkehr. Petrus gab den Hörern seiner ersten Rede, die sich von seinen Worten ins Herz getroffen fühlten und ängstlich fragten: »Was sollen wir tun?«, zur Antwort: »Kehrt um, und jeder von euch lasse sich auf den Namen Jesu Christi taufen zur Vergebung seiner Sünden; dann werdet ihr die Gabe des Heiligen Geistes empfangen« (Apg 2,37–38). Diese Antwort des Petrus wurde bereitwillig aufgenommen: »etwa dreitausend Menschen« bekehrten sich an jenem Tag (vgl. Apg 2,41). Nach der wunderbaren Heilung eines Gelähmten erneuerte Petrus seine Ermahnung. Er erinnerte die Bürger Jerusalems an ihre schreckliche Sünde: »Ihr aber habt den Heiligen und Gerechten verleugnet…Den Urheber des Lebens habt ihr getötet…« (Apg 3,14–15), jedoch minderte er ihre Schuld ab, als er sagte: »Nun, Brüder, ich weiß, ihr habt aus Unwissenheit gehandelt« (Apg 3,17). Dann rief er sie zur Umkehr auf (vgl. 3,19) und sprach ihnen eine grenzenlose Hoffnung zu: »Für euch zuerst hat Gott seinen Knecht erweckt und gesandt, damit er euch segnet und jeden von seiner Bosheit abbringt« (3,26).

Auf ähnliche Weise verkündete der Apostel Paulus die Umkehr. In seiner Verteidigungsrede vor König Agrippa beschreibt er sein Apostolat mit folgenden Worten: bei allen, und auch »bei den Heiden [habe ich] verkündet, sie sollten umkehren, sich Gott zuwenden und der Umkehr entsprechend handeln« (Apg 26,20, vgl. 1 Thess 1,9–10). Paulus lehrte, »daß Gottes Güte…[uns] zur Umkehr treibt?« (Röm 2,4). In der Offenbarung ist es Christus selbst, der uns wiederholt zur Umkehr aufruft. Diese Ermahnung, die aus Liebe ausgesprochen wird (vgl. Offb 3,19), ist kraftvoll und läßt die ganze Dringlichkeit der Umkehr erkennen, obgleich sie begleitet wird von wunderbaren Verheißungen der Vertrautheit mit dem Heiland (vgl. 3,20–21).

Somit steht allen Sündern stets eine Pforte der Hoffnung offen: »…der Mensch wird nicht allein gelassen, wenn er auf tausenderlei Weise und oft vergebens eine ihm unmögliche Erklimmung des Himmels versucht: da gibt es einen ruhmreichen Tabernakel, nämlich die allerheiligste Person Jesu, des Herrn, wo sich Göttliches und Menschliches in einer Umarmung begegnen, die niemals aufgelöst werden kann: das Wort ist Fleisch geworden, in allem uns ähnlich außer der Sünde. Er senkt die Gottheit in das kranke Herz der Menschheit und, indem es den Geist des Vaters ausgießt, befähigt es sie, durch Gnade Gott zu werden« (Orientale lumen, 15).

Friedensappell des Papstes für Burundi 

Am vergangenen Montag, dem 28. August, wurde in Arusha in Tansania ein Teilabkommen zur Friedenssicherung in der geliebten Nation Burundi unterzeichnet, die sieben absurde Jahre des Bürgerkrieges hindurch mit Blut befleckt wurde. 

Ich lade euch ein,dafür zu beten,daß der Wunsch jener Bevölkerungsgruppen nach Wiederversöhnung von allen Beteiligten sowie von den Nachbarstaaten angenommen werde und man bald zu einem stabilen und dauerhaften Frieden gelangen möge. 


Wer auf seinem Lebensweg Jesus Christus begegnet, bei dem muß sich etwas ändern: Bekehrt euch! Diese Einladung durchzieht die Verkündigung Jesu und der Kirche von Anfang an.

Wir haben vorher von der Bekehrung des Zachäus gehört. Jesus ruft ihn vom Baum herunter. Das Leben des Zöllners bekommt eine neue Richtung. Die Umkehr durchkreuzt alle menschlichen Pläne und streicht den Egoismus durch. Bei Jesus gibt es keinen hoffnungslosen Fall. Selbst dem Verbrecher, der neben Jesus am Kreuz hängt, schlägt die Stunde der göttlichen Gnade. Da er Reue zeigt, verspricht Jesus ihm das Paradies.

Gerade jetzt im Heiligen Jahr steht das Tor der Hoffnung weit offen. Die Kirche lädt uns zur Umkehr ein in das Haus Gottes, wo der Vater uns mit offenen Armen entgegenkommt.

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Gern grüße ich die Pilger und Besucher deutscher Sprache. Besonders heiße ich die Wallfahrtsgruppe willkommen, die von der Bruderschaft vom gemeinsamen Leben und vom Ökumenischen Lebenszentrum Ottmaring organisiert wurde. Ebenso grüße ich die Ministranten vom Münchener Liebfrauendom sowie die Pilger aus Leutkirch, die sich mit dem Fahrrad auf den Weg nach Rom gemacht haben. Die Türen zum Haus Gottes stehen allen offen! Wir brauchen nur einzutreten. Für diesen Schritt erteile ich Euch, Euren Lieben daheim und allen, die mit uns über Radio Vatikan und das Fernsehen verbunden sind, den Apostolischen Segen.

 

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