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HEILIGE MESSE AM PÄPSTLICHEN NORDAMERIKA-KOLLEG

PREDIGT VON PAPST JOHANNES PAUL II.

22. Februar 1980

 

1. "Du bist der Messias", antwortete Simon Petrus, "der Sohn des lebendigen Gottes" (Mt 16, 16)!

Diese Worte persönlichen Glaubens und göttlicher Inspiration kennzeichnen den Beginn der Sendung des Petrus in der Geschichte des Gottesvolkes. Diese Worte sind auch ein Zeichen für den Beginn einer neuen Ära in der Heilsgeschichte. Von dem Augenblick an, in dem diese Worte in Cäsarea Philippi gesprochen wurden, ist die Geschichte des Gottesvolkes mit dem Mann verknüpft, der sie gesprochen hat: "Du bist Petrus, und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen" (Mt 16, 18).

Diese Worte haben für mich eine besondere Bedeutung. Sie bringen zum Ausdruck, was der Kern meiner Sendung als Nachfolger des Petrus am Ende des zwanzigsten Jahrhunderts ist. Jesus Christus ist der Mittelpunkt des Universums und der Geschichte. Er allein ist der Erlöser jedes einzelnen Menschen. In Gottes unergründlicher Vorsehung bin ich dazu auserwählt worden, die Sendung des Petrus fortzuführen und mit gleicher Überzeugung zu wiederholen: "Du bist der Messias der Christus , der Sohn des lebendigen Gottes." Nichts in meinem Leben und meinem Dienst kann vor dieser Sendung den Vorrang haben: vor dem Auftrag, allen Völkern Christus zu verkünden, von seiner wunderbaren Güte zu sprechen, von seiner rettenden Macht zu erzählen und jedem Mann und jeder Frau zu versichern, daß jeder, der an Christus glaubt, nicht sterben, sondern das ewige Leben haben wird (vgl. Joh 3, 16).

Meine Brüder und Söhne in Christus, die Worte des Petrus in Cäsarea Philippi haben auch für euch eine besondere Bedeutung. Auch euer Leben muß in Christus verwurzelt und auf ihm aufgebaut sein (vgl. Kol 2, 7). Denn wegen Christus, um Christi willen und für Christus wollt ihr dem Gottesvolk als Priester dienen. Deshalb muß eure Kenntnis von Christus und eure Liebe zu ihm unentwegt wachsen und sich vertiefen. Ihr müßt Männer eines starken Glaubens sein, die aus einer durch die Eucharistie, das Stundengebet und das tägliche persönliche Gebet genährten, tiefen Freundschaft mit Jesus leben, mit ihm, der zu seinen Jüngern sagte: "Ich nenne euch nicht mehr Knechte ... Vielmehr habe ich euch Freunde genannt" (Joh 15, 15). Und daher müssen immer und überall eure ersten Gedanken ihm gelten, der der Christus ist, der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes.

2. Das Fest der Kathedra Petri ist durch ein glückliches Zusammentreffen auch der Geburtstag von George Washington, eurem ersten Präsidenten. Diese beiden Ereignisse sind gewissermaßen der Grund dafür, daß ich heute zu euch gekommen bin. Es war mein Wunsch, als Bischof von Rom die verschiedenen Kollegien der Stadt zu besuchen; aber ich bin in das Nordamerika-Kolleg besonders deshalb gekommen, um sozusagen meinen Besuch in den Vereinigten Staaten zu verlängern. Heute abend verkörpert ihr für mich die Kirche in den Vereinigten Staaten: ihr, meine Brüder im Bischofsamt, und ihr, die Gemeinschaft in Rom, die als Nordamerikanisches Kolleg auf dem Gianicolo und in der Via dell’Umiltà bekannt ist. In euch allen und durch euch grüße ich noch einmal das Volk von Amerika.

Ich möchte bei dieser Gelegenheit über das sprechen, was ich bei der Vorbereitung auf das Priesteramt für äußerst wichtig halte, und in diesem Zusammenhang einige Punkte wiederholen, die ich während meines Besuches in eurem Land hervorgehoben habe.

3. Die erste Priorität im Seminarleben ist das Wort Gottes. Gottes Wort ist die Mitte allen theologischen Studiums; es ist das wichtigste Instrument für die Überlieferung der christlichen Lehre und die immerwährende Quelle des geistlichen Lebens (vgl. Apostolische Konstitution Missale Romanum, 3. April 1969). In einer Ansprache an Seminaristen in Amerika sagte ich: "Die intellektuelle Ausbildung des Priesters, die für die Zeit, in der wir leben, so entscheidend ist, umfaßt eine Reihe Humanwissenschaften ebenso wie die verschiedenen geistlichen Wissenschaften. Sie alle nehmen in eurer Vorbereitung auf das Priestertum einen bedeutenden Platz ein. Doch die erste Priorität für heutige Seminaristen ist die Lehre des Wortes Gottes in seiner ganzen Reinheit und Unversehrtheit, mit allen seinen Forderungen und mit seiner ganzen Kraft" (Ansprache am Seminar Saint Charles in Philadelphia, 4. Oktober 1979).

Ich hoffe, daß ihr in eurer Verehrung für das Wort Gottes Maria gleicht Maria, deren Antwort auf Gottes Wort lautete: "Fiat": "Mir geschehe, wie du gesagt hast" (Lk 1, 38); Maria, "die geglaubt hat, daß sich erfüllt, was der Herr ihr sagen ließ" (Lk 1, 45); Maria, die alles, was ihr über ihren Sohn gesagt worden war, in ihrem Herzen bewahrte und darüber nachdachte (vgl. Lk 2, 19). Mögt ihr Gottes Wort stets in euren Herzen bewahren und jeden Tag darüber nachdenken, damit euer ganzes Leben zu einer Verkündigung Christi, des menschgewordenen Wortes werde (vgl. Joh 1, 14).

4. Die Verkündigung des Wortes Gottes erreicht ihren Höhepunkt in der Feier der Eucharistie. So sind wirklich alle eure persönlichen Bemühungen und alles, was die Seminargemeinschaft tut, aufs engste mit dem eucharistischen Opfer verknüpft und auf dieses hingeordnet: "Die heiligste Eucharistie enthält ja das Heilsgut der Kirche in seiner ganzen Fülle, Christus selbst, unser Osterlamm, und das lebendige Brot" (Presbyterorum ordinis, Nr. 5). Ich lege euch daher eindringlich ans Herz: Macht die Messe jeden Tag zum wirklichen Mittelpunkt eures Lebens. Und ich empfehle euch, regelmäßig einige Zeit im Gebet vor dem Allerheiligsten Sakrament zuzubringen in Anbetung unseres Herrn und Erlösers Jesus Christus.

5. Das Seminarleben sollte auch von einer Atmosphäre der Sammlung gekennzeichnet sein, die es einem jeden von euch ermöglicht, sich Gewohnheiten des Studiums und des Gebetes für das ganze Leben anzueignen und die inneren Haltungen selbstloser Hingabe, der Großherzigkeit und des freudigen Gehorsams zu entwickeln Haltungen, die bei einem Priester notwendig sind. Denn ein Priester ist wahrhaft dazu berufen, sich den Geist und das Herz Christi zu eigen zu machen (vgl. Phil 2, 5), den Sohn, der "durch Leiden den Gehorsam gelernt hat" (Hebr 5, 8), nachzuahmen und mit Jesus zu sagen: "Es geht mir nicht um meinen Willen, sondern um den Willen dessen, der mich gesandt hat" (Joh 5, 30). Gesunde Disziplin im Seminar schafft, wenn sie richtig geübt wird, jene Atmosphäre der Sammlung, die euch hilft, euch auf ein Leben ständiger Umkehr und großherzigen Dienstes vorzubereiten. Sie wird euch, wie ich in Philadelphia sagte, besonders dabei eine Hilfe sein, "Tag für Tag in euren Herzen den Gehorsam zu vollziehen, den ihr Christus und seiner Kirche schuldet".

6. Heute vor zehn Jahren besuchte mein geliebter Vorgänger Paul VI. das Nordamerikanische Kolleg. Bei dieser Gelegenheit sprach er von dem besonderen Wert der Vorbereitung auf das Priesteramt hier in Rom. "Euer Aufenthalt hier in Rom", sagte er, "ist weder zufällig noch unwichtig. Er ist kein bloßer Zufall ... Er ist etwas, das für eure geistliche Ausbildung wohl erwogen und gewollt wurde, für eure Vorbereitung auf ein priesterliches Dienstamt, für einen zukünftigen Dienst an der Kirche und euren Landsleuten".

Wenn ihr euch manchmal wundert, weshalb die amerikanischen Bischöfe dieses Kolleg in Rom errichtet und beibehalten haben oder warum die katholischen Gläubigen der Vereinigten Staaten seit mehr als einem Jahrhundert finanzielle Hilfe leisten und Opfer bringen, um euch und vielen anderen die Möglichkeit zu verschaffen, sich in Rom auf das Priestertum vorzubereiten, so ist die Antwort in den Worten des Petrus in Cäsarea Philippi zu finden. Sie ist eng mit dem Geheimnis der Sendung des Petrus in der Universalkirche verknüpft. Hier in Rom ist die Universalität und reiche Vielfalt der Kirche deutlicher zu sehen als anderswo; hier wird die apostolische Tradition der Kirche als eine lebendige Wirklichkeit und nicht bloß als ein Relikt aus der Vergangenheit zu einem bewußten Teil eurer Glaubenssicht; und hier in Rom begegnet ihr dem Nachfolger Petri, der bemüht ist, Treue zu Christus zu beweisen, indem er alle seine Brüder im Glauben stärkt.

7. Ich möchte diese Gelegenheit auch wahrnehmen, um einen besonderen Gruß an Kardinal Baum zu richten, der erst vor kurzem nach Rom gekommen ist, um die schwere Aufgabe der Leitung der Kongregation für das katholische Bildungswesen zu übernehmen. Zu seinen zahlreichen Verantwortlichkeiten wird auch die Förderung der echten Erneuerung des Lebens in den Seminaren Roms und überall in der Welt gehören. Keiner anderen seiner Verantwortlichkeiten wird größere Bedeutung zukommen. In vollem Einklang mit dieser meiner Überzeugung stehen die folgenden Worte, die ich in meinem Brief zum Gründonnerstag 1979 an die Bischöfe der Kirche geschrieben habe: "Das kraftvoll erneuerte Leben der Seminare in der ganzen Kirche wird die stärkste Probe für die Verwirklichung jener Erneuerung sein, die das Konzil in der Kirche eingeleitet hat."

8. In Christus geliebte Brüder und Söhne: ihr habt in meinen Gedanken und Gebeten einen besonderen Platz, und ich blicke voll Zuversicht auf euch. Denn ich sehe eure Jugend und eure Aufrichtigkeit, eure Kraft und euer Verlangen, zu dienen. Ich sehe eure Freude und eure Liebe zu Christus und zu seinem Volk. All das gibt mir Hoffnung, daß die echte Erneuerung der Kirche, die mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil einsetzte, auch tatsächlich vollendet werden wird. Ja, euer Leben bringt große Verheißung für die Zukunft der Kirche, für die Zukunft der Evangelisierung der Welt, vorausgesetzt, daß ihr treu bleibt: treu dem Wort Gottes, treu der Eucharistie, treu dem Studium und dem Gebet, treu dem Herrn, der dieses gute Werk in euch begonnen hat und der es auch vollenden wird (vgl. Phil 1, 6).

Liebe Brüder und Söhne! Laßt uns miteinander seinen Namen preisen und laßt uns durch Wort und Tat heute und immer verkünden, daß Jesus der Christus ist, der Sohn des lebendigen Gottes.

 

 

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