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BESUCH IM PÄPSTLICHEN TEUTONISCHEN INSTITUT
"SANTA MARIA DELL’ANIMA"

PREDIGT VON JOHANNES PAUL II.

Kirche "Santa Maria dell’Anima" - Sonntag, 24. Juni 1990

 

Liebe Brüder im Bischofs- und Priesteramt!
Liebe Schwestern und Brüder!

Mit großer Freude habe ich die Einladung angenommen, das Priesterkolleg Santa Maria dell’Anima sowie die Pfarrgemeinde deutschsprachiger Katholiken in Rom zu besuchen und mit Euch allen das Hochfest der Geburt Johannes des Täufers zu begehen.

Mein herzlicher Gruß gilt den Vertretern der Deutschen und der österreichischen Bischofskonferenz, dem Herrn Rektor und den Priestern des Kollegs sowie den Repräsentanten der Länder, deren Katholiken hier ihre geistliche Heimat finden; ferner den Mitgliedern des Verwaltungsrates der Anima-Stiftung und allen Gläubigen der deutschsprachigen Gemeinde mit ihrem Herrn Kuraten.

Das heutige Fest stellt uns die überragende Gestalt Johannes des Täufers vor Augen, den Gott berufen hat, Christus den Weg zu bereiten. Mit seinem Wirken sollte die Zeit des Heils, die Zukunft Gottes anbrechen.

Unser Blick geht zum Bild des Giulio Romano über dem Hochaltar dieser Kirche: es stellt die heilige Familie dar, dazu den noch kleinen Johannes den Täufer, den Apostel Jakobus und den Evangelisten Markus, diese aber als erwachsene Männer.

Johannes der Täufer weist mit seiner linken Hand lebhaft auf das Jesuskind hin, das in seiner kindlichen Schwäche dargestellt ist. Auf die Frage der Verwandten und Nachbarn von Elisabeth und Zacharias: ”Was wird wohl aus diesem Kind werden?“ scheint uns das Bild eine Antwort zu geben: Johannes der Täufer weist mit seiner ganzen Gestalt den neben ihm stehenden Besucher Jakobus auf Jesus hin; das Bewußtsein seiner Kleinheit beugte ihn tief: Ich bin nicht wert, ihm, der nach mir kommt, aber vor mir ist, die Schuhriemen aufzulösen. Dieses Wort hat nichts mit falscher Demut zu tun. Dazu ist der Täufer zu gerade und zu nüchtern. Er hat die menschliche Ohnmacht sicher besser erkannt als die meisten Menschen.

Der Bußprediger, der die Menschen von innen her erfaßt, der sie in ihrem Festgefahrensein erschüttert und sie umgestaltet, der sie aus der Oberflächlichkeit rein diesseitiger materialistischer Haltung herausreißt, er gehört noch dem Alten Bunde an, er ist nur Wegweiser zum Reiche Gottes; und dieses Reich Gottes ist nahe, hört man die Stimme des Rufers in der Wüste. Die Demut des Täufers ist echt. Gott aber hat die Kleinheit des Täufers überhöht mit der Größe der übertragenen Aufgabe, ja, er hatte ihn schon im Mutterschoß zu sich emporgehoben; denn noch ehe er geboren war, war er ”wiedergeboren“ aus dem Geiste Christi. Menschliche Größe ist ein Nichts im Vergleich zum Kleinen, der an Gottes Größe und Heiligkeit teilhaben darf.

Für uns Priester ist Johannes ein Vorbild. Er sucht nichts für sich, sondern alles für den, auf den er hinweist. Das Kind stellt gleichsam schon das uns im vierten Evangelium überlieferte Wort dar: ”Er muß wachsen, ich aber abnehmen“. Johannes sollte die Menschen zu Jesus hinführen und Zeugnis ablegen.

Ihr, liebe Priester des Animakollegs, wohnt hier, um in Rom Eure Studien weiterzuführen oder eine Spezialausbildung zu absolvieren. Ihr kehrt nach Abschluß des Studiums in Eure Heimatdiözesen zurück, um Euch in besonderer Weise in den Dienst Eurer Bischöfe zu stellen.

Auch Ihr sollt, bestärkt und bereichert durch Eure Zeit in Rom, Zeugnis ablegen. Beim Betreten Eurer Kirche stoßen wir auf viele Spuren und Glaubenszeugnisse der Geschichte der verschiedenen Volksstämme, die einst das ehemalige Heilige Römische Reich deutscher Nation bildeten. Papst Pius IX., hat am 25. November 1860 das damals neu gegründete Priesterkolleg besucht. Wir finden ferner das Grab des für lange Zeit letzten Papstes, der nicht italienischer Herkunft war, des Niederländers Hadrian VI.

”Was wird wohl aus unserem guten Werk werden?“, so haben sich möglicherweise auch die Stifter von Santa Maria dell’Anima Johannes Peters und seine Frau Katharina aus Dordrecht im 14. Jahrhundert gefragt, als sie ein ”Hospiz für Personen der deutschen Nation“ gründeten. Durch Gottes Gnade und die Hilfe und Mitarbeit vieler großmütiger Menschen ist aus den kleinen Anfängen ein ansehnliches Werk geworden, das zahllosen Pilgern Obdach und Hilfe geboten hat. Santa Maria dell’Anima ist heute noch das Zentrum der deutschsprachigen Katholiken, das in der weit auseinanderstrebenden Stadt Rom die Gläubigen zusammenzuführen sucht, um ihnen Halt zu geben und sie zum Zeugnis für Christus aufzurufen und zu stärken.

Johannes und seine Lebensgeschichte ist wie ein Transparent, auf dem ein Name und eine Wahrheit angezeigt wird. Es bleibt dunkel, solange nicht dahinter eine Lichtquelle entzündet wird. So sagt auch das Evangelium von Johannes: ”Er war nicht selbst das Licht, er sollte nur Zeugnis geben von dem Licht“. Gottes Licht ist entscheidend in seinem Leben und Auftrag. Dank seines Lichtes sollen wir sehend werden, um den Willen Gottes zu erkennen. Dieser ist oft gegen unseren eigenen Wunsch und gegen unseren eigenen Willen. Bei der Namensgebung für den neugeborenen Johannes anläßlich der Beschneidung sollte die Tradition maßgebend sein; er sollte nach seinem Vater benannt werden. Aber Elisabeth entschied anders. Sie kannte den Willen Gottes und gab ihrem Kind den Namen ”Johannes“, das heißt ”Gott erweist sich gnädig“.

Warum sollte das nur damals so sein?

Wir alle können im Leben die Macht und Güte Gottes erfahren, wenn wir ihm vertrauen und ernsthaft versuchen, seinen Willen zu tun. Das aber erfordert von uns Demut und das Bewußtsein, daß der Mensch nicht das Maß aller Dinge ist. Wir dürfen uns nicht selbst als Maßstab allen Denkens, aller Moral und allen Rechtes betrachten. Wir erliegen nur allzu leicht dem Bewußtsein, daß alles machbar ist, Himmel und Erde, ja sogar der Mensch selbst, und zwar nach unserem eigenen Bild und Gleichnis. Was dem Menschen heutzutage jedoch abgeht, ist eine Haltung der Demut, denn zu keiner Zeit war der Mensch tiefer in die Untermenschlichkeit gesunken als heute. Wie kann er zum Beispiel das Leben gerade dann, wenn es seines Schutzes am meisten bedürfte, geringschätzen? Menschsein muß zur Tragödie werden, wenn der Mensch immer nur versucht, aus eigener Kraft sich über sich selbst in Gottes Höhe zu erheben. Dem folgt notwendigerweise der Sturz in die Tiefe. Gott selbst muß kommen und uns erlösen. Und er kam in dem, auf den Johannes verwiesen hat: Seht, das Lamm Gottes, das hinwegnimmt die Sünde der Welt. Christus allein kann den Höhenflug des Menschen tragen und erhöhen, weil er ihn in Gottes Höhe holt. Er allein kann die wahre Größe verleihen und verleiht sie gern dem Niedrigen, der sich selbst verleugnet und ihm nachfolgt. Nicht gegen Gott, sondern in Gott hat des Menschen Größe Gültigkeit und Ewigkeit.

Was die Stifter von Santa Maria dell’Anima nicht voraussehen und erwarten konnten, ist eingetreten: durch die Gnade Gottes ist aus dem kleinen Samenkorn ein großer Baum geworden, der durch die Jahrhunderte gewachsen ist. Das Priesterkolleg wie auch die Gemeinde mögen auch in Zukunft mutig und kraftvoll Zeugnis ablegen von Christus. Mögen die vielen Priester, die hier zur Zeit ihrer Studien gelebt haben, auch weiterhin das geistliche und kirchliche Leben ihrer Heimat befruchten. Mögen die vielen Pilger aus dem Norden und der Mitte Europas in der ”Ewigen Stadt“ ihre Heimat finden. Möge auch weiterhin die deutschsprachige Gemeinde in Rom, die hier ihr Zentrum hat, blühen und gedeihen. Das gewähre auf die Fürsprache der heiligen Gottesmutter der Allmächtige und gütige Gott.

Amen.

 

© Copyright 1990 - Libreria Editrice Vaticana

 



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