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SCHREIBEN VON JOHANNES PAUL II.
AN DEN PRÄSIDENTEN DES PÄPSTLICHEN RATES
ZUR FÖRDERUNG DER EINHEIT DER CHRISTEN


   
Meinem verehrten Bruder
Kardinal EDWARD IDRIS CASSIDY
Präsident des Päpstlichen Rats für die Förderung der Einheit der Christen

»Die Liebe hört niemals auf« (1 Kor 13,8). Dieses deutliche und überzeugte Wort des Apostels beseelt und stützt das Engagement der katholischen Kirche in ihren Beziehungen zu den orthodoxen Kirchen und stellt außerdem sogar eine grundsätzliche Orientierung für den theologischen Dialog dar.

Wegen des Krieges im Balkan ist es leider nicht möglich gewesen, die vorgesehene Vollversammlung der »Internationalen Gemischten Kommission für den theologischen Dialog zwischen der katholischen Kirche und der orthodoxen Kirche in ihrer Gesamtheit« durchzuführen, die für den Monat Juni in Baltimore geplant war. Mit aufrichtigem Bedauern entschieden beide Seiten einvernehmlich, dieses Treffen auf das nächste Jahr zu verschieben, denn ein für den Dialog so wichtiges Ereignis muß sich auf die Anwesenheit aller Beteiligten stützen können und in einem Klima ablaufen, das zur Schaffung der nötigen Voraussetzungen für ein abgeklärtes Streben nach der Wahrheit geeignet ist.

Wenn einerseits die Verschiebung der Vollversammlung dieser Kommission verdeutlicht hat, daß die Gegebenheiten der Geschichte auch dem theologischen Dialog ihre Bedingungen auferlegen können, so spornt sie doch andererseits zu der entschlosseneren Absicht an, diesen Weg weiterzugehen – dem Willen des Herrn gehorsam und im Vertrauen auf die stete Unterstützung durch den Heiligen Geist.

Auf der Schwelle zum nunmehr dritten Jahrtausend der christlichen Zeitrechnung müssen die ökumenischen Bemühungen von einem neuen und brennenden Eifer beseelt sein. Wer Hand an dieses Werk legt, ist aufgerufen, entschlossen nach seiner Erfüllung zu streben, ohne vor den Schwierigkeiten haltzumachen.

In den letzten Jahren hat sich der Dialog zwischen den Mitgliedern der Gemischten Kommission mit einem schwierigen Problem auseinandergesetzt, das von den historischen Gegebenheiten und von den im zweiten christlichen Jahrtausend entstandenen Spaltungen verursacht wurde.

Ich möchte Sie, verehrter Bruder, und die Kommissionsmitglieder einladen, mit großem Feingefühl und Verständnis über die gegenwärtigen Beziehungen zwischen den orthodoxen Kirchen und den katholischen Ostkirchen nachzudenken – in dem Bewußtsein, daß diese letzteren vor der katholischen Kirche dieselbe Würde aller anderen Kirchen besitzen, die in voller Gemeinschaft mit dem Bischof von Rom sind, daß sie dieselben Rechte genießen und dieselben Verpflichtungen haben (vgl. Orientalium Ecclesiarum, 3).

Man wird zum Abschluß dieser delikaten Phase des Dialogs kommen müssen und sich dafür einsetzen, mit Geduld, brüderlichem Geist und Wahrheitsliebe nach einem gemeinsamen Verständnis zu suchen, das der Kommission die Wiederaufnahme ihres ursprünglichen theologischen Programms ermöglicht. Nicht nur darf der Dialog nicht stillstehen, sondern er muß mit neuer Intensität weitergehen, damit das Zeugnis der Anhänger Christi in der heutigen Welt, auf der Schwelle zum dritten Jahrtausend, noch heller leuchtet.

Ich fordere daher diesen Päpstlichen Rat auf, nach Mitteln und Wegen zu suchen, um die Beziehungen zu jeder der orthodoxen Kirchen so herzlich und konstruktiv wie möglich zu gestalten und die nötigen Voraussetzungen zu schaffen, damit der theologische Dialog die aus der sakramentalen Struktur der Kirche stammenden ekklesiologischen und kanonistischen Folgerungen ziehen kann.

Mein Wunsch ist, daß diese Bemühungen zu einer schrittweisen Überwindung der noch bestehenden Schwierigkeiten führe und den Jüngern Christi dabei helfe, entschlossen den Weg zur vollen Gemeinschaft zu gehen.

Wenn ich diese meine Wünsche Ihnen als Vorsitzenden des Päpstlichen Rates für die Förderung der Einheit der Christen äußere, so möchte ich dadurch noch einmal die entschiedene Absicht des Hl. Stuhls zur beharrlichen Fortsetzung des katholisch- orthodoxen Dialogs in Liebe und Wahrheit zum Ausdruck bringen. Der Heilige Geist erleuchte und leite den Weg und nähre die Hoffnung, die auf dem Gebet des Herrn für seine Jünger fußt: »Ut unum sint

Ich bitte um die mütterliche Fürsprache der Theotokos, damit sie das unternommene Werk unterstütze, und sende Ihnen gerne den Apostolischen Segen.

Aus dem Vatikan, 20. Mai 1999

  



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