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BOTSCHAFT VON PAPST JOHANNES PAUL II.
ZUM GRÜNDUNGSJUBILÄUM DES EUROPÄISCHEN
GERICHTSHOFES UND DER
EUROPÄISCHEN MENSCHENRECHTSKOMMISSION


 

Herrn
GIORGIO BALLADORE PALLIERI
Präsident des Europäischen Gerichtshofes
für Menschenrechte

und Herrn
JAMES E. S. FAWCETT
Präsident der Europäischen Menschenrechtskommission

Originalität und Stärke der Europäischen Menschenrechtskonvention beruhen darauf, daß sie vorbildlich für andere später entstandene internationale Einrichtungen ‒ eigene Organismen vorgesehen hat, deren besondere Aufgabe darin besteht, über den Schutz der verletzten Rechte zu wachen. Es handelt sich einerseits um die Europäische Menschenrechtskommission, anderseits um den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, deren 25. bzw. 20. Gründungsjubiläum Sie heute feiern.

Die verdienstvolle und schwierige Tätigkeit dieser beiden Organismen gilt der Sicherstellung und Achtung der von der Konvention vorgesehenen Garantien, indem Personen, die darüber klagen, Opfer einer Verletzung der Menschenrechte geworden zu sein, der Zugang zu übernationalen Instanzen geöffnet wird. Mein verehrter Vorgänger, Papst Paul VI., hat, als er am 7. November 1975 die Teilnehmer am 4. Internationalen Gespräch über die Europäische Menschenrechtskonvention empfing, bereits zu diesem Thema gesagt: "Abgesehen von solchen Garantien laufen die schönsten Erklärungen, auf welche die Menschheit stolz sein könnte wie wir leider täglich feststellen ‒ Gefahr, erfolglos zu bleiben; und die Stimme der Opfer der Verletzung der Rechte kann, selbst wenn sie bisweilen in der internationalen öffentlichen Meinung ein Echo findet, in ihrem eigenen Land ungestraft verhöhnt werden."

Aber es geht heute nicht nur darum, die Bedeutung dieser Einrichtung in Erinnerung zu rufen, deren beispielhafter Wert allein schon ausreichen würde, um diese Feier zu rechtfertigen. Der Anlaß, der heute so viele hervorragende Persönlichkeiten aus den verschiedenen Mitgliedsländern des Europarates vereint, hat nicht nur formellen Charakter. Er inspiriert sich, wie mir scheint, auch an einem tieferen Sinn, weil sein Einsatz der Würde der menschlichen Person gilt. Liegt nicht gerade darin der letzte Grund für Ihre Gedenkfeier? Handelt es sich nicht um eine Ehrung der Würde der menschlichen Person als eines fundamentalen Wertes, den die Signatarstaaten der Europakonvention verteidigen und fördern wollten? Mit Scharfblick haben sie darin die unbestreitbare Grundlage erkannt, auf die sich jede Initiative im Bereich eines sicheren und dauerhaften Aufbaus Europas stützen muß.

Gestatten Sie mir, einige Worte aus meiner Ansprache vor den Vereinten Nationen anzuführen: "Die Gesamtheit der Menschenrechte entspricht dem Wesen der Würde des menschlichen Seins, in seiner Ganzheit begriffen und nicht auf eine einzige Dimension verkürzt; sie beziehen sich auf die Befriedigung der wesentlichen, seinsmäßigen Bedürfnisse des Menschen, auf die Ausübung seiner Freiheiten, auf die Beziehungen zu den anderen Menschen; aber sie beziehen sich immer und vor allem auf den Menschen, auf seine vollmenschliche Dimension."

In einer Welt, wo der einzelne immer weniger Aufmerksamkeit zu finden scheint, weil er sich ideologischen und wirtschaftlichen Systemen untergeordnet sieht, die ihn unterdrücken und ausbeuten, ist es daher um so dringlicher, wieder mit Nachdruck zu bekräftigen, daß seine Würde unverletzt bleiben muß.

Auf dieser Vorstellung von der Würde der Person fußt das Fundament der verschiedenen Kategorien von Menschenrechten: sowohl der "bürgerlichen und politischen" Rechte wie der "wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen", um die heute gängige Sprache internationaler Abkommen zu benutzen.

Von scheinbar unüberwindlichen Schwierigkeiten bei der Überprüfung himmelschreiender Situationen, in denen die Menschenrechte verunglimpft werden, darf man sich nicht entmutigen lassen. Man muß überzeugt bleiben, daß jede Verletzung der Menschenwürde, auch die entfernteste, in unmerklicher, aber tatsächlicher Weise Auswirkungen auf das Leben aller hat; denn ein unauslöschliches Band verbindet alle Menschen miteinander. Dieses Band eint alle Gläubigen Christen, Moslems und Juden ‒ im Glauben an den einen und wahren Gott, der als Vater aller Menschen Quelle und Fundament der Würde des Menschen ist (vgl. Nostra aetate, Nr. 5). Für die, die dem christlichen Glauben angehören, drückt sich dieses Band in den Worten aus: wir alle sind Brüder in Jesus Christus.

Von diesem Europa, wo das Christentum im Lauf einer unruhigen Geschichte tief Wurzeln gefaßt hat auch wenn die Lichter nicht ohne Schatten waren , muß die moralische Kraft ausgehen, die allein Antrieb ist für den Willen, die Würde der menschlichen Person innerhalb ihrer Grenzen und in Solidarität mit allen, die dessen bedürfen, zu verteidigen und zu fördern.

Die Organismen, deren Gründungsjubiläum heute gefeiert wird, leisten einen wesentlichen Beitrag zur Verwirklichung dieser großen und vornehmen Aufgabe, weil sie ein konkretes und glaubwürdiges Zeichen sind. Möge Gott die Bemühungen aller segnen, die mit soviel Hingabe und Sachverständnis an den wohltätigen Ergebnissen der Arbeit der Europäischen Kommission und des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte mitwirken.

27. Dezember 1979

 

IOANNES PAULUS PP. II

 

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