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ANSPRACHE VON PAPST JOHANNES PAUL II.
AN DIE ZUR SELIGSPRECHUNG VON PAULINE MALLINCKRODT ANGEREISTEN PILGER

Montag, 15. April 1985

 

Verehrte Mitbrüder im Bischofs- und Priesteramt!
Liebe Brüder und Schwestern!

Ihr seid zur Seligsprechung der verdienten Ordensgründerin Pauline von Mallinckrodt hier nach Rom gekommen. Selige und Heilige sind nicht eine exotische Sorte von Menschen, die wie Sonderlinge bestaunt werden. Es sind Menschen wie wir, die uns mit ihrem Vorbild vorangehen, uns den rechten Weg zeigen und uns ermutigen, das allen verheißene Ziel unbeirrt anzustreben. Wer das Leben der seligen Mutter Pauline betrachtet, wird an vielen Stellen zum Nachdenken gebracht. Einen Punkt möchte ich besonders herausgreifen. Die junge Pauline hatte sich blinder Kinder erbarmt und die Sorge für eine Gruppe von ihnen bereits geraume Zeit übernommen, bevor sie eine religiöse Gemeinschaft gleichgesinnter Frauen gründete. Daran wird sichtbar, wie die Liebe zu den Ärmsten und der Antrieb zu konkreter Hilfe auch unabhängig vom Ordensleben möglich sind. Heute wie damals sollten wir Erwachsenen den jungen Menschen alle Anerkennung und Förderung schenken, die aus der Kraft eines jugendlichen Idealismus zu einem sozialen Einsatz drängen, auch dort, wo ein solcher Einsatz uns zunächst noch zu ungestüm oder planlos vorkommt.

Doch dann entschloß sich Pauline von Mallinckrodt zur vollen Hingabe ihres Lebens in der Form von Ordensgelübden; ja, sie gründete sogar selbst eine Gemeinschaft von Ordensschwestern ”von der christlichen Liebe“, in die sie gleichsam als heilige Mitgift ihre erste Gruppe von blinden Kindern einbrachte. Was drängt wohl einen von Christi Liebe durchglühten Menschen dazu, für seinen sozialen Einsatz die Form des Ordenslebens zu wählen? Ein solcher Mensch will vor seinen Mitmenschen bekennen, daß es ihm nicht um weltlichen Applaus, nicht um Selbstbestätigung oder um den Dank der Hilfsbedürftigen geht, sondern daß die Wurzel seiner helfenden Liebe in Gott selbst liegt und er Christus nachfolgen möchte, der das Erbarmen Gottes mit den Menschen in letzter Treue vorgelebt hat.

Ein solcher Mensch will sich durch ein Leben nach den evangelischen Räten ganzheitlich, ohne Vorbehalt seinem sozialen Dienst schenken und dabei die Kühnheit Christi wagen, der uns ermutigt, unser Leben einzusetzen, es ”loszulassen“ und zu ”verlieren“, um es so wahrhaft zu ”gewinnen“.

Ein solcher Mensch will der Welt zeigen, daß nach unserem Glauben kein Gegensatz besteht zwischen dem Einsatz für den benachteiligten Mitmenschen und der Ehre Gottes. Christus selbst hat uns bis in sein Leiden hinein offenbart, daß der Vater im Himmel gerade dann verherrlicht wird, wenn sich der Sohn für das Heil der Welt hingibt und verschenkt.

Schließlich möchte sich ein solcher Mensch für seinen sozialen Dienst die Kraft gleichgesinnter Mitmenschen zunutze machen, mit denen er eine Gemeinschaft des Lebens, der Arbeit und des Gebetes bildet, wie eben in einer Ordensgemeinschaft, wo auch die Herzen durch eine religiös motivierte Entscheidung miteinander verbunden sind.

Liebe Brüder und Schwestern! Das sind einige wichtige Gründe, die wohl auch die selige Schwester Pauline bewogen haben, die besondere Nachfolge Christi in den evangelischen Räten zu erwählen, um in einer Gemeinschaft von Ordensschwestern ”der christlichen Liebe“ jenes großartige soziale Werk aufzubauen, dessen Früchte ungezählte Menschen am eigenen Leib bis in unsere Gegenwart erfahren durften.

Darin sind wir uns gewiß alle einig. Schwieriger wird es vielleicht, wenn ich euch nun frage, ob ihr als einzelne oder als Familie und Pfarrei genügend tut, um auch heute junge Menschen zu ermutigen, in einem Ordensberuf das mit soviel Idealismus und Opfer begonnene Werk fortzuführen. Ganz herzlich bitte ich euch: Habt ein offenes Auge für jede jugendliche Hochherzigkeit bei euren Söhnen und Töchtern, freut euch darüber, fördert sie und gebt acht, sie nicht durch allzuviel Berechnung und Eigeninteresse zu verschütten! Nehmt innerlich eine positive Haltung ein zur Möglichkeit, daß sich auch eines eurer Kinder für einen Ordensberuf entscheiden möchte. Nur mit einer solchen vorausgehenden positiven Einstellung wird es euch gelingen, richtig und christlich zu reagieren, falls ein junger Mensch diesen Wunsch eines Tages vor euch aussprechen sollte. Aber vielleicht fragt ihr euch ängstlich, ob eure Tochter, euer Sohn oder ein befreundeter junger Mensch denn wohl ihr Glück in einem Leben nach den Gelübden finden können, ob sie sich auf diese Weise denn auch selbstverwirklichen werden. Ja, Selbstverwirklichung ist wichtig. Aber wer wollte es am heutigen Tage wagen zu behaupten, Pauline von Mallinckrodt und alle anderen Seligen und Heiligen hätten sich nicht selbstverwirklicht? Das Urteil der Kirche lautet im Namen des Herrn: Sie haben sich verwirklicht; sie haben die Fülle ihres Lebens gefunden. Gott sei Lob und Dank!

Von Herzen empfehle ich euch und eure Familien, besonders auch alle Schwestern und Werke der Kongregation der christlichen Liebe der Fürsprache und dem Schutz der neuen Seligen, der seligen Pauline von Mallinckrodt, und erteile euch in der Liebe Jesu Christi meinen besonderen Apostolischen Segen.

 

©  Copyright 1985 - Libreria Editrice Vaticana

 



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