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 PASTORALBESUCH IN DEN NIEDERLANDEN

ANSPRACHE VON JOHANNES PAUL II.
AN DIE KRANKEN IN DER KATHEDRALE UNSERER LIEBEN FRAU VON LUXEMBURG

Mittwoch, 15. Mai 1985

 

Gelobt sei Jesus Christus!

1. Dieser Lobpreis, liebe Brüder und Schwestern, gilt Jesus von Nazaret, den wir in der heutigen Lesung aus dem Lukasevangelium auf dem Weg zum Gottesdienst in die Synagoge seiner Heimatstadt begleiten (vgl. Lk 4, 16). Er gilt jenem Jesus, der schon als zwölfjähriger Knabe im Tempel von Jerusalem bekannte: »Wußtet ihr nicht, daß ich in dem sein muß, was meinem Vater gehört?« (Lk 2, 49). Wir bekennen ihn heute mit der ganzen Kirche - in Erfüllung der alttestamentlichen Weissagung des Propheten Jesaja - als den Gesalbten Gottes, auf dem der Geist des Herrn ruht und der gesandt worden ist, um den Armen die Heilsbotschaft zu verkünden (vgl. Lk 4, 18).

Es ist von tiefer Bedeutung, daß auch mich heute der erste Weg bei meinem Pastoralbesuch in Luxemburg in dieses Gotteshaus führt, in die Kirche des Bischofs, wo das Herz eurer Ortskirche schlägt und die Quellen des Heiles für eure Gemeinden entspringen. Hier steht der Altar, an dem der Bischof die heiligen Geheimnisse feiert, an dem er als Hirt seiner Kirche die Priester, seine Mitarbeiter im Hirtenamt, weiht und hinaussendet in eure Städte und Dörfer. Hier steht die Kathedra des Bischofs, wo er dem Volk Gottes das Wort des Herrn verkündet und erklärt. Hier ist wirklich das Gotteshaus der Kirche von Luxemburg. Bei unserer ersten Begegnung an diesem Altar, der letztlich Christus selber versinnbildet, grüßt der Bischof der Kirche von Rom, die unter allen Kirchen des Erdkreises den Vorsitz in der Liebe führt, in brüderlicher Verbundenheit die Kirche von Luxemburg, alle Gläubigen und ihren verehrten Oberhirten. Gern gebe ich dem Wunsch Ausdruck, daß die Schäden des kürzlichen Brandes an diesem Gotteshaus bald wieder behoben werden können.

Diese Kathedrale beherbergt aber zugleich auch das Gnadenbild der Gottesmutter, vor dem gläubige und hilfesuchende Menschen von nah und fern Maria, die Mutter Jesu, als »Trösterin der Betrübten« anrufen und verehren. Noch bevor dieses Gotteshaus vor 115 Jahren Bischofskirche wurde, war es schon lange Zeit Wallfahrtsziel ungezählter Pilger, die seit über 300 Jahren der Trösterin der Betrübten ihr Leid geklagt haben und getröstet heimgekehrt sind. Wie oft mag im Laufe der Jahrhunderte hier der Gruß aus der Festmesse dieses Gnadenortes erklungen sein: Ave Maria! Ave Spes nostra! (Introitus).

Diesen Gruß bringt heute auch der Nachfolger des Apostels Petrus der Mutter des Herrn dar: Ave Maria! Ave Patronin dieser Kirche, ave Schutzherrin dieser Stadt und dieses Landes, ave Maria, Trösterin der Betrübten!

2. Mein Blick fällt sodann auf euch, die ihr heute in diesem Gotteshaus versammelt seid. Ich sehe Kranke und Behinderte aus allen Lebensaltern, unter ihnen auch Jugendliche; ich sehe gebrechliche und von der Last des Alters gebeugte Menschen. Ihr alle seid gekommen, von hilfreichen Menschen begleitet, um den Stellvertreter Christi zu sehen und zu hören. Eng mit uns verbunden sind darüberhinaus noch viele andere kranke und vom Leid gezeichnete Brüder und Schwestern, die durch Radio und Fernsehen an dieser Feierstunde teilnehmen.

Es ist mir eine besondere Freude, daß meine ersten Worte hier in Luxemburg an euch, liebe Kranke, gerichtet sein sollen, seid ihr doch offensichtlich die Lieblinge Jesu Christi - damals und auch heute. Und wir, seine Kirche, versuchen mit unseren schwachen Kräften den Herrn auch darin nachzuahmen. Überall wo christliche Familien ihre kranken, behinderten und altersschwachen Angehörigen zu Hause pflegen und umsorgen, tun sie es ja in der Liebe Christi, da wirklich - wie der Apostel Paulus sagt - dadurch der eine des anderen Last trägt und so das Gesetz Christi erfüllt (vgl. Gal 6, 2).

Auch hier sehe ich an eurer Seite viele Krankenpflegerinnen und -pfleger, die euch betreuen. Sind sie nicht die Hand des Herrn, der lindert und aufrichtet? Sind sie nicht Zeichen dafür, daß der Kirche auch heute der Dienst an den Kranken am Herzen liegt? Die Kirche von Luxemburg konnte sich immer zahlreicher Ordensberufe erfreuen, die gerade in der Pflege der Kranken und Alten, der Gebrechlichen und Hilflosen ihren Weg der Nachfolge Christi sahen. Im Namen Jesu Christi danke ich den vielen Ordensschwestern und Ordensbrüdern, die diesen Weg auch heute noch gehen! Zugleich bitten wir voll Vertrauen den Herrn, auch zu unserer Zeit in jungen Menschen den Wunsch zu solcher Nachfolge zu wecken, damit die Kirche weiterhin wie Jesus selbst den Kranken zu dienen vermag. An alle, die in der Krankenpflege tätig sind, richte ich die Bitte: Übt euren Dienst an den Kranken und Behinderten immer mit Liebe aus! Seid davon überzeugt, daß ihr dadurch die Sendung Christi fortführt, der gekommen ist, um zu dienen. Die Freude, die ihr den Kranken bereitet, wird in euer eigenes Herz zurückkehren und euch selbst bereichern.

3. Über dem Eingang in diese Kathedrale findet sich ein kunstvolles Glasfenster: Maria, die Trösterin der Betrübten, breitet ihren Mantel aus über das gläubige Volk. Nach den Schrecken des Zweiten Weltkrieges hat euer Volk zum Dank für den Schutz Mariens dieses Bild gestiftet. Die Farben eurer Nation: rot, weiß und blau, durchziehen das ganze Bild einer Nation, die damals nach vier qualvollen Jahren ihre Freiheit wiedererlangt hatte. Im Mittelpunkt des Bildes aber steht Maria, ganz in Weiß, die Immakulata. Diesen Titel gaben die Jesuiten schon 1621 der Jungfrau Maria, als sie ihr diese Ordenskirche weihten. Immaculata, Gnadenvolle, so steht Maria immer vor uns, um uns zu zeigen, daß Gott treu ist, daß er die Seinen nicht verläßt. Mit Recht nennen wir Maria auch »Hilfe der Christen«, Hilfe, die Gott uns auf Mariens Fürbitte gewährt. Dieses Glasfenster zeigt deutlich, wie sehr wir Christen diese Hilfe brauchen, wenn es in roter Farbe die apokalyptischen Reiter darstellt, die Tod und Verderben über die Erde bringen (vgl. Offb 6). Zu der Zeit, da in eurer Heimat die Verehrung zur Trösterin der Betrübten aufblühte, waren es der 30jährige Krieg und sein Gefolge von Pest und Hunger, die die Menschen heimsuchten. Auch in späteren Zeiten fehlten solche Schrecken nicht. Vor allem aber in der Zeit des Zweiten Weltkrieges verstanden die Menschen diese Bilder der Offenbarung des Johannes. In all diesen Nöten nahmen die gläubigen Luxemburgen ihre Zuflucht zu Maria, ihrer Patronin. Sie wurden nicht enttäuscht. Ihr Vertrauen setzten sie auf die, die selbst aus dem Gottvertrauen lebte; ihren Trost fanden sie bei der, die unter dem Kreuz ausharrte und dort vom Gott allen Trostes so gestärkt und getröstet wurde, daß sie jetzt alle trösten kann, die in Not sind (vgl. 2 Kor 1, 4).

Auch ihr, liebe Kranke, stellt euch unter ihren Schutzmantel, auch ihr bittet um ihren Trost. Und mit Recht! Sind nicht die apokalyptischen Reiter immer unterwegs, mit immer neuen Namen? Wenn wir auch heute die Pest nicht mehr kennen, so gibt es doch allzu viele andere Krankheiten und Plagen, die den Menschen von heute befallen! Trotz aller Fortschritte der Medizin gibt es auch heute unheilbare Krankheiten, die die Menschen oft in hilflose Angst stürzen. Und die Plage des Krieges, die uns so oft heimgesucht hat, liegt sie nicht immer noch drohend über der heutigen Welt, drohend mit millionenfachem Tod und unvorstellbarer Zerstörung? Und wer kennt nicht die Schreckensbilder des Hungers, die uns täglich aus vielen Regionen der Erde erreichen? In all diesen - und den vielen anderen Nöten, die ich nicht alle nennen kann - müssen wir Gläubigen unsere Zuflucht zu Maria nehmen, auch heute, genau so wie unsere Väter es in früheren Zeiten getan haben. Ja, meine Liebe, rufen wir sie immer wieder an: Heilige Maria, Mutter Gottes, bitte für uns! Das ist nicht ein Wegschauen von den Problemen, das ist keine Flucht vor der Not; es ist einfach ein christliches Vertrauen in die Hilfe Gottes, der uns ja selbst Maria zur Mutter gegeben hat. Und wo ist eine Mutter, die ihre Kinder nicht um Hilfe bitten können? Die Votivmesse, die zur Wallfahrtszeit hier am Gnadenbild so oft gefeiert wird, hat mit Recht als Evangelium jene Stelle von Johannes, wo Maria unter dem Kreuze Jesu stand. Dort gab Jesus sie uns allen - in der Person des Lieblingsjüngers Johannes - zur Mutter: »Siehe da, deine Mutter« (Joh 19, 27). Genau so rufe ich euch, lieben Kranken, heute zu: Seht da, eure Mutter, eure Trösterin, die das Leiden ihres Sohnes mitgelitten und dadurch zur Trösterin und zum Beistand aller Leidenden geworden ist! Dasselbe rufe ich zugleich allen Gläubigen Luxemburgs zu: Seht da, eure Mutter! Ihr habt sie 1666 und 1678 zu eurer Patronin erwählt. Bleibt dieser Wahl treu! Maria ist euch treu geblieben, treu in ihrem Schutz über euer Land, über eure Gemeinden und eure Familien. Bleibt auch ihr treu dieser Mutter, treu vor allem aber auch ihrem Sohn Jesus Christus. Sein Kreuz und seine Auferstehung ist die Quelle allen Heiles, Quelle allen Trostes, Quelle aller Hoffnung.

4. Am Kreuz ist unser Herr in allem unser Bruder geworden: auch im Leiden, in der Gottverlassenheit, im Todeskampf, ja, auch im Tod selber. Er wurde in allem uns gleich, außer der Sünde (vgl.Phil 2, 7; Heb 4, 15). So können wir gerade im Leiden, in der Krankheit, in der Gebrechlichkeit des Alters auf ihn schauen. Und da er das Leiden ja wegen unserer Sünden auf sich nahm, können wir sogar dann zu ihm aufschauen, wenn wir unser Versagen, unsere Schwäche, unsere Sünde erleben. Wer auf ihn schaut, wird seine Stimme hören: Folge mir nach! Komm, »nimm mit deinem Leiden teil am Werk der Erlösung der Welt, die durch mein Leiden vollbracht wird, durch mein Kreuz! Während der Mensch sein Kreuz auf sich nimmt und sich dabei geistig mit dem Kreuz Christi vereint, enthüllt sich vor ihm mehr und mehr der heilbringende Sinn seines Leidens«? (Johannes Paul II., Salvifici doloris, 26) Diese Worte, die ich im vergangenen Jahr im Apostolischen Schreiben über den christlichen Sinn des menschlichen Leidens »Salvifici Doloris« geschreiben habe, richte ich heute an euch, liebe Kranken.

Schaut auf den Gekreuzigten, schaut auf den Auferstandenen. Und vergeßt eines nicht: An eurem Leib könnt ihr, wie der hl. Paulus im Brief an die Kolosser schreibt, ergänzen, was am Leiden Christi noch fehlt! (vgl. Kol 1, 24) Durch eure enge Verbundenheit mit Christus erhält euer Leiden eine große, eine neue Dimension: Es wird ein wertvoller Beitrag zum Erlösungswerk Gottes! Dies ist die Frohe Botschaft, die Christus, der Gesalbte Gottes, euch in eurer Prüfung und Bedrängnis verkündet. Er hat das Gnadenjahr des Herrn ausgerufen und den Gefangenen die Freiheit, den Blinden das Augenlicht und den Zerschlagenen die Freiheit verheißen. Die endzeitliche, volle Erfüllung dieser Verheißungen nimmt er schon heute dadurch voraus, daß er diesen Leiden ihre Sinnlosigkeit und Hoffnungslosigkeit nimmt. Damit verlieren die Betroffenen das niederdrückende Gefühl, unnütz zu sein. »Ihr Kranken, Behinderten und vom Alter Gebeugten werdet im Gegenteil zu unersetzlichen Mittlern und Urhebern der für das Heil der Welt unerläßlichen Güter« (Johannes Paul II., Salvifici doloris, 27), wenn euer Leiden nur bewußt mit dem Opferleiden Christi verbunden und von seinem Opfergeist durchdrungen ist. Darum wendet sich die Kirche immer wieder gerade an euch, die Leidenden: Teilt den Schatz der Erlösung, den ihr durch euer Mitleiden mit Christus besitzt, der Welt mit, die immer mehr von der Sünde, vom Bösen bedroht ist; teilt ihn den Mitmenschen mit, die das Licht der Erlösung, den göttlichen Sinn ihres Lebens aus den Augen verloren oder noch nicht gefunden haben. So bitte ich euch, die ihr leidet, die Kirche zu unterstützen; werdet zum Kraftquell für die Kirche und für die Menschheit. »Möge in dem schrecklichen Kampf zwischen den Kräften des Guten und des Bösen, der sich vor uns in der heutigen Welt abspielt, euer Leiden in Einheit mit dem Kreuz Christi siegen« (ebd., 31).

Dazu erflehe euch Maria, die unter dem Kreuz Jesu stand, von ihrem Sohn den nötigen Glauben, die Geduld und die Hoffnung. Diese Gnade erbitte auch ich euch mit meinem besonderen Apostolischen Segen.

 

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