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Ad eos qui LXXXIX conventui u Katholikentag cognominato interfuerunt. Meinem verehrten Bruder Klaus Hemmerle, Bischof von Aachen!

»Gnade sei euch and Friede von Gott, unserem Vater, and dem Herrn Jesus Christus(c' Mit diesem Segenswunsch gruf3e ich zur Eroffnungsfeier des 89. Deutschen Katholikentages in Aachen zusam­men mit dem Oberhirten der gastgebenden Stadt and Diozese meine Mitbriider im Bischofs- and Priesteramt, die Ordensleute sowie alle Braider and Schwestern, die hier zusammengekommen sind, um fur unseren gemeinsamen Glauben in aller Offentlichkeit Zeugnis abzulegen.

»Dein Reich komme!a — Diese Vaterunser-Bitte habt Ihr Euch gewahlt als Ausdruck dessen, was Euer Gebet and Eure Besinnung, Eure Gesprache and Begegnungen beseelen and bestimmen soil. In der Tat, die Suche nach Zukunft, die Sehnsucht nach Frieden, der Schrei nach Gerechtigkeit, die milliardenfach aus den Herzen der Menschen aufsteigen, finden keinen wirksameren Weg zu ihrer Er­fullung als diese demutige Bitte. In der Stadt Aachen, die so tief mit der Geschichte der irdischen Suche nach einem Reich verbunden ist, das Frieden, Einheit and Gerechtigkeit fordert, vor dem Hintergrund Eures Domes, der das himmiische Jerusalem widerspiegelt, gewinnt diese Bitte an den Vater aller Menschen and Herrn der Geschichte besondere Eindringlichkeit.

»Dein Reich komme !a — Ich mochte in meinem Grul3wort zu diesem Leitwort Eures Katholikentages drei Gedanken hervorheben, die mir heute besonders wichtig erschienen. Diese Vaterunser-Bitte gibt als erstes dem menschlichen Bemuhen um die Gestaltung der Zukunft Maf3 and Orientierung. Unser Jahrhundert ist von Ideologien erfiillt, die dem Menschen vormachen, er kOnne aus eigener Kraft ein unzerstorbares and vollkommenes Reich des Gliicks and des Friedens herbeifuhren ; Blut and Tranen, Streit and Tod waren die Folgen. Sakularisierte Formen der Erwartung des Gottesreiches, die es zum Reich menschlicher Allmacht werden lassen wollten, haben dem berechtigten menschlichen Streben nach Fortschritt and Ent­wicklung schwere Riickschlage gebracht. In der Folge davon machen sich heute, gerade in der Welt hochentwickelter industrieller Zivi‑

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lisation, Enttauschung and Angst, Resignation and ein verbittertes Nein zur Zukunft iiberhaupt breit.

Im Grunde gibt es nur eine Alternative zum blinden Glauben des Menschen an seine eigene unbegrenzte Zukunftsmacht wie auch zu seiner Verweigerung and Verzweiflung gegeniiber der Zukunft : den Glauben an jene Zukunft, die fiber alle menschlichen Moglichkeiten, aber auch caber alle menschlichen Gefahren hinaus Gott selber uns in Jesus Christus ein fur allemal erschlossen and verheil3en hat, die Hoffnung auf die Zukunft Gottes, auf sein kommendes Reich. Was der heilige Augustinus vom einzelnen Menschen sagt, gilt auch fur die Gesellschaft and die Menschheit im ganzen. Unruhig ist das Herz der Menschheit, bis es Ruhe findet in der Hoffnung and Zuversicht auf Gottes Reich, das kommt and sich einmal vollenden wird.

3. ))Dein Reich komme !(c — Diese Vaterunser-Bitte lenkt unseren Blick aber nicht nur in die Zukunft, sondern auch zuriick auf das, was vor bald 2000 Jahren schon geschehen ist, als der Sohn Gottes im Fleische geboren wurde, als er die Frohe Botschaft verkiindete, als er am Kreuz and in der Auferstehung das Werk der Erlosung voll­brachte. Verborgen, keimhaft, aber doch wirklich ist damals Gottes Reich schon zu uns gekommen. Gottes Reich lebt schon mitten unter uns, wo der Herr in unserer Mitte lebt. Warum bitten wir dann aber noch urn dieses Reich? Die ein fur allemal in Jesus Christus erOffnete machtvolle Nahe Gottes ist ein immer neues Geschenk fur jeden Tag, fur jede Epoche. Der Herr lasse uns das immer neu entdecken and ergreifen, was er uns bereits geschenkt hat ! Eine Neuevangelisierung tut not, vor allem in den Landern mit einer langen, christlich gepragten Tradition and Kultur. Man stellt hier vielerorts eine tiefe and zum Tell wachsende Entfremdung zwischen der christlichen Botschaft and dem allgemeinen BewuStsein der Menschen feat. Die sittlichen Ver­haltensweisen sind nicht mehr bestimmt von den Mal3staben des Evan­geliums ; die Teilnahme am gottesdienstlichen and sakramentalen Leben der Kirche nimmt ab ; es gibt einen Mangel an geistlichen Berufen ; in vielen Familien wird christliches Glaubensgut nicht mehr an die kommende Generation weitergegeben. Moge der Aachener Ka­tholikentag mit seinem Leitwort ))Dein Reich kommeo zu einem Fan­farenstol3 fur eine Neuevangelisierung werden !

Von tiefer Bedeutung ist der Umstand, daI3 sich dieser Katholi­kentag mit der ehrwfirdigen Aachener Heiligtumsfahrt verbindet, die seit vielen Jahrhunderten alle sieben Jahre ungezahlte Menschen in der Verehrung der Geheimnisse der Menschwerdung Gottes vereint. Moge diese zusammen mit den anderen Heiligtumsfahrten desselben Jahres im Bistum Aachen zum Ausdruck des gesamten pilgernden Gottesvolkes werden, das sich aufmacht zu den Quellen, um aus den Geheimnissen der Erlosung durch Jesus Christus sein Leben zu gestalten.

Schlief3lich mochte ich noch einen dritten Gedanken unterstrei­chen. Wer Gott bittet, daf3 sein Reich komme, der muf3 bereit sein, diesem Reich auch selber die Wege zu bereiten. Gebet nimmt uns in Pflicht, das Unsere zu tun. Es ist eine gute Tradition des deutschen Katholikentages, sich aus dem Geist des Glaubens den Gestaltungsauf­gaben in Gesellschaft and Kirche zu stellen. Dies hat sich auch der Aachener Katholikentag vorgenommen. Aachen ist die Stadt groBer weltkirchlicher Werke der deutschen Katholiken : Missio, Misereor and Papstliches Missionwerk der Kinder. Erkennt neu den Auftrag, weltkirchliche Verantwortung and Gemeinschaft zu starken and zu vertiefen. Aachen ist eine Stadt an den Quellen europaischer Geschichte, eine Stadt an Grenzen, die mehr verbinden sollen, als daf3 sie trennen. Verantwortung fur Europa, fur sein gemeinsames Erbe and seine Zukunft sei ein Anliegen dieses Euren Katholikentages. Stadt and Bistum Aachen sind eng verkniipft mit der Geschichte des sozialen Katholizismus in Deutschland. Seht auch darin einen Anruf fur heute. In Aachen sind viele Orden and geistliche Gemeinschaften beheimatet. Stellt Euch der Frage, wie heute Berufungen geweckt and gefordert werden konnen. Aachen hat eine bedeutende Technische Hochschule. Richtet daher Euer Augenmerk auch auf den Zusammenhang zwischen technischer Entwicklung and Verantwortung fur dike Zukunft der Menschheit.

So hoffe and bete ich mit Euch, daf3 auch der Aachener Katho­likentag einen fruchtbaren Beitrag zu jener Zivilisation der Liebe erbringt, die der verbreiteten Angst vor der Zukunft entgegenwirkt and Menschen, gerade auch junge Menschen, dazu ermutigt, ja zu sagen zum Leben and sich fur die Zukunft des Lebens einzusetzen.

»Dein Reich komme !cc : eine Botschaft der Hoffnung, die hinaus­greift fiber diese Welt — Botschaft des Glaubens, der unser Leben, unsere Gesellschaft, unsere Kirche erneuert aus dem Evangelium — Botschaft der Liebe, die uns hilft, eine Zivilisation der Liebe hier and jetzt zu verwirklichen : Dies ist der Auftrag des Aachener Katholi­kentages, den ich mit grol3er Anteilnahme and betendem Gedenken begleite. Euch alien, die daran mitwirken and teilnehmen, erteile ich von Herzen meinen besonderen Apostolischen Segen : Im Namen des Vaters and des Sohnes and des Heiligen Geistes. Amen.

Aus dem Vatikan, den 15. August 1986. IOANNES PAULUS PP. II

 

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