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ANSPRACHE VON JOHANNES PAUL II.
AN DIE BISCHÖFE DER
SKANDINAVISCHEN LÄNDER
ANLÄSSLICH IHRES "AD-LIMINA"-BESUCHES

Donnerstag, 26. Februar 1987

 

Liebe Mitbrüder im Bischofsamt!

1. In meinem apostolischen Dienst als Bischof von Rom gehören die Begegnungen mit den Bischöfen der Weltkirche zu den wichtigsten und schönsten Aufgaben. Es ist ja der ausdrückliche Auftrag des Nachfolgers Petri, seine Brüder zu stärken (Lk 22, 32). Sodann bewahrheiten sich dabei auch immer wieder die Worte des Psalmisten: ”Wie gut und wie schön ist es, wenn Brüder miteinander in Eintracht wohnen“ (Ps 133, (132), 1). Dies erfahren wir im persönlichen Gespräch mit den einzelnen Oberhirten, vor allem aber in der gemeinsamen Eucharistiefeier und bei der gemeinschaftlichen Begegnung wie der unsrigen in dieser Stunde.

In solch brüderlicher Eintracht und Freude begrüße ich Euch heute zusammen zu Eurem diesjährigen Ad-limina-Besuch. Durch Euch grüße ich die Diözesen und Gemeinden, die Priester, Ordensleute und Gläubigen, die Ihr als Oberhirten im Rahmen der Nordischen Bischofskonferenz hier vertretet. Unser dankbares Gedenken gilt zugleich den Bischöfen, die Euch im Hirtenamt vorangegangen sind; besonders den noch lebenden früheren Oberhirten von Kopenhagen und Oslo, den verdienten Bischöfen Suhr und Gran, sowie Bischof Hendrik Frehen von Reykjavik, den der Herr erst vor kurzen als seinen ”tüchtigen und treuen Diener“ (Mt 25, 14-30) zu sich in die Ewigkeit gerufen hat.

2. Der Ad-limina-Besuch führt Euch, liebe Mitbrüder, in periodischen Abständen nach Rom, um Eure Einheit mit dem Nachfolger Petri zu bekräftigen. Gleichzeitig bietet er Euch Gelegenheit, Eure bischöfliche Sendung im Dienst Eurer Ortskirchen neu zu bedenken und Euch an den Gräbern der Apostel für Euer künftiges Wirken neuen Mut, Kraft und Ausdauer zu erbitten. Diese sind heute von Bischöfen mehr denn je gefordert. Eure Diözesen umfassen gleich ganze Länder, die eine über 1000jährige christliche Vergangenheit haben, in denen aber die katholische Kirche jetzt nur noch eine bescheidene Minderheit darstellt. Die jahrhundertelangen Anfeindungen zwischen den Konfessionen sind Gott Dank endgültig überwunden. Sie wurden ersetzt durch einen Geist zunehmender ökumenischer Verständigungsbereitschaft und Zusammenarbeit, der erst jüngst durch die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen den drei skandinavischen Ländern und dem Heiligen Stuhl eine offizielle Bestätigung erhalten hat. Dagegen ist dem Christentum und der Religion als solcher heute durch eine ständig um sich greifende Säkularisierung in der modernen Wohlstandsgesellschaft eine allen Konfessionen gemeinsame Gefährdung und Bedrohung erwachsen.

In Euren Quinquennalberichten gebt Ihr selbst eine sehr anschauliche Darstellung von den Gefahren und Schwierigkeiten, die dem Leben der Kirche und der pastoralen Arbeit in Euren Ländern entgegenstehen: von der zunehmenden Entchristlichung der Gesellschaft, vom Verfall der Sitten - besonders im Bereich der Sexual-und Ehemoral -, von der Zerrüttung der Familien, von dem geringen Einfluß, den die katholische Kirche als die ”kleine Herde“ auf das öffentliche Leben auszuüben vermag. Ihr teilt darin die Erfahrung der Kirche in zahlreichen anderen Ländern, die bei Euch durch die extreme Diasporasituation noch zusätzlich erschwert wird. Ebenso aber geben Eure Berichte auch ein eindrucksvolles Zeugnis davon, wie Ihr mit Euren Priestern, Ordensleuten und Gläubigen in dieser schwierigen Lage trotz geringer verfügbarer Mittel kraftvoll Kirche lebt und auferbaut, die ökumenische Zusammenarbeit mit den anderen christlichen Konfessionen fördert, im Bereich der Jugend und der katholischen Erziehung ein fruchtbares Apostolat entfaltet und dadurch Euren Kräften entsprechend auch der Gesellschaft in Eurem Land einen überzeugenden christlichen Dienst erweist. Ihr könnt vor allem auf eine erfreuliche Zahl von Priesteramtskandidaten, von Bewerbern für den Ständigen Diakonat und von einsatzbereiten Laienhelfern hinweisen. Die Direktiven des II. Vatikanischen Konzils sind, wie Ihr betont, in Euren Diözesen und Gemeinden angenommen und erfahren dort eine fortschreitende Verwirklichung. Neben der Liturgiereform, durch die Eucharistiefeier einen dominierenden Platz im Leben der Kirche erhalten hat, stellt Ihr ein allmähliches Wiedererwachen anderer traditioneller Andachtsformen wie des Rosenkranzgebetes, der Kreuzwegandachten und der eucharistischen Anbetung fest. Dies alles sind ermutigende Zeichen, die für die Zukunft der Kirche in Euren Ländern hoffen lassen. Von Herzen schließe ich mich deshalb auch dem innigen Wunsch des Oberhirten und der Diözese von Kopenhagen an, daß diese und alle Diözesen der Nordischen Bischofskonferenz durch die baldige Seligsprechung des Dieners Gottes Niels Stensen einen neuen mächtigen Fürsprecher im Himmel erhalten mögen, der den weiteren Weg der Kirche in Euren Gemeinden mit seinem besonderen Schutz und Beistand begleiten wird. Zugleich danke ich Euch an dieser Stelle aufrichtig für die freundliche Einladung zu einem Pastoralbesuch in Euren Ortskirchen, der ich zur gegebenen Zeit mit besonderer Freude nachkommen werde.

3. Die realistische Sicht der gegenwärtigen Lage der Kirche in Euren Ländern mit ihren Licht-und Schattenseiten, wie sie sich uns in Euren Berichten und persönlichen Gesprächen darbietet, darf uns niemals zu Kleinmut oder gar Verzagtheit verleiten. Sie sei uns vielmehr zuallererst Grund zur Freude und Dankbarkeit für das unergründliche Heilswirken Gottes und seine großen Gnadenerweise, durch die er das Erlösungswerk Christi - allen Schwierigkeiten zum Trotz - in Eurer Mitte vergegenwärtigt und fortsetzt. Dank sei Euch, Euren Priestern und den vielen Ordensleuten, die sich aus verschiedenen Kongregationen so hochherzig in den Dienst Eurer Diözesen stellen, Dank auch allen Gläubigen für die Glaubenskraft und die Opferbereitschaft, mit denen Ihr gemeinsam fortfahrt, lebendige Zeugen für Christus und das anbrechende Gottesreich in der Welt zu sein, in einer Welt, die Gott zunehmend zu vergessen scheint und die doch im tiefsten - bewußt oder unbewußt - immer wieder sehnsuchtsvoll nach ihm Ausschau hält.

Auch als Kirche in der ”Zerstreuung“ seid Ihr niemals auf vergessenem oder verlorenem Posten. ”Christsein in der Diaspora muß“, wie ich Euch in meiner Predigt in Osnabrück zugerufen habe, ”getragen sein vom Bewußtsein, zu einer großen Gemeinschaft von Menschen, zum Volk Gottes aus allen Völkern dieser Erde, zu gehören“. Auch Eure Ortskirchen als ”kleine Herde“ sind immer katholische, das heißt weltumspannende Kirche Jesu Christi in Eurem Land, sind immer Trägerin der Gnadengaben und Verheißungen unseres göttlichen Erlösers für Euer Volk und Eure Mitmenschen. Euer Angewiesensein auf die materielle und personelle Hilfe und Mitsorge von benachbarten Schwesterkirchen, denen dafür auch in diesem Kreise unser aufrichtiger Dank gilt, bedeutet für Euch keine Demütigung. Konkrete Mitverantwortung und gegenseitiges Geben und Empfangen im Geist brüderlicher Solidarität sind gemeinsam gelebte und bezeugte kirchliche ”communio“. Sie sind Ausdruck und gleichsam natürlicher Lebensvollzug jener tiefen Gemeinschaft, die alle Grenzen übersteigt und alle Glieder der Kirche in dem einen geheimnisvollen Leib Christi zuinnerst eint. Auch dieser Euer Besuch im Zentrum der katholischen Christenheit, Eure Begegnung mit dem Nachfolger Petri, den das Konzil als ”das immerwährende, sichtbare Prinzip und Fundament für die Einheit der Vielheit von Bischöfen und Gläubigen“ (Lumen Gentium, 23) bezeichnet, bestärke Euch in dieser vitalen Verbundenheit mit der Gesamtkirche und schenke Euch neuen Mut und Zuversicht für Euren verantwortungsvollen apostolischen Dienst.

4. Liebe Mitbrüder! Wir sind uns dessen bewußt, daß die Kirche den Schwierigkeiten und Gefahren, die sich ihr in der säkularisierten Gesellschaft heute stellen, nicht nur von außen her begegnet, sondern sich in zunehmendem Maße auch in ihrem Innern damit auseinandersetzen muß. Dem fortschreitenden Säkularisierungsprozeß entsprechen weitgehend eine innere Glaubenskrise und ein merklicher Rückgang des religiösen und kirchlichen Lebens in den Familien und Gemeinden. Ihr selbst bezeichnet es als eine große Versuchung für die Gläubigen in der Diaspora, sich dem Lebensstil der säkularisierten Umgebung möglichst anzupassen.

Angesichts der wachsenden Entfremdung vieler Menschen von der christlichen Lehre und der Kirche ergibt sich für den Bischof als vordringliche Aufgabe, vor allem Glaubenszeuge zu sein, dem katholischen Glauben zusammen mit seinen Priestern und Katecheten freimütig zu bekennen und zu lehren und ihn in seiner ursprünglichen Reinheit zu bewahren. Neue gemeinsame Anstrengungen für eine Re-Evangelisierung und die Formung von überzeugten Christen durch einen organischen Plan vertiefter Katechese (Ioannis Pauli PP. II, Cathechesi Tradendae, 61)sind die wahre Antwort auf die Übel und Mängel, die sich aus der Diagnose der heutigen Situation unserer Diözesen ergeben. Deshalb ermutige ich Euch besonders in Eurer pastoralen Sorge um die Glaubensverkündigung in der Liturgie und den Religionsunterricht für die katholischen Kinder und Jugendlichen in den Gemeinden. Die beabsichtigte Gründung eines Pastoralseminars in Stockholm, das auch den anderen Diözesen offenstehen soll, wird Euch die Möglichkeit bieten, Eure katechetischen Bemühungen fruchtbar weiterzuentfalten sowie die pastorale Arbeit insgesamt zu fördern und zu vertiefen. Neben der Jugend- und Familienpastoral verdient im Bereich der nordischen Diaspora besonders die pastorale Betreuung der vielen Einwanderer und Flüchtlinge eine große Aufmerksamkeit. Von ihrer erfolgreichen Eingliederung in das kirchliche Leben Eurer Diözesen und Gemeinden wird weitgehend die Zukunft der ganzen Kirche in Euren Ländern abhängen.

5. Wie uns das Konzil erinnert, darf die Wahrheit, von der die Kirche Zeugnis geben soll, jedoch nicht nur im Glauben angenommen werden, sondern muß auch auf das sittliche Leben der Menschen konkrete Anwendung finden (Lumen Gentium, 25). Ihr weist auf die großen Schwierigkeiten hin, die katholische Morallehre, vor allem die Sexual - und Ehemoral, in einer Weise zu verkünden, daß sie von den Gläubigen angenommen wird. Der Mensch von heute hat weitgehend die Überzeugung verloren, daß er nur in der Wahrheit das Heil finden kann. Deswegen muß die Kirche kraft ihrer Sendung die Gläubigen und Menschen guten Willens heute mehr denn je wieder darauf hinweisen und sie mit Geduld und Liebe davon zu überzeugen versuchen, daß nur die Freiheit, die sich der Wahrheit unterordnet, die menschliche Person zu ihrem wahren Glück zu führen vermag. Die Kirche schränkt durch ihre Morallehre die Freiheit des Menschen nicht willkürlich ein, sondern sucht ihm zu helfen, seine Wahrheit, das heißt jene Wahrheit, die in seinem eigenen Menschsein eingeschrieben und ihm von Gott neu offenbart worden ist, wiederzuentdecken und in seinem sittlichen Verhalten zu berücksichtigen; sie möchte ihn zu sich selbst zurück und über sich hinaus zu Gott führen. In ihrer Morallehre zeigt die Kirche auf, wer der von Gott in Christus erschaffene und erlöste Mensch ist und worin sein wahres Glück und endgültiges Heil besteht.

Wie Christus ist die Kirche gesandt, für die Wahrheit Zeugnis abzulegen (Joh 18, 37). Deshalb hat sie auch in der heutigen pluralistischen Gesellschaft - unabhängig davon, ob man ihrer Stimme Gehör schenkt oder nicht (2 Tim. 4, 2) - das Wort Gottes unverkürzt zu verkünden und sein Gebot als letztgültige Norm des sittlichen Handelns dem Menschen deutlich vor Augen zu stellen. Je mehr in Staat und Gesellschaft heute sittliche Grundwerte und Verhaltensweisen in Frage gestellt werden, um so nachdrücklicher sind die Christen aufgerufen, als Irrwege und Sünde zu bezeichnen und nach Kräften abzuwehren, was dem Willen Gottes und der Würde des Menschen widerspricht. Die Wahrheit Jesu Christi ist der einzige Weg, der den Menschen zum wahren Leben und Glück und damit auch zum wahren, nämlich zum ewigen Heil führt.

6. Liebe Mitbrüder! Das christliche Zeugnis für die Wahrheit und die Sendung der Kirche zum Heil der Menschen werden um so überzeugender und wirksamer sein, wenn die Jünger Christi selbst untereinander eins sind und mit gemeinsamer Stimme sprechen. Deshalb bittet Christus den Vater so inständig um ihre Einheit, ”damit die Welt glaubt“ (Joh 17, 21). Von Herzen bete ich mit Euch, daß diese Einheit im gemeinsamen Glaubenszeugnis für die Welt auch in Euren Ländern mit Gottes Hilfe und durch das ernsthafte ökumenische Bemühen aller christlichen Konfessionen immer mehr Wirklichkeit werde.

Der Herr stärke und führe Euch in Eurem unermüdlichen bischöflichen Dienst und segne Euch, Eure Diözesen und Gemeinden und das ganze Wirken der Kirche auf Eurem weiteren Pilgerweg!

 

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