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ANSPRACHE VON JOHANNES PAUL II.
ZUR OFFIZIELLEN ÜBERGABE DES WEIHNACHTSBAUMES 
AUF DEM PETERSPLATZ

19. Dezember 1998

Der Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre, Joseph Kardinal Ratzinger, war bei der Feier anwesend und verlas die Ansprache:

Verehrter Bruder im Bischofsamt,
liebe Schwestern und Brüder!

1. Mit dem Christbaum, den ihr aus eurer Heimat nach Rom gebracht habt, fühlen wir uns alle reich beschenkt. Die Schwarzwaldtanne ist ein Zeichen eurer Verbundenheit mit dem Nachfolger Petri und zugleich ein sprechender Gruß der Kirche von Freiburg an alle, die sich an Weihnachten aus der Stadt Rom und dem ganzen Erdkreis mit dem Zentrum der Christenheit verbinden.

Ich danke allen, die sich um dieses Geschenk verdient gemacht haben. Besonders grüße ich Herrn Weihbischof Wolfgang Kirchgässner, der für Erzbischof Oskar Saier eure Gruppe anführt. Ich bitte Sie, ihm meine besten Wünsche für eine baldige vollständige Genesung zu übermitteln. Stellvertretend für die gesamte Delegation möchte ich einige Persönlichkeiten besonders nennen: den Landtagspräsidenten von Baden-Württemberg, den Landrat des Landkreises Waldshut und den Bürgermeister von Bad Säckingen. Ich freue mich, daß ihr die Brücke schlagt zu verschiedenen Ländern Europas. So heiße ich auch die Vertreter eurer Partnerstädte herzlich willkommen.

2. Wenn ich in den vergangenen Tagen von meinem Arbeitszimmer auf den Petersplatz blickte, dann hat mich der Baum zur geistlichen Betrachtung angeregt. Schon in meiner Heimat hatte ich Bäume sehr gern. Wenn man sie anschaut, fangen sie gleichsam zu sprechen an. Ein Dichter, der unweit eurer Heimat geboren wurde und am Bodensee gelebt hat, sieht in den Bäumen eindringliche Prediger: »Sie predigen nicht Lehren und Rezepte, sie verkündigen das Urgesetz des Lebens.«

Im Blühen des Frühlings, in der Reife des Sommers, in den Früchten des Herbstes und im Sterben des Winters erzählt der Baum das Geheimnis des Lebens nach. Daher haben die Menschen von alters her auf das Bild des Baumes zurückgegriffen, um sich mit den Grundfragen des eigenen Lebens auseinanderzusetzen.

3. Leider ist der Baum in unserer Zeit auch ein beredter Spiegel dafür, wie der Mensch bisweilen mit seiner Umwelt umgeht, die Gottes Schöpfung ist. Sterbende Bäume sind stumme Mahner dafür, daß es Menschen gibt, die offensichtlich weder das Leben noch die Schöpfung als Geschenk achten, sondern sie oft nur nach ihrem Nutzwert schätzen. Erst allmählich scheint die Einsicht zu dämmern, daß dort, wo Bäume verdorren, schließlich auch der Mensch zugrundegeht.

4. Wie die Bäume, so brauchen auch die Menschen Wurzeln, die in die Tiefe greifen. Denn nur wer tief genug in fruchtbarem Boden verwurzelt ist, der steht fest. Er kann sich nach oben ausstrecken, um das Licht der Sonne aufzunehmen, und gleichzeitig den Winden wehren, die ihn umwehen. Wer aber glaubt, auf das Fundament verzichten zu dürfen, dessen Existenz hängt auf Dauer wie Wurzeln ohne Erdreich in der Luft.

Die Heilige Schrift nennt uns das Fundament, in das wir unser Leben einwurzeln können, um festen Stand zu haben. Der Apostel Paulus gibt uns den guten Rat: »Bleibt in Jesus Christus verwurzelt und auf ihn gegründet. Haltet in dem Glauben fest, in dem ihr unterrichtet worden seid« (vgl. Kol 2,7).

5. Der Baum auf dem Petersplatz lenkt meine Gedanken noch in eine andere Richtung: Ihr habt ihn neben die Krippe gestellt und als Christbaum geschmückt. Muß man da nicht an das Paradies denken, an den Baum des Lebens, aber auch an den Baum der Erkenntnis des Guten und des Bösen? Mit der Geburt des Sohnes Gottes hat die neue Schöpfung begonnen. Der erste Adam wollte sein wie Gott und aß vom Baum der Erkenntnis. Jesus Christus, der neue Adam, war wie Gott, hielt aber nicht daran fest, Gott gleich zu sein, sondern entäußerte sich, wurde wie ein Sklave und den Menschen gleich (vgl. Phil 2, 6 f.): von der Geburt bis zum Tod, von der Krippe bis zum Kreuz. Vom Baum des Paradieses kam der Tod, vom Baum des Kreuzes erstand das Leben. So steht der Baum neben der Krippe und deutet bereits auf das Kreuz, den Lebensbaum.

6. Herr Weihbischof, liebe Schwestern und Brüder! Noch einmal drücke ich euch meine tiefe Dankbarkeit für eure weihnachtliche Gabe aus. Nehmt als Gegengabe die Botschaft des Baumes mit, wie sie der Psalmist in Worte gefaßt hat: »Wohl dem Mann, der Freude hat an der Weisung des Herrn, über seine Weisung nachsinnt bei Tag und bei Nacht. Er ist wie ein Baum, der an Wasserbächen gepflanzt ist, der zu rechten Zeit seine Frucht bringt und dessen Blätter nicht welken. Alles, was er tut, wird ihm gut gelingen« (Ps 1,2 f.).

Mit diesen Gedanken wünsche ich euch allen sowie euren Angehörigen und Freunden daheim ein gesegnetes und frohes Weihnachtsfest. Alles, was ihr im Neuen Jahr beginnt, möge euch mit Gottes Hilfe gut gelingen. Der Patron eurer Heimat, der hl. Fridolin, sei euch dabei ein mächtiger Fürsprecher. Von Herzen erteile ich euch den Apostolischen Segen.

 



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