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ADDRESS OF THE HOLY FATHER
POPE JOHN PAUL II
TO H.E. Mr. APAS DJUMAGULOV,
NEW AMBASSADOR OF KYRGYZSTAN
ACCREDITED TO THE HOLY SEE* 

Thursday, 17 December 1998

 

 

Sehr geehrter Herr Botschafter!

1. Mit Freude empfange ich Sie heute im Vatikan zu ihrem Amtsantritt als neuer Außerordentlicher und Bevollmächtigter Botschafter der Kirgisischen Republik beim Heiligen Stuhl.Wie schon Ihren Vorgänger heiße ich auch Sie herzlich willkommen und beglückwünsche Sie zu Ihrer neuen ehrenvolle Aufgabe.

2. In Ihrem Grußwort, für das ich Ihnen aufrichtig danke, sprechen Sie von Kirgisistan als einem gemeinsamen Haus. Dabei weisen Sie auf die mehr als achtzig Nationalitäten hin, die unter dem Dach eines geeinten blühenden Staates zusammenleben sollen. In diesem Zusammenhang haben Sie daran erinnert, daß man erst dann von echter Demokratie und wahrer Menschlichkeit sprechen kann, wenn es gelungen ist, deren Prinzipien auf der Achtung vor dem Menschen, seiner einzigartigen Würde und seinen unveräußerlichen Rechten zu gründen.

3. Diese Überzeugung, die ich voll und ganz teile, wird um so aktueller, je mehr man sie in die heutige geschichtliche Situation einbettet. Vor fünfzig Jahren, nach einem Krieg, der für manche Völker sogar die Verneinung des Rechtes auf Dasein bedeutete, hat die Generalversammlung der Vereinten Nationen die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte verkündet. Dabei handelte es sich um einen formalen Akt, zu dem man nach den traurigen Kriegserfahrungen gelangt war. Allen Personen und Völkern sollten feierlich die gleichen Rechte zuerkannt werden. Anläßlich des fünfzigsten Jahrestages dieser Erklärung, der vor kurzem begangen wurde, möchte ich eine Grundaussage bekräftigen, die mir sehr am Herzen liegt: «Die Anerkennung der allen Mitgliedern der Menschheitsfamilie angeborenen Würde und ihrer gleichen und unveräußerlichen Rechte bildet das Fundament der Freiheit, der Gerechtigkeit und des Friedens in der Welt» (Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, Präambel).

4. Diese Worte hatten gewiß nicht nur das Ziel, sich von den furchtbaren Erfahrungen des letzten Weltkrieges zu distanzieren. Die Prinzipien sollten auch als Grundlage dienen für eine ständige Revision der gesellschaftlichen Ordnungen, Programme und Systeme, die unter diesem einzigen grundlegenden Gesichtspunkt zu geschehen hat, dem Wohl des Menschen als Person in der Gesellschaft. Während die Kirche ihre Freude über die gewachsene Sensibilität für die Achtung der Menschenrechte und deren Verwirklichung auch in Ihrem Land zum Ausdruck bringt, teilt sie gleichzeitig mit allen Menschen guten Willens die Sorge, ob die Annahme der Erklärung der Menschenrechte ihrem «Buchstaben» nach überall auch die Verwirklichung ihres «Geistes» bedeutet.

5. Wie Sie es in Ihrer Ansprache selbst anklingen lassen, sind Sie in dem Land, das Sie vertreten, auf dem Weg zu einem hohen Ziel: dem friedlichen Übergang zur Marktwirtschaft. Ich weiß es zu schätzen, daß Sie sich des inneren Widerspruchs einer Entwicklung bewußt sind, die allein auf die wirtschaftliche Seite beschränkt bliebe. Ein solches Ansinnen würde die menschliche Person und ihre tieferen Wünsche und Bedürfnisse allzu leicht dem wirtschaftlichen Konzept oder dem alleinigen Profit unterordnen. Die innere Verbindung zwischen wahrer Entwicklung eines Landes und Achtung der Menschenrechte offenbart den moralischen Charakter des wirtschaftlichen Prozesses. Die wahre Förderung des Menschen, die im Einklang mit der wesentlichen und geschichtlichen Berufung jedes einzelnen steht, erreicht man nicht, indem man sich ausschließlich um materielle Güter und Dienstleistungen bemüht oder über perfekte Infrastrukturen verfügt. Den Menschen nur die Hände zu füllen, wäre zu wenig. Es muß auch darum gehen, die Sehnsüchte ihrer Herzen zu stillen. Denn das «Sein» des Menschen ist mindestens so wichtig wie das «Haben».

6. Bei diesem Bemühen um die ganzheitliche Entwicklung des Menschen ist die Kirche gern zur Zusammenarbeit mit den Gliedern der christlichen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften, aber auch mit Anhängern anderer Religionen bereit. Denn es ist eine Pflicht für alle und jeden, für Mann und Frau, für Gesellschaften und Nationen, die Entwicklung jedes einzelnen und des ganzen Menschen so zu fördern, wie es seiner Würde als Person entspricht.

7. Wenn die einzelnen als Personen und Gemeinschaften nicht die moralischen, kulturellen und geistigen Erfordernisse gewissenhaft respektiert sehen, die auf der Würde der Person und auf der Identität beruhen, die jeder Gemeinschaft von der Familie bis hin zu religiösen Vereinigungen eigen ist, dann wird sich jeglicher äußerer Wohlstand und Lebensstandard langfristig als ungenügend erweisen. So kommt der Achtung der Menschenrechte im Innern eines Landes große Bedeutung zu: Besonders zu nennen sind das Recht auf Leben in jedem Stadium seiner Existenz; die Rechte der Familie, insofern sie die soziale Grundgemeinschaft oder «Zelle der Gesellschaft» ist; die Gerechtigkeit in den Arbeitsverhältnissen und besonders auch die Rechte, die sich von der transzendenten Berufung des Menschen herleiten. An der Spitze steht dabei das Recht auf die Freiheit, die eigene religiöse Überzeugung zu bekennen und zu praktizieren, worauf bereits das Zweite Vatikanische Konzil in der Erklärung Dignitatis humanae ausführlich hingewiesen hat.

8. Die Einschränkung der religiösen Freiheit von Personen und Gemeinschaften ist nicht nur eine schmerzliche Erfahrung, sondern trifft das Mark der Würde des Menschen unabhängig von der Religion, die er bekennt, oder von der Weltsicht, die ihn trägt. Die Beschränkung der Religionsfreiheit und deren Verletzung stehen im Gegensatz zur Würde des Menschen und zu seinen objektiven Rechten. So fühle ich mich verpflichtet, meinen Aufruf zu erneuern, mit dem ich mich am Anfang meines Pontifikates an alle gewandt habe, von denen in irgendeiner Weise die Gestaltung des sozialen und öffentlichen Lebens abhängt: «Wir fordern von ihnen dringend die Achtung der Rechte der Religion und des Wirkens der Kirche. Wir beanspruchen kein Privileg, sondern die Achtung eines elementaren Rechtes. Die Verwirklichung dieses Rechtes ist eine der grundlegenden Proben für den wahren Fortschritt des Menschen» (Enzyklika Redemptor hominis, 17).

9. Ich bin sicher, daß es gelingen wird, die bereits bestehenden guten und freundschaftlichen Beziehungen zwischen dem Heiligen Stuhl und der Kirgisischen Republik in diesem Sinne weiter auszubauen. Konkrete Schritte könnten sowohl die Anerkennung der Kirche als einer mit juristischer Persönlichkeit ausgestatteten Wirklichkeit wie auch ein gewisser Fortschritt auf dem Weg zum Abschluß eines Vertrages zwischen dem Heiligen Stuhl und der Kirgisischen Republik sein.

10. Gern erwidere ich die Grüße, die Sie, sehr geehrter Herr Botschafter, mir von Ihrem Herrn Staatspräsidenten übermittelt haben, dem ich meine Hochachtung ausdrücke. Am Anfang Ihrer Mission spreche ich Ihnen herzliche Glückwünsche aus und wende mich im Gebet an den Herrn, auf daß er seine reichen himmlischen Gaben auf Sie persönlich, Ihre Angehörigen und auf die Mitarbeiter der Botschaft Ihres geschätzten Landes ausgieße.


*Insegnamenti di Giovanni Paolo II, vol.  XXI, 2 pp. 1294-1297.

L'Osservatore Romano 18.12. 1998 pp.5, 8. 
 

 

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