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ANSPRACHE VON JOHANNES PAUL II.
ZUM "AD LIMINA"-BESUCH DER 
BISCHÖFE AUS VIETNAM

Dienstag, 22. Januar 2002

 

Herr Kardinal,
liebe Brüder im Bischofs- und Priesteramt!

1. Mit Freude empfange ich euch Bischöfe aus Vietnam: Ihr habt eine lange Reise unternommen, um in Rom euren Besuch »Ad-limina Apostolorum« zu machen. Durch diese Pilgerfahrt zu den Gräbern der Apostel Petrus und Paulus möchtet ihr euren Glauben und euren Dienst bekräftigen, für eure Diözesankirchen beten und die Bande der Gemeinschaft stärken, die euch mit dem Nachfolger Petri vereinen. Mein Wunsch ist, daß die verschiedenen Gelegenheiten zur Begegnung, die ihr erleben werdet, es euch ermöglichen, die Sendung der Liebe und des Dienstes unseres Heilands Jesu Christi mutig fortzusetzen und euch in eurem Dienst am Aufbau des Leibes Christi zu erneuern.

Ich danke Msgr. Paul Nguyên Van Hòa, Bischof von Nha Trang und neuer Präsident eurer Bischofskonferenz, für die Worte, die er soeben in eurem Namen an mich gerichtet hat. Damit hat er mich auch an den Zeichen der Hoffnung und an den pastoralen Sorgen eurer Diözesankirchen teilhaben lassen. All jenen unter euch, die erst vor kurzem die Bischofsweihe empfangen haben, spreche ich meine herzlichsten Glück- und Segenswünsche aus. Ich freue mich sehr, anläßlich dieses »Ad-limina«-Besuchs allen Bischöfen eurer Bischofskonferenz begegnen zu können. Es ist eine glückliche Fügung, daß wir diese Zeit intensiver geistlicher und brüderlicher Gemeinschaft alle gemeinsam erleben dürfen. Laßt bitte bei eurer Rückkehr in euer edles Land eure Priester, die Ordensmänner und Ordensfrauen, die Katecheten und die Laien, besonders die Jugendlichen, wissen, daß der Papst für sie betet und daß er sie ermutigt, die vom Evangelium gestellten Herausforderungen in Angriff zu nehmen. Ihr Vorbild seien die Heiligen und Märtyrer, die ihnen auf dem Weg der Heiligkeit vorangegangen sind und deren vergossenes Blut eine Saat neuen Lebens für das ganze Land ist. 

2. Seit eurem letzten »Ad-limina«-Besuch ist die Kirche in Asien in besonderer Weise zu einer Vertiefung der frohen Botschaft der Erlösung eingeladen worden, und zwar durch einen neuartigen Ansatz hinsichtlich der grundlegenden Frage der deutlichen Verkündigung des Heils an die Vielzahl von Asiaten, die noch nichts von Christus gehört haben. Genau wie die anderen Teilkirchen Asiens hat auch die katholische Gemeinschaft Vietnams eigene theologische, spirituelle und pastorale Überlegungen entwickelt im zeitlichen Rahmen der großen kirchlichen Ereignisse: die Sonderversammlung der Bischofssynode für Asien, die einzigartig reiche Erfahrung des Großen Jubiläums des Jahres 2000 und die jüngste Ordentliche Vollversammlung der Bischofssynode, an der einige von euch zu ihrer großen Freude teilgenommen haben. Die Liebe zu Christus spornt die Kirche dazu an, das Evangelium zu verkünden, und drängt die Bischöfe zur Förderung dieser Evangelisierung als erster Aufgabe und Verantwortung ihres Amtes. 

3. Die Kirche in Vietnam ist zum »Hinausfahren« aufgerufen, und ich möchte euch daher ermutigen, in euren Pastoralprogrammen besonderen Wert auf die Evangelisierung und die Mission zu legen. Ich kenne euren Einsatz und die schwierigen Umstände, unter denen ihr euren Auftrag ausüben müßt. Möge das Wehen des Heiligen Geistes eure apostolischen Initiativen fruchtbar machen, um auf diese Weise eurer Predigttätigkeit, der Katechese, der Ausbildung der Priester und Ordensleute, dem Gebet der Gläubigen und dem Apostolat bei den Jugendlichen und Familien einen neuen Impuls zu geben! In euren Diözesen und auf Ebene der Bischofskonferenz seid ihr darum bemüht, seelsorgliche Entscheidungen zu treffen, die der Situation und den Bedürfnissen eurer Teilkirche entsprechen, und dabei den menschlichen Nährboden um euch herum zu berücksichtigen: Dieser ist geprägt von den vielfältigen Kulturen und den zahlreichen religiösen Traditionen, aus denen sich die geistige Landschaft eurer Nation zusammensetzt. In diesem Geist ist die Struktur der Bischofskonferenz, die ihr vor kurzem errichtet habt, insbesondere durch die Schaffung spezieller Kommissionen, ein Werkzeug im Dienst an dieser neuen missionarischen Dynamik, die eure Gemeinden brauchen. 

Die Dringlichkeit der Missionierung muß stets eure mutigen Entscheidungen beseelen. Ihr seid dabei vom Heiligen Geist, der vorrangigen Wirkkraft der Evangelisierung, erfüllt, und mit seiner Hilfe werdet ihr auch in der Lage sein, den Anforderungen der Verkündigung des Evangeliums wirksam zu entsprechen. 

Eure Fünfjahresberichte haben schon mehrfach auf die Notwendigkeit hingewiesen, die katechetische Erstausbildung sowie die ständige Weiterbildung von Priestern, Ordensmännern, Ordensfrauen und Laien zu entwickeln. Die vielen Jahre des Kriegs, die Versprengung der christlichen Gemeinschaften und die Ungleichheit des Bildungsniveaus der Gläubigen haben die Ausarbeitung und Organisation dieser Schulung erschwert. Ich ermutige euch daher, alle Initiativen zu fördern und zu unterstützen, die es den Hirten und Gläubigen durch eine geeignete Ausbildung ermöglichen, ihren Glauben aufzubauen und nach ihm zu leben, um ihn besser bezeugen zu können. Es ist besonders wichtig, ihnen eine solide Unterweisung in der Soziallehre der Kirche zu bieten. 

  4. Zur Fortsetzung ihrer Sendung der Liebe und des Dienstes ist die katholische Kirche auch dazu eingeladen, ihre Hoffnung mit den anderen zu teilen, indem sie unablässig den Weg des Dialogs vorschlägt; dieser hat seinen Ursprung im heilbringenden Liebesdialog des Vaters mit der Menschheit – durch den Sohn mit der Kraft des Heiligen Geistes – und schöpft aus ihm seine Fruchtbarkeit. Nur ein vertrauensvoller und konstruktiver Dialog zwischen allen Mitgliedern der zivilen Gesellschaft wird es ermöglichen, dem gesamten vietnamesischen Volk eine neue Hoffnung zu geben. Für die Christen nährt dieser von Nächstenliebe erfüllte und im Wunsch nach einer echten Begegnung mit Christus, dem Heiland, verwurzelte Dialog die lebendige Beziehung zu jedem Mitmenschen in seiner unveräußerlichen Würde als Kind Gottes, vor allem wenn er Armut oder Ausgrenzung erfahren muß. 

Fordert die Gemeinden dazu auf, Christus im Gesicht jener Menschen zu betrachten, mit denen er selbst sich identifizieren wollte, und in dieser Begegnung die Treue der Kirche gegenüber ihrer Sendung zu erkennen! 

5. Das II. Vatikanische Konzil erinnert uns daran: »Die Kirche darf in keiner Weise hinsichtlich ihrer Aufgabe und Zuständigkeit mit der politischen Gemeinschaft verwechselt werden und ist an kein politisches System gebunden.« Aus diesem Grunde »sind die politische Gemeinschaft und die Kirche auf je ihrem Gebiet voneinander unabhängig und autonom«. Da jedoch beide aufgerufen sind, ihren besonderen Auftrag zum Wohl derselben Menschen zu erfüllen, wird ihr Dienst umso wirkungsvoller sein, »je mehr und besser sie rechtes Zusammenwirken miteinander pflegen« (vgl. Gaudium et spes, 76). 

Im Namen dieses »rechten Zusammenwirkens« lädt die Kirche alle ihre Mitglieder ein, sich loyal für die Entfaltung aller Menschen und für den Aufbau einer gerechten, solidarischen und redlichen Gesellschaft einzusetzen. Sie beabsichtigt in keiner Weise, sich an die Stelle der Verantwortlichen der Nation zu setzen und das individuelle und gemeinschaftliche Handeln der Menschen zu ersetzen, denn sie möchte einzig und allein ihrem spezifischen Auftrag nachkommen können. In einem Geist des Dialogs und der brüderlichen Zusammenarbeit möchte sie aber durch ihre Mitglieder auch in angemessener Weise am Leben der Nation Anteil nehmen, im Dienst am ganzen Volk und an der Einheit der Gesellschaft. Durch ihre aktive Teilhabe an der menschlichen und geistigen Entwicklung der Personen – an dem Platz, der ihr zukommt, und gemäß ihrer besonderen Berufung – »vermittelt die Kirche nicht nur den Menschen das göttliche Leben, sondern läßt dessen Widerschein mehr oder weniger auf die ganze Welt fallen, vor allem durch die Heiligung und Hebung der menschlichen Personwürde, durch die Festigung des menschlichen Gemeinschaftsgefüges, durch die Erfüllung des alltäglichen menschlichen Schaffens mit tieferer Sinnhaftigkeit und Bedeutung« (ebd., 40). 

Um dieses »rechte Zusammenwirken« verwirklichen zu können, erwartet die Kirche von der politischen Gemeinschaft die vollständige Achtung ihrer Unabhängigkeit und Autonomie. Das so wertvolle Gut der Religionsfreiheit – von der im II. Vatikanischen Konzil, in den internationalen Erklärungen und Abkommen die Rede ist – betrifft sowohl den einzelnen als auch die Religionsgemeinschaften. Den Einzelpersonen sichert die Religionsfreiheit das Recht, ihre Religion ohne äußeren Zwang zu bekennen und auszuüben, eine an ihren Glaubensgrundsätzen ausgerichtete Erziehung zu erhalten, ihrer religiösen Berufung zu folgen und öffentliche wie private Handlungen vorzunehmen, in denen sich ihre innerliche Beziehung zu Gott und zu ihren Brüdern und Schwestern äußert. Den Religionsgemeinschaften garantiert die Religionsfreiheit verschiedene grundlegende Rechte, wie zum Beispiel:sich unabhängig zu verwalten; den öffentlichen Gottesdienst ohne Einschränkung zu feiern; den eigenen Glauben öffentlich zu lehren und ihn mündlich und schriftlich zu bezeugen; ihre Mitglieder in der Praxis des religiösen Lebens zu unterstützen; die eigenen Amtsträger auszuwählen, auszubilden, zu ernennen und zu versetzen;die einzigartige Kraft ihrer Soziallehre darzulegen; Initiativen im erzieherischen, kulturellen, karitativen und sozialen Bereich zu entfalten (vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dignitatis humanae, 4). Ich spreche den innigen Wunsch aus, daß alle Glieder der Nation sich zusammentun, um eine Zivilisation der Liebe zu fördern, die auf den universalen Werten des Friedens, der Gerechtigkeit, der Solidarität und der Freiheit gründet. 

6. Wie könnten wir nicht danken für die Vitalität und den Mut der Laien eurer Diözesen, die unter oft schwierigen Umständen ihren Glauben zu leben und zu feiern berufen sind! Durch ihr glaubhaftes und begeistertes Zeugnis sind sie die würdigen Erben ihrer Vorgänger auf dem Weg des Evangeliums. Ich lade sie ein, sich ihrer Berufung als Getaufte immer ernster bewußt zu werden und »die Rolle zu übernehmen, die ihnen als Zeugen Christi überall, wo sie sich befinden, in Leben und Sendung des Volkes Gottes zukommt« (vgl. Ecclesia in Asia, 45). Es müssen ihnen Mittel zur Verfügung gestellt werden, um ihnen eine Schulung zu ermöglichen, die sie zu Zeugen im sozialen, politischen und wirtschaftlichen Leben macht. Blüte der Berufungen zum geweihten Leben 

Herzlich grüße ich die Priester, eure wertvollen Mitarbeiter, die das Evangelium Christi voller Mut und Zuversicht im Land verkünden. Ich weiß, mit welcher Großherzigkeit und Hingabe sie sich für die Schaffung brüderlicher Gemeinschaften einsetzen, die das Bild einer aufnahmebereiten und missionarischen Kirche bieten. Sie sind sich dessen bewußt, daß die Evangelisierungsaufgabe Sache des gesamten Gottesvolkes ist und einen neuen Einsatz, neue Methoden und eine neue Sprache erfordert. Es liegt an euch, ihnen immer näher zu sein, um sie in ihren Pastoralprojekten zu unterstützen, ihr Alltagsleben aufmerksam zu verfolgen und sie vor allem dann zu begleiten, wenn sie Prüfungen durchmachen, die mit ihrem Amt in Zusammenhang stehen. Auch ist es nötig, ihnen eine geistige und intellektuelle Ausbildung zu bieten, die den missionarischen Herausforderungen, vor denen sie stehen, gerecht wird. 

Ich freue mich über die Bereitwilligkeit, die zahlreiche junge Menschen eurer Diözesen dazu führt, alles zu verlassen, um im Priesteramt hochherzig auf den Aufruf Christi zu antworten und so zu treuen Verwaltern seiner Geheimnisse zu werden. Dies ist ein beredtes Zeichen kirchlicher Vitalität, die durch die jungen Menschen zum Ausdruck kommt. Sie sehnen sich nach spirituellen Werten, die sie ihrerseits mit allen ihren Brüdern und Schwestern teilen möchten. Es obliegt euch, über die Voraussetzungen einer soliden Ausbildung und Prüfung der Berufung zu wachen, indem ihr mit Sorgfalt Dozenten und Professoren auswählt, die ihre menschliche und priesterliche Reife erreicht haben. 

Die Blüte der Berufungen zum geweihten Leben, besonders zum religiösen Leben in den weiblichen Ordensgemeinschaften, ist mit Sicherheit ein wundervolles Geschenk Gottes an die Kirche in Vietnam, für das man danken muß und auf das die Kirche nicht verzichten kann. Ich ermutige alle geweihten Menschen, in ihrem missionarischen Engagement nicht nachzulassen und sich mit neuem Eifer der Verkündigung Christi und dem Dienst an allen Menschen zu widmen. Mögen die geweihten Menschen – nach dem Vorbild des furchtlosen Zeugnisses, das die Ordensinstitute im Laufe der vergangenen Jahrhunderte geliefert haben – nicht aufhören, sich von der Gnade Gottes verwandeln zu lassen, indem sie sich immer mehr dem Evangelium anvertrauen! 

7. Liebe Brüder im Bischofsamt! Ich möchte euch noch einmal für eure beispielhafte Großherzigkeit und Einsatzfreude danken. Ich sage Dank für eure Standhaftigkeit und für euer unerschrockenes Zeugnis. Die christliche Hoffnung mache eure apostolischen Bemühungen fruchtbar, und gebe euch neue Kräfte zur Verkündigung Christi, des Erlösers, der gekommen ist, »damit sie [die Menschen] das Leben haben und es in Fülle haben« (Joh 10, 10 )! 

Ich empfehle euch der Fürsprache Unserer Lieben Frau von La Vang, die ihr im vergangenen Jahr anläßlich des 100. Jahrtages des großen Marienkongresses vom 15. August ganz besonders gefeiert habt. Ich kenne euer vollkommenes Vertrauen in die Mutter Christi. Möge sie euren Weg erleuchten! Jedem von euch, euren Priestern, den Ordensmännern und Ordensfrauen und allen Laiengläubigen Vietnams erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. 

        

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