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ANSPRACHE VON JOHANNES PAUL II.
AN DEN ERZBISCHOF VON CANTERBURY
UND PRIMAT DER ANGLIKANISCHEN GEMEINSCHAFT,
ROWAN DOUGLAS WILLIAMS 

Samstag, 5. Oktober 2003

 

Hochwürdiger und verehrter Herr
Erzbischof von Canterbury,
Rowan Williams!

Es ist mir eine große Freude, Sie hier beim Heiligen Stuhl zu Ihrem ersten Besuch als Erzbischof von Canterbury willkommen zu heißen. Sie setzen eine unmittelbar vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil mit dem Besuch von Erzbischof Geoffrey Fisher begonnene Tradition fort und sind nun der vierte Erzbischof von Canterbury, den ich im Verlauf meines Pontifikats begrüßen darf. In lebendiger Erinnerung ist mir auch mein eigener Besuch in Canterbury im Jahr 1982 und die bewegende Erfahrung des gemeinsamen Gebets mit Erzbischof Robert Runcie am Grab des hl. Thomas Becket.

Nach vier Jahrhunderten, die seit der traurigen Spaltung zwischen uns vergangen sind und in denen wenige oder keinerlei Kontakte zwischen unseren Vorgängern bestanden, ist nun eine Reihe gnadenreicher Begegnungen zwischen dem Bischof von Rom, dem Nachfolger Petri, und dem Erzbischof von Canterbury in die Wege geleitet worden. Ziel dieser Treffen ist die Erneuerung der Bande zwischen dem Sitz des Erzbischofs von Canterbury und dem Heiligen Stuhl, die auf den hl. Augustinus, den ersten Erzbischof von Canterbury, zurückgehen, den Papst Gregor der Große gegen Ende des 6. Jahrhunderts in die angelsächsischen Gebiete gesandt hatte. In der heutigen Zeit haben diese Begegnungen auch unserer Hoffnung auf jene volle Gemeinschaft Ausdruck verliehen, die der Heilige Geist für uns will und von uns verlangt.

Wenn wir nun für die bereits gemachten Fortschritte danken, müssen wir doch eingestehen, daß neue und ernste Schwierigkeiten auf dem Weg der Einheit aufgetreten sind. Diese Probleme sind nicht lediglich disziplinärer Natur; einige beziehen sich auch auf grundlegende Fragen des Glaubens und der Moral. Vor diesem Hintergrund sollten wir unsere Verpflichtung bekräftigen, aufmerksam und aufrichtig der Stimme Christi zu folgen, die durch das Evangelium und die apostolische Tradition der Kirche zu uns gelangt. Angesichts der zunehmenden Säkularisierung der heutigen Welt muß die Kirche dafür sorgen, daß der Glaubensschatz unversehrt verkündet und vor falschen und irrigen Interpretationen bewahrt wird.

Als unser theologischer Dialog aufgenommen wurde, konnten unsere Vorgänger, Papst Paul VI. und Erzbischof Michael Ramsey, nicht die genaue Entwicklung und die Dauer des Weges zur vollen Einheit voraussehen, aber sie wußten, daß er Geduld und Ausdauer erfordern und allein als Geschenk des Heiligen Geistes kommen würde. Der von ihnen begonnene Dialog sollte »auf den Evangelien und den alten gemeinsamen Traditionen gegründet sein«; er sollte einhergehen mit der Förderung jener Zusammenarbeit, die »zu größerem Verständnis und tieferer Nächstenliebe führen würde«; ferner wurde der Hoffnung Ausdruck verliehen, daß durch die fortschreitende Einheit »der Friede in der Welt gesichert werden könne, jener Friede, den allein derjenige gewähren kann, der den ›alle Erkenntnis übersteigenden Frieden‹ schenkt« (vgl. Gemeinsame Erklärung, 1966).

Auch in Zukunft müssen wir auf dem aufbauen, was die Anglikanisch/Römisch-Katholische Internationale Kommission (ARCIC) bereits erreicht hat, und auf den Initiativen der unlängst eingerichteten Gemeinsamen Kommission für Einheit und Mission (IARCCUM). Die Welt braucht das Zeugnis unserer Einheit, die in unserer gegenseitigen Liebe und in unserem Gehorsam gegenüber Christus und seinem Evangelium wurzelt. Es ist die Treue zu Christus, die uns verpflichtet, weiterhin nach der vollen und sichtbaren Einheit zu streben und angemessene Wege zu finden, um uns, wo immer es möglich ist, im gemeinsamen Zeugnis und in der gemeinsamen Sendung einzusetzen.

Ermutigend ist die Tatsache, daß Sie mir so kurz nach dem Antritt Ihres Amtes als Erzbischof von Canterbury diesen Besuch abgestattet haben. Wir teilen den Wunsch, unsere Gemeinschaft zu vertiefen. Ich bete für eine neue Ausgießung des Heiligen Geistes für Sie und alle, die Ihnen nahestehen, für diejenigen, die Sie auf dieser Reise begleitet haben, und für alle Mitglieder der Anglikanischen Gemeinschaft. Gott möge Sie beschützen, stets über Ihnen wachen und Sie bei der Erfüllung Ihrer schweren verantwortungsvollen Aufgabe führen. Gemeinsam wollen wir am heutigen Fest des hl. Franz von Assisi, eines Apostels des Friedens und der Versöhnung, dafür beten, daß der Herr uns zu Werkzeugen Seines Friedens mache. Auf daß wir dort Vergebung erwirken, wo Unrecht herrscht; daß wir Liebe säen, wo gehaßt wird; daß unser demütiges Bemühen um Einheit überall dort Hoffnung bringen möge, wo Verzweiflung herrscht.

 



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