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BENEDIKT XVI.

GENERALAUDIENZ

Petersplatz
Mittwoch, 11. April 2012

[Video]

 

Liebe Brüder und Schwestern!

Nach den Osterfeierlichkeiten ist unsere heutige Begegnung von geistlicher Freude durchdrungen. Auch wenn der Himmel trübe ist, tragen wir doch im Herzen die Osterfreude, die Gewißheit der Auferstehung Christi, der endgültig über den Tod triumphiert hat. Zunächst richte ich an jeden von euch erneut einen herzlichen Ostergruß: In allen Häusern und in allen Herzen möge die freudige Verkündigung der Auferstehung Christi erklingen, die die Hoffnung neu entstehen läßt.

In dieser Katechese möchte ich die Verwandlung aufzeigen, die Christus in seinen Jüngern hervorgerufen hat. Beginnen wir beim Abend des Auferstehungstages. Die Jünger haben sich aus Furcht vor den Juden im Haus eingeschlossen (vgl. Joh 20,19). Die Angst zieht das Herz zusammen und hindert einen daran, den anderen entgegenzugehen, dem Leben entgegenzugehen.

Der Meister ist nicht mehr da. Die Erinnerung an sein Leiden nährt die Ungewißheit. Aber Jesus liegen die Seinen am Herzen, und er hält das Versprechen, das er beim Letzten Abendmahl gegeben hatte: »Ich werde euch nicht als Waisen zurücklassen, sondern ich komme wieder zu euch« (Joh 14,18). Und das sagt er auch zu uns, auch in trüben Zeiten: »Ich werde euch nicht als Waisen zurücklassen.« Diese Situation, in der die Jünger voll Furcht sind, ändert sich radikal durch die Ankunft Jesu. Er tritt durch die verschlossenen Türen ein, steht mitten unter ihnen und schenkt den beruhigenden Frieden: »Friede sei mit euch!« (Joh 20,19b). Es ist ein gewöhnlicher Gruß, der jetzt jedoch eine neue Bedeutung bekommt, weil er eine innere Verwandlung bewirkt; es ist der österliche Gruß, der die Jünger alle Furcht überwinden läßt. Der Friede, den Jesus bringt, ist die Heilsgabe, die er in seinen Abschiedsreden verheißen hatte: »Frieden hinterlasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch; nicht einen Frieden, wie die Welt ihn gibt, gebe ich euch. Euer Herz beunruhige sich nicht und verzage nicht« (Joh 14,27). Am Auferstehungstag schenkt er ihn in Fülle, und er wird für die Gemeinschaft zur Quelle der Freude, zur Gewißheit des Sieges, zur Sicherheit, wenn wir uns auf Gott stützen. »Euer Herz beunruhige sich nicht und verzage nicht« (Joh 14,1), sagt er auch zu uns.

Nach diesem Gruß zeigt Jesus den Jüngern die Wunden an seinen Händen und an seiner Seite (vgl. Joh 20,20), Zeichen dessen, was gewesen ist und nie mehr ausgelöscht wird: Seine verherrlichte Menschennatur bleibt »verwundet«. Diese Geste hat den Zweck, die neue Wirklichkeit der Auferstehung zu bekräftigen: Christus, der jetzt unter den Seinen steht, ist eine reale Person, derselbe Jesus, der drei Tage zuvor ans Kreuz geschlagen wurde. Und so erfassen die Jünger im strahlenden Osterlicht, in der Begegnung mit dem Auferstandenen, den heilbringenden Sinn seines Leidens und seines Todes. Da verwandeln sich in ihnen Trauer und Furcht in tiefe Freude. Die Trauer und die Wunden selbst werden zur Quelle der Freude. Die Freude, die in ihrem Herzen entsteht, kommt daher, daß sie »den Herrn sahen« (Joh 20,20). Er sagt noch einmal zu ihnen: »Friede sei mit euch!« (V. 21). Es ist nunmehr offensichtlich, daß es nicht nur ein Gruß ist. Es ist ein Geschenk, »das« Geschenk, das der Auferstandene seinen Freunden machen will, und gleichzeitig ist es eine Weisung: Dieser Friede, den Christus mit seinem Blut erworben hat, ist für sie und für alle Menschen, und die Jünger sollen ihn in die ganze Welt tragen. Denn er fügt hinzu: »Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch« (ebd.). Der auferstandene Jesus ist zu den Jüngern zurückgekehrt, um sie auszusenden.

Er hat sein Werk in der Welt vollendet, jetzt ist es an ihnen, in den Herzen den Glauben auszusäen, damit der Vater geliebt und gekannt wird und alle seine Kinder aus der Zerstreuung sammeln kann. Aber Jesus weiß, daß die Seinen noch von viel Furcht erfüllt sind, immer. Daher haucht er sie an und erneuert sie in seinem Heiligen Geist (vgl. Joh 20,22); diese Geste ist das Zeichen der neuen Schöpfung. Denn mit der Gabe des Heiligen Geistes, der aus dem auferstandenen Christus hervorgeht, beginnt eine neue Welt. Mit der Aussendung der Jünger wird in der Welt der Weg des Volkes des Neuen Bundes eröffnet, des Volkes, das an ihn und an sein Heilswirken glaubt, des Volkes, das die Wahrheit der Auferstehung bezeugt. Diese Neuheit eines unvergänglichen Lebens, das durch Ostern gebracht wird, muß überall verbreitet werden, damit die Dornen der Sünde, die das Herz des Menschen verwunden, dem Samen der Gnade Raum geben, der Gegenwart Gottes und seiner Liebe, die Sünde und Tod überwinden.

Liebe Freunde, auch heute tritt der Auferstandene in unsere Häuser und in unsere Herzen ein, obwohl die Türen manchmal verschlossen sind. Er tritt ein und schenkt Freude und Frieden, Leben und Hoffnung: Gaben, die wir für unsere menschliche und geistliche Neugeburt brauchen. Nur er kann jene Grabsteine wegwälzen, die der Mensch oft auf seine Empfindungen, seine Beziehungen, sein Verhalten legt – Steine, die den Tod bestimmen: Spaltungen, Feindschaften, Groll, Neid, Mißtrauen, Gleichgültigkeit. Nur er, der Lebendige, kann der Existenz Sinn verleihen und jene, die müde und traurig sind, die kein Vertrauen und keine Hoffnung haben, den Weg wieder aufnehmen lassen. Das haben die beiden Jünger erfahren, die am Ostertag auf dem Weg von Jerusalem nach Emmaus waren (vgl. Lk 24,13–35). Sie sprechen über Jesus, aber ihr trauriges Gesicht (vgl. V. 17) bringt enttäuschte Hoffnung, Ungewißheit und Schwermut zum Ausdruck. Sie hatten ihr Dorf verlassen, um Jesus mit seinen Freunden nachzufolgen, und hatten eine neue Wirklichkeit entdeckt, in der Vergebung und Liebe nicht mehr nur Worte waren, sondern das Leben konkret berührten. Jesus von Nazaret hatte alles neu gemacht, hatte ihr Leben verwandelt. Aber jetzt war er gestorben und alles schien zu Ende zu sein.

Plötzlich sind jedoch nicht mehr zwei, sondern drei Personen unterwegs. Jesus kommt zu den beiden Jüngern hinzu und geht mit ihnen, aber sie sind unfähig, ihn zu erkennen. Gewiß, sie haben die Gerüchte über seine Auferstehung gehört, denn sie berichten ihm: »Einige Frauen aus unserem Kreis haben uns in große Aufregung versetzt. Sie waren in der Frühe beim Grab, fanden aber seinen Leichnam nicht. Als sie zurückkamen, erzählten sie, es seien ihnen Engel erschienen und hätten gesagt, er lebe« (V. 22–23). All das reichte jedoch nicht aus, um sie zu überzeugen: »Ihn selbst aber sahen sie nicht« (V. 24). Daraufhin legte Jesus ihnen geduldig dar, »ausgehend von Mose und allen Propheten, was in der gesamten Schrift über ihn geschrieben steht« (V. 27). Der Auferstandene erläutert den Jüngern die Heilige Schrift und bietet ihren grundlegenden Interpretationsschlüssel: sich selbst und sein Ostergeheimnis.

Über ihn legen die Schriften Zeugnis ab (vgl. Joh 5,39–47). Plötzlich weitet sich der Sinn von allem, der Sinn des Gesetzes, der Propheten und der Psalmen; er wird vor ihren Augen deutlich. Jesus hatte ihnen die Augen für das Verständnis der Schrift geöffnet (vgl. Lk 24,45). Inzwischen waren sie im Dorf angekommen, wahrscheinlich beim Haus eines von ihnen. Der fremde Weggefährte tut, »als wolle er weitergehen « (V. 28), aber dann bleibt er, weil sie ihn inständig bitten: »Bleib doch bei uns« (V. 29). Auch wir müssen dem Herrn immer wieder inständig sagen: »Bleib doch bei uns.« »Als er mit ihnen bei Tisch war, nahm er das Brot, sprach den Lobpreis, brach das Brot und gab es ihnen« (V. 30). Der Verweis auf die Gesten, die Jesus beim Letzten Abendmahl vollbracht hat, ist offensichtlich. »Da gingen ihnen die Augen auf und sie erkannten ihn« (V. 31). Die Gegenwart Jesu, erst mit Worten und dann mit der Geste des Brotbrechens, ermöglicht es den Jüngern, ihn zu erkennen, und sie können auf neue Weise spüren, was sie bereits empfunden hatten, als sie mit ihm gingen: »Brannte uns nicht das Herz in der Brust, als er unterwegs mit uns redete und uns den Sinn der Schrift erschloß?« (V. 32). Diese Episode verweist uns auf zwei vorrangige »Orte«, an denen wir dem Auferstandenen begegnen können, der unser Leben verwandelt: das Hören des Wortes, in Gemeinschaft mit Christus, und das Brechen des Brotes; zwei »Orte«, die zutiefst miteinander verbunden sind, denn »Wort und Eucharistie gehören so eng zueinander, daß eines nicht ohne das andere verstanden werden kann: Das Wort Gottes wird im eucharistischen Geschehen sakramentales Fleisch« (Nachsynodales Apostolisches Schreiben Verbum Domini, 55).

Nach dieser Begegnung, »noch in derselben Stunde, brachen [die beiden Jünger] auf und kehrten nach Jerusalem zurück, und sie fanden die Elf und die anderen Jünger versammelt. Diese sagten: Der Herr ist wirklich auferstanden und ist dem Simon erschienen« (V. 33–34). In Jerusalem hören sie die Nachricht der Auferstehung Jesu und berichten ihrerseits über ihre eigene Erfahrung, entflammt von der Liebe zum Auferstandenen, der ihnen das Herz geöffnet hat für eine überschwengliche Freude. Wie der hl. Petrus sagt, wurden sie in seinem großen Erbarmen neu geboren zu einer lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten (vgl. 1 Petr 1,3). Denn in ihnen entsteht wieder die Begeisterung für den Glauben, die Liebe zur Gemeinschaft, das Bedürfnis, die gute Nachricht weiterzugeben. Der Meister ist auferstanden, und mit ihm ersteht alles Leben auf; dies zu bezeugen wird für sie zu einer Notwendigkeit, die nicht unterdrückt werden kann.

Liebe Freunde, die Osterzeit möge für uns alle eine günstige Gelegenheit sein, um mit Freude und Begeisterung die Quellen des Glaubens, die Gegenwart des Auferstandenen unter uns neu zu entdecken. Es geht darum, denselben Weg zu gehen, den Jesus die beiden Emmausjünger zurücklegen ließ, durch die Neuentdeckung des Wortes Gottes und der Eucharistie, also mit dem Herrn zu gehen und sich die Augen öffnen zu lassen für den wahren Sinn der Schrift und für seine Gegenwart im Brechen des Brotes. Der Höhepunkt dieses Weges, damals wie heute, ist die eucharistische Kommunion: In der Kommunion nährt uns Jesus mit seinem Leib und seinem Blut, um in unserem Leben gegenwärtig zu sein, um uns neu zu machen, beseelt von der Kraft des Heiligen Geistes.

Abschließend lädt uns die Erfahrung der Jünger ein, über den Sinn des Osterfestes für uns nachzudenken. Wir wollen dem auferstandenen Jesus begegnen! Er, der Lebendige und Wahre, ist immer unter uns gegenwärtig; er geht mit uns, um unser Leben zu leiten, um unsere Augen zu öffnen. Haben wir Vertrauen in den Auferstandenen, der die Macht hat, das Leben zu schenken, damit wir als Kinder Gottes neu geboren werden, fähig zu glauben und zu lieben. Der Glaube an ihn verwandelt unser Leben: Er befreit es von der Angst, er gibt ihm feste Hoffnung, er läßt es beseelt sein von dem, was der Existenz den vollen Sinn verleiht: von der Liebe Gottes. Danke.

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Mit Freude grüße ich die deutschsprachigen Pilger und Besucher, besonders die Seminaristen aus Graz-Seckau und Gurk mit ihren Bischöfen Egon Kapellari und Alois Schwarz. Heute will der auferstandene Herr, wie ich sagte, auch in unsere Häuser und Herzen eintreten, auch wenn sie durch Sorge, Angst oder Schuld verschlossen sind. Laden wir Jesus Christus ein, zu uns zu kommen, uns zu verwandeln, damit er unser Leben und unsere Freude sei. Die Freude des Auferstandenen begleite euch in die kommenden Wochen hinein!

 

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