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  HEILIGE MESSE AM HOCHFEST
DER AUFNAHME MARIENS IN DEN HIMMEL

PREDIGT VON BENEDIKT XVI.

Pfarrkirche "San Tommaso da Villanova", Castel Gandolfo
Samstag, 15. August 2009

 

Verehrte Mitbrüder im bischöflichen und priesterlichen Dienst,
liebe Brüder und Schwestern!

Das heutige Hochfest bildet die Krönung jener Reihe von großen liturgischen Feiern, in denen wir aufgerufen sind, die Rolle der seligen Jungfrau in der Heilsgeschichte zu betrachten. Denn die Unbefleckte Empfängnis, die Verkündigung, die Göttliche Mutterschaft und die Aufnahme in den Himmel sind grundlegende und zuinnerst miteinander verbundene Etappen, mit denen die Kirche die glorreiche Bestimmung der Mutter Gottes lobpreist und besingt, in denen wir aber auch unsere eigene Geschichte lesen können. Das Geheimnis der Empfängnis Mariens ruft die erste Seite der Geschichte des Menschen in Erinnerung und zeigt uns, daß der Mensch im göttlichen Schöpfungsplan die Reinheit und Schönheit der Unbefleckten haben sollte. Dieser Plan wurde durch die Sünde zwar beeinträchtigt, aber nicht zerstört, und er ist durch die Menschwerdung des Sohnes Gottes, die in Maria verkündigt und verwirklicht wurde, wiederhergestellt und der freien Annahme seitens des Menschen im Glauben anheim gestellt worden. Bei der Aufnahme Mariens in den Himmel betrachten wir schließlich das, wozu wir in der Nachfolge Christi, des Herrn, und im Gehorsam gegenüber seinem Wort am Ende unseres Weges auf Erden berufen sind.

Die letzte Etappe der irdischen Pilgerschaft der Mutter Gottes lädt uns ein, darauf zu blicken, wie sie ihren Weg hin zum Ziel der glorreichen Ewigkeit zurückgelegt hat.

Im Abschnitt aus dem soeben verkündeten Evangelium berichtet der hl. Lukas, daß sich Maria nach der Verkündigung durch den Engel »auf den Weg [machte] und in eine Stadt im Bergland von Judäa [eilte]«, um Elisabet zu besuchen (Lk 1,39). Mit diesen Worten will der Evangelist hervorheben, daß für Maria die Befolgung ihrer Berufung im Gehorsam gegenüber dem Geist Gottes, der in ihr die Menschwerdung des Wortes gewirkt hat, die Bedeutung annimmt, einen neuen Weg zu beschreiten, sofort einen Weg außerhalb ihres Hauses zu gehen und sich dabei allein von Gott führen zu lassen. Die »Eile« Mariens kommentierend, stellt der hl. Ambrosius fest: »Die Gnade des Heiligen Geistes kennt keine langsamen, schwerfälligen Schritte« (Expos. Evang. sec. Lucam, II, 19: PL 15,1560). Das Leben der Gottesmutter wird von einem anderen geleitet – »Ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast« (Lk 1,38) –, es wird vom Heiligen Geist geformt, es ist von Ereignissen und Begegnungen wie jener mit Elisabet geprägt, vor allem aber von der so besonderen Beziehung zu ihrem Sohn Jesus. Es ist ein Weg, auf dem Maria im Herzen die Ereignisse ihres Daseins bewahrt, über sie nachdenkt und so in ihnen auf immer tiefere Weise den geheimnisvollen Plan Gottes, des Vaters, für das Heil der Welt erblickt.

Maria folgt dann Jesus von Betlehem ins Exil nach Ägypten, im verborgenen und im öffentlichen Leben, bis hin unters Kreuz; so lebt sie ihren steten Aufstieg zu Gott im Geist des Magnificat und stimmt auch in den Augenblicken der Dunkelheit und des Leides ganz dem Liebesplan Gottes zu und nährt im Herzen die vollkommene Selbsthingabe in die Hände des Herrn, so daß sie Vorbild für den Glauben der Kirche ist (vgl. Lumen Gentium, 64–65).

Das ganze Leben ist eine Himmelfahrt, das ganze Leben ist Betrachtung, Gehorsam, Vertrauen und Hoffnung, auch in der Dunkelheit; und das ganze Leben ist diese »heilige Eile«, die weiß, daß Gott immer den Vorrang hat und nichts anderes unser Dasein in Eile versetzen soll.

Und schließlich erinnert uns Mariä Himmelfahrt daran, daß das Leben Mariens wie das eines jeden Christen ein Weg der Nachfolge, der Nachfolge Jesu ist, ein Weg, der ein genaues Ziel hat, eine bereits abgesteckte Zukunft: den endgültigen Sieg über die Sünde und den Tod und die volle Gemeinschaft mit Gott, denn – wie der hl. Paulus im Brief an die Epheser schreibt – der Vater »hat uns mit Christus Jesus auferweckt und uns zusammen mit ihm einen Platz im Himmel gegeben« (Eph 2,6). Das will besagen, daß wir mit der Taufe grundsätzlich bereits auferweckt sind und im Himmel einen Platz in Jesus Christus haben, wir aber leiblich das erreichen müssen, was in der Taufe bereits begonnen hat und Wirklichkeit geworden ist. In uns ist die Einheit mit Christus, die Auferstehung, unvollkommen, für die Jungfrau Maria aber ist sie vollbracht, trotz des Weges, den auch die Gottesmutter unternehmen mußte. Sie ist in die Fülle der Einheit mit Gott, mit ihrem Sohn eingegangen, sie zieht uns zu sich und begleitet uns auf unserem Weg.

In der in den Himmel aufgenommenen Maria betrachten wir nun jene Frau, die durch ein einzigartiges Vorrecht mit Seele und Leib des endgültigen Sieges Christi über den Tod teilhaftig geworden ist. »Schließlich wurde sie«, so sagt das II. Vatikanische Konzil, »nach Vollendung des irdischen Lebenslaufs mit Leib und Seele in die himmlische Herrlichkeit aufgenommen und als Königin des Alls vom Herrn erhöht, um vollkommener ihrem Sohn gleichgestaltet zu sein, dem Herrn der Herren (vgl. Offb 19,16) und dem Sieger über Sünde und Tod« (Lumen Gentium, 59). In der in den Himmel aufgenommenen Jungfrau betrachten wir die Krönung ihres Glaubens, jenes Weges des Glaubens, den sie der Kirche und einem jeden von uns weist: Sie, die in jedem Moment das Wort Gottes angenommen hat, ist in den Himmel aufgenommen, das heißt: sie selbst ist vom Sohn aufgenommen, in jener »Heimstatt«, die er uns mit seinem Tod und seiner Auferstehung bereitet hat (vgl. Joh 14,2—3).

Das Leben des Menschen auf Erden ist – wie uns die erste Lesung in Erinnerung gerufen hat – ein Weg, der ständig in der Spannung des Kampfes zwischen dem Drachen und der Frau, zwischen dem Guten und dem Bösen verläuft. Das ist der Fall bei der menschlichen Geschichte: sie ist wie eine Fahrt auf dem oft stürmischen Meer; Maria ist der Stern, der uns zu ihrem Sohn Jesus leitet, der Sonne, die über allen Dunkelheiten der Geschichte aufgegangen ist (vgl. Spe Salvi, 49) und uns die Hoffnung schenkt, derer wir bedürfen: die Hoffnung, daß wir siegen können, daß Gott den Sieg davongetragen hat und daß wir mit der Taufe in diesen Sieg eingetreten sind. Wir erliegen nicht endgültig: Gott hilft uns, Gott führt uns. Das ist die Hoffnung: die Hoffnung des Herrn in uns, die in der in den Himmel aufgenommenen Jungfrau Maria sichtbar wird. »Dem pilgernden Volk«, so werden wir jetzt gleich in der Präfation zu diesem Hochfest lesen, »ist sie ein untrügliches Zeichen der Hoffnung und eine Quelle des Trostes.«

Mit dem hl. Bernhard, dem mystischen Sänger der allerseligsten Jungfrau, rufen wir sie so an: »Wir bitten dich, o Gesegnete, um der Gnade willen, die dir zuteil wurde, um des Vorrechtes willen, das du verdientest, um des Erbarmens wegen, das du gebarst: erlange es, daß uns der, der sich durch dich herabgelassen hat, an unserem Elend und an unserer Schwäche Anteil zu nehmen, dank deines Gebets an seinen Gnaden, an seiner Seligkeit und ewigen Herrlichkeit teilhaben lasse, Jesus Christus, dein Sohn, unser Herr, der über allen Dingen ist, Gott, gepriesen von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen« (Sermo 2 de Adventu, 5: PL 183, 43).

 

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