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PASTORALBESUCH IN LAMEZIA TERME UND SERRA SAN BRUNO

HEILIGE MESSE

PREDIGT VON PAPST BENEDIKT XVI.

Industriegebiet von Lamezia Terme
Sonntag, 9. Oktober 2011

[Video]

  

Liebe Brüder und Schwestern!

Groß ist meine Freude darüber, mit euch das Brot des Wortes Gottes und das Brot der Eucharistie brechen zu können. Ich freue mich darüber, zum ersten Mal hier in Kalabrien zu sein und mich in dieser Stadt Lamezia Terme aufzuhalten. Ich begrüße euch alle, die ihr so zahlreich hierher gekommen seid, ganz herzlich und danke euch für euren warmherzigen Empfang! Ich begrüße besonders euren Hirten, Bischof Luigi Antonio Cantafora, und danke ihm für den freundlichen Willkommensgruß, den er im Namen aller an mich gerichtet hat. Ich begrüße auch die anwesenden Erzbischöfe und Bischöfe, die Priester, die Ordensmänner und Ordensfrauen, die Vertreter der kirchlichen Vereinigungen und geistlichen Bewegungen. Einen ergebenen Gedanken richte ich an den Bürgermeister, Prof. Gianni Speranza, dem ich für das freundliche Grußwort danke, an den Vertreter der Regierung und an die zivilen und militärischen Obrigkeiten, die diese unsere Begegnung mit ihrer Anwesenheit ehren wollten. Ein besonderer Dank gilt allen, die an der Verwirklichung meines Pastoralbesuches großzügig mitgewirkt haben.

Die Liturgie dieses Sonntags stellt uns ein Gleichnis vor, das von einem Hochzeitsmahl spricht, zu dem viele eingeladen sind. Die erste, dem Buch Jesaja entnommene Lesung bereitet auf dieses Thema vor, weil sie vom Festmahl Gottes spricht. Jenes Bild vom Festmahl ist ein in der Heiligen Schrift häufig verwendetes Bild, um auf die Freude an der Gemeinschaft und an der Fülle der Gaben des Herrn hinzuweisen, und läßt etwas von dem Fest Gottes mit der Menschheit ahnen, wie sie Jesaja beschreibt: »Der Herr der Heere wird auf diesem Berg für alle Völker ein Festmahl geben mit den feinsten Speisen, ein Gelage mit den besten und feinsten Speisen, mit besten erlesenen Weinen« (Jes 25,6). Der Prophet fügt hinzu, daß es Gottes Absicht ist, der Betrübnis und Schande ein Ende zu bereiten; er will, daß alle Menschen glücklich in der Liebe zu ihm und in wechselseitiger Gemeinschaft leben; es ist also sein Plan, den Tod für immer zu beseitigen, die Tränen auf jedem Antlitz zu trocknen, den beschämenden Zustand seines Volkes zu beenden, wie wir gehört haben (Vers 7–8). Das alles weckt tiefe Dankbarkeit und Hoffnung: »Seht, das ist unser Gott, auf ihn haben wir unsere Hoffnung gesetzt, er wird uns retten. Das ist der Herr, auf ihn setzen wir unsere Hoffnung. Wir wollen jubeln und uns freuen über seine rettende Tat« (Vers 9).

Im Evangelium spricht Jesus zu uns von der Antwort, die auf die Einladung Gottes – in der Gestalt eines Königs – zur Teilnahme an diesem Festmahl gegeben wird (vgl. Mt 22,1–14). Es sind viele eingeladen, doch es geschieht etwas Unerwartetes: sie lehnen es ab, an dem Festmahl teilzunehmen, sie haben anderes zu tun; ja, einige zeigen offen, daß sie die Einladung verschmähen. Gott ist uns gegenüber großzügig, er bietet uns seine Freundschaft, seine Gaben, seine Freude an, aber wir nehmen seine Worte oft nicht an, zeigen für andere Dinge mehr Interesse, setzen unsere materiellen Sorgen, unsere Interessen an die erste Stelle. Die Einladung des Königs trifft sogar auf feindselige, aggressive Reaktionen. Aber das schränkt seine Großzügigkeit keineswegs ein. Er läßt sich nicht entmutigen und schickt seine Diener aus, um viele andere Personen einzuladen. Die Verweigerung der zuerst Eingeladenen hat die Ausdehnung der Einladung auf alle zur Folge, auch die Ärmsten, Verlassenen und Verachteten. Die Diener holen alle zusammen, die sie finden, und der Saal füllt sich: Die Güte des Königs ist grenzenlos, und allen wird die Möglichkeit gegeben, auf seinen Anruf zu antworten. Aber es gibt eine Bedingung für das Verweilen bei diesem Hochzeitsmahl: das Anlegen des Hochzeitsgewandes.

Und als der König den Saal betritt, bemerkt er einen, der kein Hochzeitsgewand angelegt hat, und deshalb wird er vom Fest ausgeschlossen. An diesem Punkt möchte ich einen Moment innehalten und eine Frage stellen: Warum hat dieser Gast die Einladung des Königs angenommen, warum ist er in den Festsaal gekommen, warum ist ihm die Tür geöffnet worden, aber er hat nicht das Hochzeitsgewand angehabt? Was hat es mit diesem Hochzeitsgewand auf sich? In der Abendmahlsmesse am Gründonnerstag dieses Jahres habe ich auf einen schönen

Kommentar des hl. Gregor des Großen zu diesem

Gleichnis Bezug genommen. Er erklärt, daß jener,

der auf die Einladung Gottes zur Teilnahme an

seinem Festmahl geantwortet hat, in gewisser

Weise den Glauben besitzt, der ihm die Tür des

Saales geöffnet hat, daß ihm aber etwas Wesentliches

fehlt: das Hochzeitsgewand, das die Liebe

ist. Und der hl. Gregor fügt hinzu: »Jeder von

euch, der in der Kirche den Glauben an Gott besitzt,

hat bereits am Hochzeitsmahl teilgenommen,

aber er kann nicht behaupten, das hochzeitliche

Gewand zu besitzen« (Homilia 38,9:

PL 76,1287). Und dieses Gewand ist, symbolisch

gesprochen, von zwei Fäden durchwoben, der

eine oben und der andere unten; die Gottesliebe

und die Nächstenliebe (vgl. ebd., 10: PL 76,1288).

Wir sind alle eingeladen, Tischgäste des Herrn zu

sein, durch den Glauben zu seinem Festmahl zu

kommen, aber wir müssen das Hochzeitskleid,

die Liebe, anziehen und bewahren, eine tiefe

Gottes- und Nächstenliebe leben.

Liebe Brüder und Schwestern, ich bin gekommen,

um mit euch Freuden und Hoffnungen,

Mühen und Verpflichtungen, Ideale und Bestrebungen

dieser diözesanen Gemeinschaft zu teilen.

Ich weiß, daß ihr euch auf diesen Besuch mit

einem intensiven geistlichen Weg vorbereitet

habt, für den ihr als Motto einen Vers aus der

Apostelgeschichte gewählt habt: »Im Namen Jesu

Christi, des Nazoräers, geh umher!« (3,6). Ich

weiß, daß so wie in ganz Kalabrien es auch in Lamezia

Terme nicht an Schwierigkeiten, Problemen

und Sorgen fehlt. Wenn wir diese schöne

Region genauer beobachten, stellen wir fest, daß

es sich um eine Erdbebenzone handelt, und das

nicht nur unter geologischem Gesichtspunkt,

sondern auch in struktureller, verhaltensmäßiger

und sozialer Hinsicht; das heißt, ein Land, wo die

Probleme in akuten und destabilisierenden Formen

auftreten; ein Land, wo die Arbeitslosigkeit

besorgniserregend ist, wo eine oft abscheuliche

Kriminalität das soziale Gefüge verletzt, ein Land,

wo man ständig das Gefühl hat, sich in einer Notlage

zu befinden. Ihr Kalabresen habt es verstanden,

auf diese Notlage mit einer überraschenden

Dienstbereitschaft und Verfügbarkeit, mit einer

außergewöhnlichen Fähigkeit zur Anpassung auf

die mißliche Lage zu reagieren. Ich bin sicher,

daß ihr es fertigbringen werdet, die heutigen

Schwierigkeiten zu überwinden, um eine bessere

Zukunft vorzubereiten. Gebt niemals der

Versuchung des Pessimismus und des Rückzugs

auf euch selbst nach. Greift auf die Quellen eures

Glaubens und eurer menschlichen Fähigkeiten

zurück; strengt euch an, in der Fähigkeit zur Zusammenarbeit

zu wachsen, euch um den Nächsten

und um jedes öffentliche Gut zu kümmern,

bewahrt das Hochzeitsgewand der Liebe; verharrt

im Zeugnis der menschlichen und christlichen

Werte, die so tief im Glauben und in der Geschichte

dieser Region und ihrer Bevölkerung

verwurzelt sind.

Tiefer Gemeinschaftssinn

Liebe Freunde, mein Besuch steht gleichsam

am Ende des Weges, der von dieser Ortskirche

mit der Ausarbeitung eines pastoralen Fünfjahresplanes

eingeschlagen wurde. Ich möchte mit

euch zusammen dem Herrn für den zurückgelegten

positiven Weg und für die vielen ausgesäten

Keime des Guten danken, die für die Zukunft

Gutes erhoffen lassen. Um sich der neuen sozialen

und religiösen Wirklichkeit, die ganz anders

als die Vergangenheit, ja vielleicht belasteter mit

Schwierigkeiten, aber auch reicher an Möglichkeiten

ist, zu stellen, bedarf es einer modernen

und organischen pastoralen Arbeit, die um den

Bischof herum alle christlichen Kräfte verpflichtend

einbinden muß: Priester, Ordensleute und

Laien, die vom gemeinsamen Engagement für die

Evangelisierung beseelt sind. Diesbezüglich habe

ich mit Genugtuung von einem Bemühen erfahren,

das in die Tat umgesetzt werden soll: durch

die Ausrichtung monatlicher Treffen in den verschiedenen

Zentren der Diözese soll erreicht werden,

daß sich die Teilnehmer auf das aufmerksame

und ausdauernde Hören des Wortes Gottes

einlassen und die Verbreitung der Praxis der Lectio

divina gefördert wird. Ebenso anerkennenswert

ist auch die Schule für die Soziallehre der

Kirche, sowohl wegen der Qualität des Angebots

als auch wegen ihrer flächendeckenden Verbreitung.

Ich wünsche inständig, daß aus solchen Initiativen

eine neue Generation von Männern und

Frauen hervorgehen möge, die imstande sind,

nicht nur Teilinteressen, sondern das Gemeinwohl

zu fördern. Ermutigen und segnen möchte

ich auch die Anstrengungen aller jener Priester

und Laien, die in der Schulung und Vorbereitung

christlicher Paare auf Ehe und Familie engagiert

sind, um auf die vielen heutigen Herausforderungen

im Bereich der Familie und des Lebens eine

zutreffende und dem Evangelium entsprechende

Antwort zu geben.

Sodann weiß ich um den Eifer und die Hingabe,

mit dem die Priester ihren pastoralen

Dienst sowie auch die ihnen übertragene systematische

und intensive Erziehungsarbeit, besonders

an den Allerjüngsten, vollbringen. Liebe

Priester, ich fordere euch dazu auf, euer spirituelles

Leben immer tiefer im Evangelium zu verwurzeln,

indem ihr das Innenleben, eine intensive

Gottesbeziehung pflegt und euch mit

Entschiedenheit von einer konsumorientierten

und weltlichen Mentalität loslöst, die in der Wirklichkeit,

in der wir leben, eine immer wiederkehrende

Versuchung darstellt. Lernt in der Gemeinschaft

untereinander und mit dem Bischof, in der

Gemeinschaft zwischen euch und den gläubigen

Laien zu wachsen, indem ihr die gegenseitige

Wertschätzung und Zusammenarbeit fördert:

Daraus werden mit Sicherheit vielfältige Vorteile

sowohl für das Leben der Pfarreien wie für die Zivilgesellschaft

erwachsen. Ihr sollt mit Unterscheidungsvermögen

entsprechend den bekannten

Kriterien der Kirchlichkeit die Gruppen und

geistlichen Bewegungen einschätzen können:

Sie müssen in der ordentlichen Pastoral der Diözese

und der Pfarreien in einem tiefen Gemeinschaftssinn

gut integriert werden.

Euch, gläubige Laien, Jugendliche und Familien,

sage ich: Habt keine Angst, in den verschiedenen

Bereichen der Gesellschaft, in den vielfältigen

Situationen des menschlichen Lebens den

Glauben zu leben und zu bezeugen! Ihr habt

alle Beweggründe dazu, euch stark, zuversichtlich

und mutig zu zeigen, und dies dank des

Lichts des Glaubens und der Kraft der Liebe. Und

wenn ihr auf den Widerstand der Welt treffen

solltet, macht euch die Worte des Apostels zu eigen:

»Alles vermag ich durch ihn, der mir Kraft

gibt« (Phil 4,13). So haben sich die Heiligen –

Männer und Frauen – verhalten, die im Laufe der

Jahrhunderte in ganz Kalabrien gelebt und gewirkt

haben. Sie mögen euch beschützen und

immer vereint halten und in einem jeden von

euch den Wunsch nähren, mit Worten und Werken

die Gegenwart und Liebe Christi zu verkünden.

Die von euch so sehr verehrte Muttergottes

stehe euch bei und führe euch zur tiefen Kenntnis

ihres Sohnes. Amen!

 

  

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