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PASTORALBESUCH IN AQUILEIA UND VENEDIG

BEGEGNUNG MIT DEN GLÄUBIGEN

GRUSSWORTE VON PAPST BENEDIKT XVI.

Piazza del Capitolo - Aquileia
Samstag, 7. Mai 2011

(Video)

 

Liebe Brüder und Schwestern!

Mit großer Freude komme ich zu euch, Söhne und Töchter sowie Erben der berühmten Kirche von Aquileia, und beginne hier meinen Besuch bei den Kirchengemeinden dieser Regionen. An euch alle, Bischöfe und zivile Autoritäten, Gläubige der Diözesen des Triveneto, wie auch an jene aus Slowenien, Kroatien, Österreich und Bayern richte ich meinen herzlichen Gruß. Ich danke dem Bürgermeister von Aquileia für seine freundlichen Worte. Die archäologischen Überreste und die wunderbaren künstlerischen Spuren, für die Aquileia überall wohlbekannt ist, laden mich in diesem Augenblick dazu ein, zu den Ursprüngen dieser Stadt zurückzugehen, die im Jahr 181 entstanden ist und in den folgenden Jahrhunderten ihre Blüte erlebte, wie der Bischof und Dichter Paulinus singt: »… schön, herrlich, prächtig ob der Paläste, berühmt ob der Mauern und mehr noch ob der unzähligen Scharen deiner Bürger. Alle Städte Venetiens waren dir unterworfen und hatten dich zu ihrer Hauptstadt und zur Metropole gemacht, dich, die du ob deines Klerus blühst und prächtig bist ob deiner Kirchen, die du Christus geweiht hast« (Poetae Latini aevi Carolini, in M.G.H., 1881, S. 142). Aquileia entstand und entwickelte sich in der Machtfülle des Reiches als Tor zwischen Orient und Okzident, führender Ort des Wirtschafts- und Kulturaustausches.

Aber die Herrlichkeit Aquileias war eine andere! Denn wie der hl. Paulus sagt, hat Gott nicht das Vornehme und Mächtige gewählt, sondern das, was in den Augen der Welt schwach und töricht ist (vgl. 1 Kor 1,27–28). In der fernen Provinz Syrien war zur Zeit des Kaisers Augustus derjenige zur Welt gekommen, der die Menschen mit dem Licht der Wahrheit erleuchten sollte: Jesus, Sohn Mariens, wesensgleicher und ewiger Sohn des Vaters, Offenbarer der unvergänglichen Herrschaft Gottes über die Menschen, seines Planes für die Gemeinschaft aller Völker; er, der mit seinem durch kaiserliche Verfügung erlittenen Kreuzestod das wahre Reich der Gerechtigkeit, der Liebe und des Friedens errichten wird, indem er den Menschen, die ihn aufnehmen, »die Macht gibt, Kinder Gottes zu werden« (Joh 1,12). Von Jerusalem über die Kirche von Alexandrien gelangte die Frohe Botschaft Christi von der Erlösung auch hierher.

In dieser römischen Region traf das Samenkorn von der großen Hoffnung ein. Aquileia wurde sehr bald in der »Decima Regio« des Reiches zu einer Gemeinde von Märtyrern, heroischen Zeugen des Glaubens an den Auferstandenen, zu einem Samenkorn anderer Jünger und anderer Gemeinden. Die Größe von Aquileia lag damals nicht nur darin, daß es die neuntgrößte Stadt des Reiches und die viertgrößte Italiens war, sondern auch in der Tatsache, daß es eine lebendige und vorbildliche Kirche hatte, die zur glaubwürdigen Verkündigung des Evangeliums fähig war, das sie mutig in den umliegenden Regionen verbreitete und für Jahrhunderte bewahrte und nährte. Deshalb erweise ich dieser gesegneten Erde, die vom Blut und vom Opfer so vieler Zeugen getränkt ist, die Ehre und bitte die heiligen Märtyrer von Aquileia, auch heute in der Kirche mutige und treue Jünger Christi zu wecken, die ganz ihm geweiht und daher überzeugt und überzeugend sind.

Die dem Christentum im 4. Jahrhundert gewährte Kultfreiheit führte im Grunde zu nichts anderem, als den Wirkungsbereich der Kirche von Aquileia auszudehnen, indem sie ihn über die natürlichen Grenzen von »Venetia et Histria« (Venetien und Istrien) hinaus bis nach Rätien, Noricum, in die weiten Donauregionen, bis Pannonien und Savia ausweitete. So bildete sich die Kirchenprovinz Aquileia als Metropolitansitz heraus, dem Bischöfe von sehr weit entfernt gelegenen Kirchen Gehorsam leisteten, dessen Glaubensbekenntnis sie annahmen und sich in die unauflöslichen Bande der kirchlichen, liturgischen, disziplinarischen und sogar architektonischen Gemeinschaft mit ihm einfügten. Aquileia war das schlagende Herz in dieser Region unter der weisen und unerschrockenen Leitung heiliger Bischöfe, die es gegen die Ausbreitung des Arianismus verteidigten.

Unter ihnen erwähne ich Chromatius, mit dem ich mich schon in der Katechese vom 5. Dezember 2007 beschäftigt habe – ein eifriger und arbeitsamer Bischof wie Augustinus in Hippo, wie Ambrosius in Mailand, der »heiligste und gelehrteste unter den Bischöfen«, wie ihn Hieronymus nannte. Was die Kirche, die Chromatius liebte und der er diente, groß machte, war das Bekenntnis seines Glaubens an Jesus Christus, wahrer Gott und wahrer Mensch. In seinem Kommentar zu dem Bericht im Evangelium über die Frau, die Jesus zuerst die Füße und dann das Haupt salbte, sagt er: »Die Füße Christi weisen auf das Geheimnis seiner Menschwerdung hin, für die er sich dazu erniedrigt hat, von einer Jungfrau in dieser Endzeit geboren zu werden; das Haupt hingegen verweist auf die Glorie seiner Göttlichkeit, in der er vor aller Zeit aus dem Vater hervorgeht… Das bedeutet, daß wir zwei Dinge von Christus glauben müssen: daß er Gott ist und daß er Mensch ist: Gott, vom Vater gezeugt, Mensch, von einer Jungfrau geboren… Wir können nur gerettet werden, wenn wir an diese beiden Seiten Christi glauben« (Chromatius von Aquileia, Catechesi al popolo, Città Nuova, 1989, S. 93).

Liebe Brüder und Schwestern, Kinder und Erben der glorreichen Kirche von Aquileia, heute bin ich unter euch, um diese reiche und alte Tradition zu bewundern, aber vor allem, um euch in dem tiefen Glauben eurer Väter zu bestärken. Entdeckt in dieser Stunde der Geschichte wieder diese grundlegende Wahrheit, verteidigt sie, bekennt sie mit geistlichem Eifer. Denn allein von Christus kann die Menschheit Hoffnung und Zukunft erhalten; nur aus ihm kann sie die Bedeutung und Kraft der Vergebung, der Gerechtigkeit, des Friedens schöpfen.

Haltet immer mutig am Glauben und an den Werken eurer Anfänge fest! Seid in euren Kirchen und in der Gesellschaft wie ein Chor der Seligen – »quasi beatorum chorus«, wie Hieronymus den Klerus von Aquileia aufgrund der Einheit des Glaubens, des Studiums des Wortes, der brüderlichen Liebe, der erfreulichen und vielgestaltigen Harmonie des kirchlichen Zeugnisses bezeichnete. Ich fordere euch auf, euch immer von neuem zu Schülern des Evangeliums zu machen, um es in geistlichen Eifer, Glaubensklarheit, aufrichtige Liebe, bereitwillige Feinfühligkeit für die Armen umzusetzen: Ihr könnt euer Leben nach jenem »sermo rusticus« gestalten, von dem Hieronymus mit Bezug auf die dem Evangelium entsprechende Qualität der Gemeinde von Aquileia sprach. Seid unermüdlich an der »Futterkrippe«, wie Chromatius sagte, das heißt am Altar, wo Christus selbst die Speise, Brot des Lebens, Kraft in Verfolgungen ist, Nahrung, die in jedem Mißtrauen und in jeder Schwachheit wieder aufrichtet, Speise des Mutes und des christlichen Eifers.

Möge euch die Erinnerung an die heilige Mutter Kirche von Aquileia aufrichten, euch in dieser zerrissenen Zeit der Geschichte zu missionarischen Zielen anspornen und euch zu Baumeistern der Einheit und Verständigung zwischen den Völkern eurer Regionen machen. Auf eurem Weg schütze euch immer die Jungfrau Maria und begleite euch mein Segen.

 

  



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