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APOSTOLISCHE REISE VON PAPST FRANZISKUS NACH MYANMAR UND BANGLADESCH
(26. NOVEMBER - 2. DEZEMBER 2017)

BEGEGNUNG MIT JUGENDLICHEN

ANSPRACHE VON PAPST FRANZISKUS

Notre Dame College (Dhaka)
Samstag, 2. Dezember 2017

[Multimedia]


 

Liebe Jugendliche, liebe Freunde, guten Abend!

Ich danke euch allen für euren warmherzigen Empfang. Ich danke Mons. Gervas [Rozario] für seine freundlichen Worte, sowie Upasana und Anthony für ihre Zeugnisse. Bei euch jungen Menschen gibt es etwas Einzigartiges: Ihr seid immer voller Begeisterung, immer. Das ist schön. Und ich fühle mich immer jünger werden, jedes Mal, wenn ich euch treffe. Upasana, du hast davon in deinem Zeugnis gesprochen, du hast gesagt, du seist wirklich „sehr enthusiastisch“, und ich kann das sehen und auch spüren. Dieser jugendliche Enthusiasmus verbindet sich mit Abenteuerlust. Einer eurer Nationaldichter, Kazi Nazrul Islam, hat das zum Ausdruck gebracht, wenn er die Jugend des Landes als »unerschrocken« bezeichnet, als »damit vertraut, das Licht aus dem Inneren der Dunkelheit zu reißen«. So etwas ist schön! Die Jugendlichen sind immer bereit weiterzumachen, Dinge geschehen zu lassen und Risiken einzugehen. Ich ermutige euch, mit dieser Begeisterung weiterzumachen, sowohl unter guten als auch unter schlechten Umständen. Weitermachen, weiter voranschreiten, besonders in den Momenten, in denen ihr euch von Problemen und Traurigkeit erdrückt fühlt und wo ihr scheinbar vergeblich nach Gott Ausschau haltet.

Wenn ihr aber voranschreitet, dann stellt sicher, dass ihr den rechten Weg wählt. Was heißt das? Es bedeutet, in der Lage zu sein, mit seinem Leben eine Reise zu machen und nicht sich irgendwie ziellos treiben zu lassen. Ich stelle euch eine Frage: Seid ihr auf einem Weg oder treibt ihr nur umher? Was macht ihr, reist ihr irgendwo hin oder fahrt ihr nur ins Blaue? Unser Leben ist nicht richtungslos; es hat ein Ziel – ein Ziel, das uns von Gott gegeben ist. Er führt uns und gibt uns Orientierung mit seiner Gnade. Es ist, als hätte er uns eine Software eingesetzt, die uns hilft, sein göttliches Programm zu erkennen und in Freiheit darauf zu antworten. Aber wie jede Software, so braucht auch diese immer wieder ein Update. Haltet euer Programm auf dem Laufenden indem ihr dem Herrn Gehör schenkt und die Herausforderung annehmt, seinen Willen zu tun. Die aktualisierte Software. Es ist ein bisschen traurig, wenn die Software nicht aktualisiert ist. Und es ist noch viel trauriger, wenn sie kaputt ist und zu nichts mehr dient.

Anthony, du hast dich in deinem Zeugnis auf diese Herausforderung bezogen, als du gesagt hast, dass ihr Männer und Frauen seid, »die in einer zerbrechlichen Welt aufwachsen, die Weisheit erfordert«. Du hast das Wort „Weisheit“ benutzt und uns damit den Schlüssel zum Verständnis gegeben. Wenn man vom „Auf-der-Reise-sein“ in ein Herumbummeln ohne Ziel abdriftet, ist alle Weisheit verloren! Das einzige, was uns Richtung gibt und auf dem rechten Weg vorankommen lässt, ist die Weisheit, die Weisheit, die aus dem Glauben kommt. Und das ist nicht die falsche Weisheit dieser Welt. Es ist die Weisheit, die man in den Augen der Eltern und Großeltern erahnen kann, die ihr Vertrauen auf Gott gesetzt haben. Als Christen können wir in ihren Augen das Licht der Gegenwart Gottes sehen, das Licht, das sie in Jesus entdeckt haben und das die Weisheit Gottes selbst ist (vgl. 1 Kor 1,24). Um diese Weisheit zu erlangen, müssen wir mit den Augen Gottes auf die Welt schauen, auf unsere Situationen, unsere Probleme, auf alles. Wir erlangen diese Weisheit, wenn wir beginnen, die Dinge mit den Augen Gottes zu sehen, den anderen mit den Ohren Gottes zuzuhören, mit dem Herzen Gottes zu lieben und die Dinge zu bewerten nach den Maßstäben Gottes.

Diese Weisheit hilft uns die falschen Glücksversprechungen zu erkennen und abzuweisen. Davon gibt’s viele! Eine Kultur, die falsche Versprechungen macht, macht nicht frei, sie führt nur zu einem Egoismus, der das Herz mit Dunkelheit und Bitterkeit erfüllt. Die Weisheit Gottes hingegen hilft uns dabei zu lernen, wie wir mit Offenheit und Akzeptanz denen begegnen, die anders handeln und denken als wir. Es ist traurig, wenn wir anfangen, uns in unsere eigene kleine Welt einzuschließen und uns auf uns selbst zurückzuziehen. Dann machen wir uns das Prinzip des „entweder wie ich will oder tschüss“ zu eigen. Das ist ein schlechtes Prinzip: „Entweder wird es gemacht, wie ich will, oder tschüss, leb wohl“. Das ist nicht hilfreich. Wenn wir dieses Prinzip anwenden,  enden wir in der Falle, eingeschlossen in uns selber. Wenn ein Volk, eine Religion oder eine Gesellschaft zu „kleinen Welten“ werden, verlieren sie ihr höchstes Gut und verfallen in eine arrogante Mentalität nach dem Motto „Ich bin gut, du bist schlecht“. Upasana, du hast auf die Konsequenzen dieser Denkweise hingewiesen, als du gesagt hast: „Wir verlieren die Richtung und wir verlieren uns selbst“ und „da wird das Leben sinnlos“. Das hast du gut gesagt! Die Weisheit Gottes macht uns offen für die anderen. Sie hilft uns, über unsere eigenen persönlichen Bequemlichkeiten und falschen Sicherheiten hinauszuschauen, die uns blind machen für die großen Ideale, die das Leben schöner und lebenswerter machen.

Es freut mich, dass hier zusammen mit den Katholiken auch viele junge Freunde sind, die Muslime sind oder anderen Religionen angehören. Damit, dass ihr euch heute hier zusammengefunden habt, zeigt ihr euren festen Willen, ein Klima der Harmonie zu fördern, wo einer dem anderen die Hand reicht, unabhängig von euren religiösen Unterschieden. Dies erinnert mich an eine Erfahrung, die ich in Buenos Aires in einer neuen Pfarrei in einer extrem armen Gegend machen durfte. Eine Gruppe von Studenten war gerade dabei, für die Pfarrei ein paar Räumlichkeiten zu errichten und der Priester hatte mich eingeladen, sie zu treffen. So ging ich hin und als ich in der Pfarrei ankam, stellte der Priester sie mir einen nach dem anderen vor, indem er sagte: „Das ist der Architekt, er ist Jude, dieser hier ist Kommunist, dieser ist praktizierender Katholik“. (Grußwort an die Jugendlichen des Kulturzentrums P.F. Varela, La Habana, 20. September 2015). Diese Studenten waren alle verschieden, aber alle arbeiteten für das gemeinsame Wohl. Das ist wichtig! Vergesst das nicht: Bei aller Verschiedenheit für das gemeinsame Wohl arbeiten, in Harmonie! Habt ihr verstanden? Das ist die schöne Harmonie, die man hier in Bangladesch spürt. Jene Studenten, die sich voneinander unterschieden, waren offen für soziale Freundschaft und fest entschlossen, allem zu widersagen, was sie hätte davon abbringen können, zusammenzukommen und einander zu helfen.

Die Weisheit Gottes hilft uns auch über uns hinauszuschauen, um den guten Wert unseres kulturellen Erbes zu erkennen. Unsere Kultur lehrt uns, die Alten zu ehren. Das ist sehr wichtig. Wie vorher schon gesagt, helfen uns die alten Menschen, die Kontinuität der Generationen zu schätzen. Sie tragen in sich die Erinnerung und die Weisheit der Erfahrung, die uns davor bewahren, die Fehler der Vergangenheit zu wiederholen. Die Alten haben das Charisma „Entfernungen zu überbrücken“, weil sie sicherstellen, dass die wichtigsten Werte an die Kinder und Enkelkinder weitergegeben werden. Durch ihre Worte, ihre Liebe, ihre Zuneigung und ihr Dasein verstehen wir, dass die Geschichte nicht mit uns begonnen hat, sondern dass wir Teil eines langen „Reisens“ sind und dass die Wirklichkeit größer ist als wir. Sprecht mit euren Eltern und euren Großeltern, verbringt nicht den ganzen Tag mit dem Handy, damit ihr nicht die Welt um euch herum aus dem Blick verliert! Sprecht mit euren Großeltern, und sie werden euch Weisheit vermitteln.

Upasana und Anthony, ihr habt eure Zeugnisse mit Worten der Hoffnung beendet. Die Weisheit Gottes stärkt in uns die Hoffnung und hilft uns die Zukunft mutig anzugehen. Wir Christen schöpfen diese Hoffnung aus der persönlichen Begegnung mit Jesus im Gebet und in den Sakramenten, und aus der konkreten Begegnung mit ihm in den Armen, in den Kranken, in den Leidenden und in den Verlassenen. In Jesus entdecken wir die Solidarität Gottes, der beständig an unserer Seite geht.

Liebe Jugendliche, liebe Freunde, wenn ich in eure Gesichter schaue, bin ich voller Freude und Hoffnung: Freude und Hoffnung für euch, für euer Land, für die Kirche und eure Gemeinschaften. Möge die Weisheit Gottes auch weiterhin euer Bemühen inspirieren, in der Liebe, in der Brüderlichkeit und in der Güte zu wachsen. Wenn ich euer Land heute verlasse, versichere ich euch meines Gebetes, damit ihr alle weiter wachst in der Liebe zu Gott und dem Nächsten. Und bitte vergesst nicht, auch für mich zu beten.

Gott segne Bangladesch! [Isshór Bangladeshké ashirbád korún!]

 


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