Index   Back Top Print

[ DE  - EN  - ES  - FR  - IT  - PT ]

ANSPRACHE VON PAPST FRANZISKUS
AN LEITER UND PERSONAL VON  "AVVENIRE", TAGEZEITUNG DER ITALIENISCHEN
BISCHOFSKONFERENZ

Clementina-Saal
Dienstag, 1. Mai 2018

[Multimedia]


 

Liebe Freunde des »Avvenire«!

Durch euch grüße ich alle Laien, die im wichtigen und anspruchsvollen Bereich der Kommunikation tätig sind. Ich begrüße den Vorsitzenden der Italienischen Bischofskonferenz, Kardinal Gualtiero Bassetti, dem ich für seine Worte danke. Weiter begrüße ich den Generalsekretär, Bischof Galantino, sowie den Vorstandsvorsitzenden eures Verwaltungsrats, Bischof Semeraro.

Ich freue mich über diese Begegnung mit euch und auch darüber, dass sie an dem Tag stattfindet, der dem heiligen Josef, dem Arbeiter, gewidmet ist. Es ist leicht, sich für die Gestalt des heiligen Josef zu begeistern und sich seiner Fürsprache anzuvertrauen. Aber um wirklich seine Freunde zu werden, muss man auf seinen Spuren gehen, die eine Widerspiegelung vom Stil Gottes offenbaren. Josef ist der Mann der Stille. Auf den ersten Blick scheint er sogar der Gegensatz des Kommunikators zu sein. Aber nur wenn wir den Lärm der Welt und unser eigenes Gerede abstellen, ist das Hören möglich, das die Grundbedingung für jede Kommunikation bleibt. Das Schweigen Josefs ist bewohnt von der Stimme Gottes und bringt jenen Glaubensgehorsam hervor, der dazu führt, dass man sich im eigenen Leben vom Willen Gottes führen lässt.

Nicht ohne Grund ist Josef der Mann, der fähig ist, in der Nacht aufzuwachen und aufzustehen, ohne unter der Last der Schwierigkeiten den Mut zu verlieren. Er weiß im Dunkel gewisser Augenblicke, in denen er nicht ganz versteht, voranzugehen – gestützt auf einen Ruf, der ihn vor das Geheimnis stellt, in das er sich einbeziehen lässt und dem er sich rückhaltlos ausliefert.

Josef ist dann der Gerechte, der sich Gottes Traum anzuvertrauen weiß, indem er dessen Verheißungen voranbringt. Er ist der diskrete und fürsorgliche Hüter, der sich der Menschen und Situationen anzunehmen weiß, die das Leben seiner Verantwortung anvertraut hat. Er ist der Erzieher, der – ohne etwas für sich selbst zu fordern – Vater wird durch seine Gegenwart, durch seine Fähigkeit, zu begleiten, das Leben heranwachsen zu lassen und eine Arbeit zu lehren. Wir wissen, wie wichtig dieser letzte Aspekt ist, mit dem das heutige Fest in Verbindung steht. Denn gerade die Menschenwürde ist eng an die Arbeit gebunden: nicht an Geld, nicht an Öffentlichkeitswirksamkeit und nicht an Macht, sondern an die Arbeit. Eine Arbeit, die jedem, was auch immer seine Rolle sein mag, die Möglichkeit gibt, jene als »actus personae« verstandene unternehmerische Tätigkeit hervorzubringen (vgl. Enzyklika Caritas in veritate), bei der der Mensch und seine Familie wichtiger sind als die zum Selbstzweck gewordene Effizienz.

Bei genauerem Hinsehen ist es von der Zimmermannswerkstatt in Nazaret kein großer Schritt bis in die Redaktion des »Avvenire«! Sicherlich gibt es in eurem »Werkzeugkasten« heute technische Instrumente, die den Beruf ebenso tiefgreifend verändert haben wie auch die Art und Weise des Empfindens und Denkens, des Lebens und Kommunizierens, des Selbstverständnisses und der Beziehungen.

Die Digitalisierung der Kultur hat eine Neuorganisation der Arbeit notwendig gemacht und auch die Bereitschaft zu einer größeren Zusammenarbeit untereinander sowie zu einer Abstimmung mit den anderen unter Federführung der italienischen Bischofskonferenz stehenden Medien: mit der Nachrichtenagentur SIR, TV2000 und dem Rundfunknetz InBlu. Ähnlich wie das im Bereich der Kommunikation des Heiligen Stuhls der Fall ist, muss die von den digitalen Plattformen ermöglichte Konvergenz und Interaktivität die Synergie, die Integration und die einheitliche Betriebsführung begünstigen.

Dieser Wandlungsprozess erfordert eine Aus- und Weiterbildung in dem Bewusstsein, dass das Verhaftetsein an der Vergangenheit sich als eine verhängnisvolle Versuchung herausstellen könnte. Wirklich der Tradition dient derjenige, der traditionsbewusst zugleich die Zeichen der Zeit zu erkennen (vgl. Gaudium et spes, 11) und neue Wege zu eröffnen weiß. All dies ist wahrscheinlich bereits Teil eures täglichen Einsatzes innerhalb einer technischen Entwicklung, die auf globaler Ebene die Präsenz der Medien, die Verfügbarkeit von Information und Wissen neu gestaltet. Die Kirche spürt, dass in diesem Szenarium ihre Stimme nicht fehlen darf, um der Sendung treu zu sein, die sie aufruft, allen das Evangelium der Barmherzigkeit zu verkünden. Die Medien bieten uns ein enormes Potential, um mit unserem pastoralen Dienst einen Beitrag zu einer Kultur der Begegnung zu leisten.

Um diese Sendung genauer in den Blick zu nehmen, wollen wir einen Augenblick gemeinsam die Zimmermannswerkstatt betreten und in die Schule des heiligen Josef gehen, wo die Kommunikation zur Wahrheit, zur Schönheit und zum Gemeinwohl geführt wird. Wie ich bereits bei anderer Gelegenheit gesagt habe, übersteigt heute »die Geschwindigkeit der Information unsere Reflexions- und Urteilsfähigkeit und gestattet es nicht, dass wir uns selbst in abgewogener und rechter Weise ausdrücken« (Botschaft zum 48. Welttag der sozialen Kommunikationsmittel, 1. Juni 2014). Auch wir als Kirche sind den Auswirkungen und dem Einfluss einer Kultur der Eile und Oberflächlichkeit ausgesetzt: Mehr als die Erfahrung zählt das Unmittelbare, Naheliegende, was sofort konsumiert werden kann; mehr als Auseinandersetzung und Vertiefung besteht die Gefahr, dass man der »Pastoral des Applauses« nachgibt, einer Nivellierung des Denkens, einer verbreiteten Desorientiertheit von Meinungen, die keinen Bezug zueinander haben. Der Zimmermann von Nazaret verweist uns auf die dringende Notwendigkeit, den Sinn für gesunde Langsamkeit, Ruhe und Geduld wiederzugewinnen. Mit seinem Schweigen erinnert er uns daran, dass alles beim Hören beginnt, bei der Fähigkeit, über sich selbst hinauszugehen, um sich dem Wort und der Geschichte des anderen zu öffnen.

Für uns impliziert das Schweigen zweierlei. Zum einen, die kulturellen Wurzeln nicht zu verlieren, nicht zuzulassen, dass sie vermodern. Der Weg, für sie Sorge zu tragen, besteht darin, uns immer neu in Jesus, dem Herrn, wiederzufinden, bis wir uns seine Haltung der Demut und der Zärtlichkeit, der Unentgeltlichkeit und des Mitleids zu eigen gemacht haben. Zum anderen hat eine Kirche, die aus der Betrachtung des Antlitzes Christi lebt, keine Mühe, ihn im Antlitz des Menschen zu erkennen. Und von diesem Antlitz weiß er sich ansprechen zu lassen, indem er Kurzsichtigkeiten, Verzerrungen und Diskriminierung überwindet.

Der Dialog siegt über das Misstrauen und besiegt die Angst. Der Dialog bringt zusammen, baut Beziehungen auf und entwickelt eine Kultur der Gegenseitigkeit. Wenn die Kirche sich als Dialog stiftend versteht, dann wird sie auch in Bezug auf ihr eigenes Glaubensverständnis vom Dialog geläutert und unterstützt.

Ihr, liebe Freunde vom »Avvenire«, sollt eurerseits das Erbe der Väter wahren. Werdet nicht müde, demütig die Wahrheit zu suchen, ausgehend vom häufigen Lesen in der Frohen Botschaft des Evangeliums. Dies soll eure redaktionelle Ausrichtung sein, an die ihr eure Integrität bindet: Euer Beruf stellt diesen Anspruch an euch, so hoch ist seine Würde. Dann wird euch das Licht der Unterscheidung nicht fehlen und ihr werdet über wahre Worte verfügen, um die Realität zu sehen, sie beim Namen zu nennen, und ihr werdet vermeiden, sie auf eine Karikatur ihrer selbst zu reduzieren.

Lasst euch hinterfragen von dem, was geschieht. Hört zu, vertieft, setzt euch damit auseinander. Haltet euch fern von den Sackgassen, in die diejenigen geraten, die meinen, bereits alles verstanden zu haben. Tragt dazu bei, fruchtlose und schädliche Opposition zu überwinden. Werdet mit dem Zeugnis eurer Arbeit zu Weggefährten all derer, die sich für Gerechtigkeit und Frieden einsetzen.

Josef, der Mann des Schweigens und des Zuhörens, ist auch der Mann, der in der Nacht nicht die Fähigkeit verliert, zu träumen, zu vertrauen und sich anzuvertrauen. Der Traum Josefs ist Vision, Mut, Gehorsam, der Herz und Beine in Bewegung setzt. Dieser Heilige ist das Sinnbild unseres heiligen Volkes, das in Gott den Bezugspunkt erkennt, der das ganze Leben in seiner Einheit umfasst.

Dieser Glaube bezieht in das Handeln ein und weckt gute Gewohnheiten. Er ist ein Blick, der Prozesse begleitet, Probleme in Chancen verwandelt, die Stadt des Menschen verbessert und aufbaut. Ich wünsche euch, dass ihr diesen Blick zu verfeinern und immer zu verteidigen wisst; dass ihr die Versuchung überwindet, nicht zu sehen, fernzuhalten oder auszuschließen. Und ich fordere euch auf, nicht zu diskriminieren; niemanden als überflüssig zu betrachten; euch nicht mit dem zufriedenzugeben, was alle sehen. Niemand soll euch eure Agenda diktieren, es sei denn die Armen, die Letzten, die Leidenden. Vergrößert nicht die Reihen derer, die eilen, um von jenem Teil der Realität zu berichten, der bereits im Rampenlicht der ganzen Welt steht. Geht von den Peripherien aus, und zwar in dem Bewusstsein, dass sie nicht das Ende, sondern der Anfang der Stadt sind.

Wie Paul VI. warnte, dürfen katholische Zeitungen nicht »berichten, was Eindruck macht oder Kundschaft bringt. Wir müssen denen, die uns hören, Gutes tun, wir müssen sie zum Denken, zum Urteilen erziehen« (Ansprache an die Medienschaffenden, 27. November 1971). Der katholische Kommunikator hütet sich vor Starrheiten, die erdrücken und einkerkern. Er hält den Heiligen Geist »nicht in einem Käfig«, sondern  bemüht sich, »ihn fliegen zu lassen, ihn im Inneren atmen zu lassen« (ebd.). Er hält es so, dass niemals die Realität dem Anschein das Feld überlässt, die Schönheit der Vulgarität, die soziale Freundschaft der Konfrontation. Er pflegt und stärkt jeden Keim des Lebens und des Guten.

Die Schwierigkeiten sollen euch nicht aufhalten: Es reicht aus, kurz auf die Atmosphäre zurückzublicken, von der die Entstehung des Projektes »Avvenire« umgeben war, um daran zu erinnern, wie viel Vorbehalte und Widerstände, wie viel Misstrauen und Widerspruch den Willen Pauls VI. hinsichtlich der Schaffung einer landesweiten katholischen Tageszeitung aufzuhalten suchten.

Josef ist schließlich der Heilige und Hüter, der Mann der Konkretheit und der Nähe. Letztendlich liegt gerade in dieser Bereitschaft, für den anderen zu sorgen, das Geheimnis seiner Vaterschaft; es war das, was ihn wirklich zum Vater werden ließ. Das Leben des Bräutigams der Jungfrau ist Mahnung und Unterstützung für eine Kirche, die nicht akzeptieren kann, dass der Glaube auf Privatsphäre und Innerlichkeit reduziert wird, und die sich auch nicht abfindet mit einem desorientierenden und verpflichtungslosen moralischen Relativismus.

Mögt auch ihr einer Kirche Ausdruck verleihen, die die Realität weder von außen noch von oben betrachtet, sondern sich wirklich hineinversetzt, sich daruntermischt, sie bewohnt und die – durch den Dienst, den sie anbietet – die Hoffnung aller weckt und vermehrt. Ich ermutige euch, die volle Substanz der Gegenwart zu bewahren; die leicht zu konsumierende Information zu meiden, die zu nichts verpflichtet; den Kontext zu rekonstruieren und die Ursachen zu erklären; euch den Menschen stets mit großem Respekt zu nähern; auf jene Bande zu setzen, die Gemeinschaft aufbauen und stärken. Nichts schafft so sehr Nähe, weckt Haltungen der Verbundenheit, begünstigt die Begegnung und fördert ein solidarisches Gewissen wie die Barmherzigkeit. Deren Träger zu sein, ist der Weg, um im Zeichen des Gemeinwohls, der Würde jedes einzelnen und der vollen Bürgerschaft zur Erneuerung der Gesellschaft beizutragen.

Es ist notwendig, den im kollektiven Gedächtnis verkörperten Werten und den kulturellen und spirituellen Ressourcen des Volkes eine Stimme zu verleihen; einen Beitrag zu leisten, um die Sensibilität und die Weisungen der Soziallehre der Kirche in die soziale, politische und wirtschaftliche Welt zu tragen, indem wir selbst als erste deren treue Vermittler und Zeugen sind. Habt keine Angst, involviert zu werden. Worte – wahre Worte – haben ein Gewicht: nur der, der sie im Leben verkörpert, kann sie tragen.

Das Zeugnis wird im Übrigen zu eurer Vertrauenswürdigkeit beitragen. Ein leidenschaftliches und frohes Zeugnis. Das ist der abschließende Wunsch, den ich an euch richte, indem ich mir nochmals die Worte des seligen Paul VI. zu eigen mache: »Liebe zur Sache ist notwendig: Wenn man diese Sache nicht liebt, wird man nur wenig ausrichten. Wir werden sofort ermüden, deren Schwierigkeiten sehen. Ich würde sagen, wir werden auch ihre Unannehmlichkeiten, Polemiken, Verpflichtungen […] sehen. Wir müssen eine große Liebe zur Sache haben. Wir müssen sagen, dass wir an das glauben, was wir tun und tun wollen« (ebd.). Und ich bitte euch, dass auch euer Gebet für mich Teil dieser Liebe sein möge. Danke!

 


Copyright © Dicastero per la Comunicazione - Libreria Editrice Vaticana