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APOSTOLISCHE REISE VON PAPST FRANZISKUS IN DIE MONGOLEI 
[31. August - 4. September 2023]

BEGEGNUNG MIT BISCHÖFEN, MISSIONAREN, PRIESTERN, PERSONEN DES GEWEIHTEN LEBENS UND PASTORALEN MITARBEITERN

ANSPRACHE VON PAPST FRANZISKUS 

Kathedrale Peter und Paul (Ulaanbaatar)
Samstag, 2. September 2023

[Multimedia]

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Liebe Brüder und Schwestern, guten Tag!

Danke, Exzellenz, für Ihre Worte, danke Schwester Salvia, Don Peter Sanjaajav und Rufina für eure Zeugnisse, danke euch allen für eure Anwesenheit und für euren Glauben! Ich freue mich, euch zu treffen. Die Freude des Evangeliums ist der Grund, der euch, gottgeweihte Männer und Frauen im Ordens- und Klerikerstand, veranlasst hat, hier zu sein und euch zusammen mit euren Schwestern und Brüdern Laien dem Herrn und euren Mitmenschen zu widmen. Ich lobe Gott dafür. Ich tue dies durch ein schönes Lobgebet, Psalm 34, von dem ich mich inspirieren lasse, um einige Gedanken mit euch zu teilen. Darin heißt es: »Kostet und seht, wie gut der HERR ist!« (V. 9).

Kosten und sehen, denn die Freude und die Güte des Herrn sind nicht etwas Vorübergehendes, sondern bleiben im Innern, geben dem Leben Geschmack und lassen uns die Dinge auf eine neue Art und Weise sehen; so wie du, Rufina, es uns in deinem schönen Zeugnis erzählt hast. Ich möchte daher den Geschmack des Glaubens in diesem Land kosten, indem ich vor allem an Geschichten und Gesichter erinnere, an Menschen, die für das Evangelium gelebt haben. Leben für das Evangelium: Das ist eine schöne Definition der missionarischen Berufung des Christen und insbesondere der Art und Weise, wie die Christen sie hier leben. Lebt für das Evangelium!

Ich erinnere also an Bischof Wenceslao Selga Padilla, den ersten Apostolischen Präfekten, Wegbereiter der gegenwärtigen Phase der Kirche in der Mongolei und Erbauer dieser Kathedrale. Der Glaube reicht hier jedoch nicht nur bis in die 1990er Jahre zurück, sondern hat sehr alte Wurzeln. Auf die Erfahrungen des ersten Jahrtausends, die von der Evangelisierungsbewegung syrischer Tradition geprägt waren, die sich entlang der Seidenstraße ausbreitete, folgte ein beachtliches missionarisches Engagement: Wie könnte man etwa die diplomatischen Missionen des 13. Jahrhunderts vergessen, ebenso die apostolische Sorge, die sich in der Ernennung von Giovanni da Montecorvino zum ersten Bischof von Khān Bālīq um etwa 1310 herum äußerte, der damit für diese ganze Region unter der mongolischen Yuan-Dynastie zuständig war? Er war es auch, der die erste mongolische Übersetzung des Buchs der Psalmen und des Neuen Testaments erstellte. Nun, diese große Geschichte der Leidenschaft für das Evangelium wurde 1992 mit der Ankunft der ersten Missionare der Kongregation des Unbefleckten Herzens Mariens, zu denen sich Vertreter anderer Gemeinschaften, Diözesankleriker und Freiwillige aus dem Laienstand gesellten, in außergewöhnlicher Weise wiederaufgenommen. Von diesen möchte ich den aktiven und eifrigen Pater Stefan Kim Seong-hyeon erwähnen. Und wir erinnern uns an die vielen treuen Diener des Evangeliums in der Mongolei, die jetzt hier unter uns sind und die, nachdem sie ganz für Christus gelebt haben, die Wunder sehen und kosten, die seine Güte weiterhin in euch und durch euch wirkt. Danke.

Aber warum sollte man für das Evangelium leben? Das ist eine Frage, die ich euch stelle. Wie Rufina sagte, stellt das christliche Leben immer wieder Fragen, wie Kinder, die ständig neue Dinge fragen, weil sie im Zeitalter des „Warum“ nicht alles verstehen. Und das christliche Leben nähert sich dem Herrn und stellt immer Fragen, um den Herrn besser zu verstehen, um seine Botschaft besser zu verstehen. Für das Evangelium leben, weil man jenen Gott verkostet hat (vgl. Ps 34), der in Jesus sichtbar und berührbar wurde, so dass man ihm begegnen kann. Ja, er ist die gute Nachricht, die für alle Völker bestimmt ist, die Verkündigung, die die Kirche stets zu überbringen hat, indem sie sie im Leben konkret werden lässt und in die Herzen der einzelnen Menschen und der Kulturen „einflüstert“. Gottes Sprache ist oft ein langsames Flüstern, das sich Zeit lässt; das ist seine Art zu sprechen. Diese Erfahrung der Liebe Gottes in Christus ist reines Licht, das das Gesicht verklärt und seinerseits zum Leuchten bringt. Brüder und Schwestern, das christliche Leben entsteht aus der Betrachtung dieses Antlitzes, es ist eine Angelegenheit der Liebe, der täglichen Begegnung mit dem Herrn im Wort und im Brot des Lebens, im Antlitz des Anderen und in den Bedürftigen, in denen Jesus gegenwärtig ist. Daran hast du, Schwester Salvia, mit deinem Zeugnis erinnert. Danke! Seit mehr als 20 Jahren bist du hier und du hast gelernt, mit den Menschen hier zu kommunizieren: Danke.

In diesen einunddreißig Jahren in der Mongolei habt ihr, liebe Priester, gottgeweihte Männer und Frauen und pastorale Mitarbeiter, eine große Vielfalt von karitativen Initiativen ins Leben gerufen, die den größten Teil eurer Kräfte in Anspruch nehmen und das barmherzige Gesicht Christi, des barmherzigen Samariters, widerspiegeln. Das ist eure Visitenkarte, die euch aufgrund der zahlreichen Wohltaten, die ihr vielen Menschen in verschiedenen Bereichen erwiesen habt, respektiert und geschätzt sein lässt: von der Fürsorge bis zur Bildung, über die Gesundheitsversorgung und die kulturelle Förderung. Ich ermutige euch, auf diesem für das geliebte mongolische Volk fruchtbaren und vorteilhaften Weg weiterzugehen. Gesten der Liebe und Gesten der Nächstenliebe.

Gleichzeitig lade ich euch ein, den Herrn zu kosten und zu sehen – den Herrn zu kosten und zu sehen –, ich lade euch ein, immer und von neuem zu jenem anfänglichen Blick zurückzukehren, aus dem alles hervorgegangen ist. Ohne ihn lassen nämlich die Kräfte nach und das pastorale Engagement läuft Gefahr, zu einer sterilen Dienstleistung zu werden, in einer Abfolge von fälligen Handlungen, die am Ende nichts als Müdigkeit und Frustration vermitteln. Wenn ihr hingegen in Kontakt mit dem Antlitz Christi bleibt, ihn in der Heiligen Schrift erforscht und ihn in anbetendem Schweigen – in anbetendem Schweigen – vor dem Tabernakel betrachtet, werdet ihr ihn in den Gesichtern derer erkennen, denen ihr dient, und ihr werdet euch von einer innigen Freude getragen fühlen, die auch bei Schwierigkeiten Frieden in eurem Herzen hinterlässt. Das ist es, was wir brauchen, heute und immer: nicht beschäftigte und abgelenkte Menschen, die Projekte voranbringen, und manchmal Gefahr laufen, verbittert zu wirken über ein gewiss nicht einfaches Leben, nein: Der Christ ist ein Mensch, der fähig ist anzubeten, in der Stille anzubeten. Und aus dieser Anbetung erwächst dann das Handeln. Aber vergesst die Anbetung nicht. Wir haben in unserer pragmatischen Zeit ein wenig den Sinn für die Anbetung verloren: Vergesst nicht, anzubeten und dann aus der Anbetung heraus zu handeln. Wir müssen zur Quelle zurückkehren, zum Antlitz Jesu, zu seiner kostbaren Gegenwart: Er ist unser Schatz (vgl. Mt 13,44), die wertvolle Perle, für die es sich lohnt, alles zu verkaufen (vgl. Mt 13,45-46). Die Brüder und Schwestern in der Mongolei, die einen ausgeprägten Sinn für das Heilige haben und – wie es auf dem asiatischen Kontinent typisch ist – über eine umfangreiche und ausgeprägte religiöse Geschichte verfügen, erwarten dieses Zeugnis von euch und wissen seine Echtheit zu erkennen. Zeugnis müsst ihr geben, denn das Evangelium wächst nicht durch Proselytismus, das Evangelium wächst dadurch, dass es bezeugt wird.

Als Jesus, der Herr, die Seinen in die Welt sandte, sandte er sie nicht aus, um eine politische Vorstellung zu verbreiten, sondern um mit dem Leben die Neuheit der Beziehung zu seinem Vater zu bezeugen, der „unser Vater“ geworden ist (vgl. Joh 20,17), und so eine konkrete Geschwisterlichkeit aller Völker zu begründen. Die Kirche, die aus diesem Auftrag hervorgeht, ist eine arme Kirche, die sich bloß auf einen unverfälschten Glauben stützt, auf die unbewaffnete und entwaffnende Kraft des Auferstandenen, die in der Lage ist, die Leiden der verwundeten Menschheit zu lindern. Eben deshalb haben die Regierungen und die weltlichen Institutionen nichts vom evangelisierenden Wirken der Kirche zu befürchten, denn sie hat keine politische Agenda voranzubringen, sondern kennt nur die demütige Kraft der Gnade Gottes und eines Wortes der Barmherzigkeit und Wahrheit, das in der Lage ist, das Wohl aller zu fördern.

Um diese Mission zu erfüllen, hat Christus seine Kirche mit einer Struktur ausgestattet, die an den Einklang zwischen den verschiedenen Gliedern des menschlichen Körpers erinnert: Er ist das Haupt, d.h. der Kopf, der sie weiterhin leitet, indem er dem Körper, d.h. uns, seinen Geist eingießt, der vor allem in jenen Zeichen des neuen Lebens wirkt, die die Sakramente sind. Um deren Echtheit und Wirksamkeit sicherzustellen, hat er das Priesteramt eingesetzt, das durch eine enge Verbindung mit ihm gekennzeichnet ist, mit ihm, dem Guten Hirten, der sein Leben für die Herde hingibt. Auch du, Don Peter, bist zu dieser Mission berufen worden: Danke, dass du deine Erfahrung mit uns geteilt hast. So verfügt auch das heilige Volk Gottes in der Mongolei über die Fülle der geistlichen Gaben. Und in dieser Hinsicht lade ich euch ein, im Bischof keinen Manager zu sehen, sondern das lebendige Abbild Christi, des Guten Hirten, der sein Volk sammelt und führt; einen Jünger, der mit apostolischem Charisma erfüllt ist, um eure Geschwisterlichkeit in Christus zu stärken und sie immer mehr in dieser Nation edler kultureller Identität zu verwurzeln. Dass euer Bischof ein Kardinal ist, ist ein weiterer Ausdruck der Nähe: Ihr alle seid bloß räumlich weit entfernt, ihr seid dem Herzen Petri ganz nahe; und die ganze Kirche ist euch nahe, eurer Gemeinschaft, die wahrhaft katholisch, d.h. universal ist und die in den Brüdern und Schwestern auf der ganzen Welt Sympathie für die Mongolei weckt, in einer großen kirchlichen Gemeinschaft.

Und ich betone dieses Wort: Gemeinschaft. Die Kirche begreift man nicht auf der Grundlage eines rein funktionalen Verständnisses: nein, die Kirche ist kein funktionales Unternehmen, die Kirche wächst nicht durch Proselytismus, wie ich schon sagte. Die Kirche ist etwas anderes. Das Wort „Gemeinschaft“ erklärt gut, was die Kirche ist. In diesem Leib der Kirche ist der Bischof nicht etwa aufgrund des Mehrheitsprinzips der Moderator der verschiedenen Gruppen, sondern auf der Grundlage eines geistlichen Prinzips, dem zufolge Jesus selbst in der Person des Bischofs gegenwärtig ist, um die Gemeinschaft in seinem Mystischen Leib zu gewährleisten. Mit anderen Worten, die Einheit in der Kirche ist weder eine Frage der Ordnung und des Respekts, noch ist sie eine gute Strategie, um „als Team aufzutreten“; sie ist eine Angelegenheit des Glaubens und der Liebe zum Herrn, sie ist Treue zu ihm. Deshalb ist es wichtig, dass sich alle Teile der Kirche um den Bischof scharen, der den inmitten seines Volkes lebenden Christus repräsentiert, und so jene synodale Gemeinschaft schaffen, die bereits Verkündigung ist und sehr dabei hilft, den Glauben zu inkulturieren.

Liebe Missionare und Missionarinnen, kostet und seht das Geschenk, das ihr seid, kostet und seht die Schönheit, euch Christus ganz zu übereignen, der euch berufen hat, seine Liebe hier in der Mongolei zu bezeugen. Tut dies weiterhin, indem ihr die Gemeinschaft pflegt. Verwirklicht dies in der Einfachheit eines nüchternen Lebens, in Nachahmung des Herrn, der auf dem Rücken eines Maultiers in Jerusalem einzog und am Kreuz sogar seiner Kleider beraubt war. Seid immer nah bei den Menschen, und zwar mit jener Nähe, die die Haltung Gottes ist: Gott ist nahe, mitfühlend und zärtlich – Nähe, Mitgefühl und Zärtlichkeit. Verhaltet euch den Menschen gegenüber so, kümmert euch persönlich um sie, indem ihr die Sprache lernt, ihre Kultur respektiert und liebt; lasst euch nicht von weltlichen Sicherheiten verführen, sondern steht fest im Evangelium durch eine beispielhafte Redlichkeit im geistlichen und sittlichen Leben. Einfachheit und Nähe also, ohne müde zu werden, die Gesichter und Geschichten, die Probleme und Sorgen, denen ihr begegnet, zu Jesus zu bringen. Verbringt Zeit im täglichen Gebet, das es euch erlaubt, in den Mühen des Dienstes aufrecht zu stehen und von dem »Gott allen Trostes« (2 Kor 1,3) jene Hoffnung zu schöpfen, die ihr dann auch in die Herzen der Leidenden eingießen werdet.

Brüder und Schwestern, in der Nähe zum Herrn verstärkt sich in uns nämlich eine Gewissheit, wie uns erneut Psalm 34 offenbart: »die ihn fürchten, leiden keinen Mangel. […] die den HERRN suchen, leiden keinen Mangel an allem Guten« (VV. 10-11). Gewiss, die Unausgeglichenheiten und Widersprüche des Lebens betreffen auch die Gläubigen, und auch die Verkünder des Evangeliums sind nicht von jener Last an Sorgen befreit, die zum Menschsein gehört: Der Psalmist scheut sich nicht, von Bosheit und Übeltätern zu sprechen, aber er erinnert daran, dass der Herr – auf den Schrei der Demütigen hin – »sie all ihren Nöten entrissen« hat, denn »nahe ist der HERR den zerbrochenen Herzen und dem zerschlagenen Geist bringt er Hilfe« (VV. 18-19). Deshalb zeigt sich die Kirche der Welt als eine Stimme, die mit allen Armen und Bedürftigen solidarisch ist, sie schweigt nicht angesichts der Ungerechtigkeit und sie setzt sich mit Sanftmut dafür ein, die Würde eines jeden Menschen zu fördern.

Meine Lieben, auf diesem Weg als Jünger und Missionare habt ihr einen sicheren Halt: unsere himmlische Mutter, die – wie ich erfreut entdeckt habe! – euch ein greifbares Zeichen ihrer diskreten und fürsorglichen Gegenwart geben wollte, indem sie es geschehen ließ, dass man ein Bildnis von ihr in einer Mülldeponie fand. An einem Ort voller Müll tauchte diese schöne Statue der Unbefleckten Gottesmutter auf: Sie, ohne Makel, gefeit gegen die Sünde, wollte uns so nahekommen, dass sie mit dem Müll der Gesellschaft verwechselt wurde, so dass schließlich aus dem Schmutz des Mülls die Reinheit der heiligen Gottesmutter hervortrat, der Mutter des Himmels. Ich habe von der interessanten mongolischen Tradition der suun dalai ijii erfahren, der Mutter mit einem Herzen so groß wie ein Ozean aus Milch. Wenn in der Erzählung der Geheimen Geschichte der Mongolen ein durch die obere Öffnung des Ger herabkommendes Licht die mythische Königin Alungoo befruchtet, dann könnt ihr in der Mutterschaft der Jungfrau Maria das Wirken des göttlichen Lichts betrachten, das jeden Tag die Schritte eurer Kirche von oben begleitet.

Schöpft also neuen Mut, wenn ihr den Blick zu Maria erhebt, und seht, dass die Kleinheit kein Problem, sondern eine Möglichkeit ist. Ja, Gott liebt das Kleine und er liebt es, durch das Kleine große Dinge zu vollbringen, wie Maria bezeugt (vgl. Lk 1,48-49). Brüder und Schwestern, habt keine Angst vor kleinen Zahlen, vor sich nicht einstellenden Erfolgen, vor der sich nicht zeigenden Relevanz. Dies ist nicht der Weg Gottes. Schauen wir auf Maria, die in ihrer Kleinheit größer ist als der Himmel, weil sie in sich denjenigen beherbergt hat, den der Himmel und die Himmel der Himmel nicht fassen können (vgl. 1 Kön 8,27). Brüder und Schwestern, vertrauen wir uns ihr an und bitten wir sie um einen erneuerten Eifer, um eine glühende Liebe, die nicht müde wird, das Evangelium freudig zu bezeugen. Und macht weiter, werdet nicht müde weiter zu machen. Vielen Dank für euer Zeugnis. Er, der Herr hat euch erwählt und er glaubt in euch. Ich bin mit euch und ich sage euch von ganzem Herzen: Danke. Danke für euer Zeugnis, danke für euer Leben für das Evangelium. Macht weiter so, beständig im Gebet, seid weiterhin einfallsreich in der Nächstenliebe, steht weiter fest in der Gemeinschaft, fröhlich und sanftmütig in allem und mit allen. Ich segne euch von Herzen und ich denke an euch. Und ihr, vergesst bitte nicht, für mich zu beten. Danke.



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