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BOTSCHAFT VON JOHANNES PAUL II. 
AN DIE RÖMISCHE UNION DES URSULINENORDENS 
AUS ANLASS DER HUNDERTJAHRFEIER DES INSTITUTS 

   

An die Ehrwürdige Mutter Colette LIGNON, 
Generaloberin 
der Römischen Union des Ursulinenordens

1. Inmitten des Großen Jubiläums der Geburt unseres Heilands ist Euch die Freude vergönnt, den hundertsten Jahrestag der Gründung Eures Institutes zu begehen. An diesem Jahrestag gedenkt Ihr der großartigen Initiative meines verehrten Vorgängers Papst Leo XIII., durch die er die zahlreichen, auf der ganzen Welt verstreuten Ursulinenklöster, die seit der ersten Gründung durch Angela Merici im Jahre 1535 entstanden sind, in einer einzigen Union vereinen wollte. Das Entstehen Eurer Union und deren rasche Entwicklung haben in Eurer Ordensfamilie einen Elan hervorgebracht, der Euch viele neue apostolische Erfahrungen geschenkt hat. Das Gedenken an diese Gründung stellt für Euren Orden eine Einladung dar, Euer Charisma in Treue zu den Lehren der hl. Angela zu vertiefen und die Zukunft aufzubauen und vorzubereiten, indem Ihr all Eure Kräfte für die Evangelisierung mobilisiert. 

2. Seit dem 16. Jahrhundert hat der Ruf des Herrn Eure Schwestern in fast alle Kontinente geführt, weshalb Ihr heute auf internationaler Ebene vertreten seid. Diese Erfahrung zeichnet auch das Leben Eurer Union aus und läßt Euch wirklich die Erfahrung von der Kirche, jener Glaubens- und Lebensgemeinschaft, miteinander teilen, so daß »jeder, der in Rom lebt, weiß, daß die, die in Indien leben, auch Glieder des einen Leibes sind« (vgl. hl. Johannes Chrysostomus, Predigten über den Evangelisten Johannes, 65,1). Es ist Aufgabe aller Christen, sich um die Einheit und Gemeinschaft zu kümmern eingedenk des Wunsches des Herrn selbst: »Alle sollen eins sein« (Joh 17,21). Umso mehr obliegt diese Sendung all jenen, die – um auf einen besonderen Ruf des Herrn zu antworten – sich entschieden haben, nach den Regeln des brüderlichen Lebens in Gemeinschaft zusammenzuleben. Daher rufe ich Euch auf, immer mehr auf diese Dimension der kirchlichen Gemeinschaft zu achten und über die Qualität Eures Eingebundenseins in die Ortskirchen zu wachen, indem Ihr Eure Begabungen im Hinblick auf eine immer intensivere Zusammenarbeit in deren Dienst stellt.  

3. Im Laufe der Zeit haben die Ursulinen eine solide Erfahrungsgrundlage auf erzieherischem Gebiet, vor allem in der Jugenderziehung, sammeln können. Dies geschah sowohl auf dem weiten Feld der Katechese – in direkter Weise oder durch die Ausbildung von kompetenten Katecheten, deren Anliegen es ist, zugleich christliche Lebenserfahrung und soliden Unterricht zu vermitteln – als auch im vielfältigen Bereich der Erziehung. Dieses Werk der Weitergabe des Glaubens durch ein klares, überzeugendes und konsequentes Wort, das den Grund unserer Hoffnung aufzeigt (vgl. 1 Petr 3,15), sowie durch das Zeugnis und Beispiel eines dem Dienst am Herrn und seiner Kirche geweihten Lebens ist von fundamentaler Bedeutung in der heutigen Welt, in der so viele junge Menschen gar nicht mehr diesen festen Bezugspunkt besitzen, den die Erziehung in einer Familie bot. Daher muß sich sowohl die Schule als auch die ganze erzieherische Gemeinschaft in einem wahrhaft vom Evangelium durchdrungenen Geist dieses so wichtigen Teils der globalen Erziehung annehmen. Dies darf aber nicht nur durch die Katechese geschehen, da es noch viele andere Formen gibt, sich der Jugendlichen anzunehmen, wie zum Beispiel durch geeignete Gemeinschaften oder Reflexionsgruppen, in denen eigene Erfahrungen ausgetauscht werden können. 

Es ist daher unerläßlich, Jünger Christi heranzubilden, die fähig sind, innerhalb der Familie, am Arbeitsplatz sowie in der Gesellschaft für die geistigen und moralischen Werte Zeugnis abzulegen, die das Evangelium in das Herz des Menschen gesät hat, damit die Neuevangelisierung in diesem zu Ende gehenden Jahrhundert reiche Frucht bringe. In dieser Hinsicht ist ganz besonders der Dienst an den Armen wichtig. Sie sind jene »Kleinen«, die der Herr an die erste Stelle setzen will und die unsere allzu oft vom Streben nach Reichtum und Konkurrenzdenken geprägten Gesellschaften aus dem wirtschaftlichen Wachstum und dem gesellschaftlichen Gefüge ausschließen wollen.  

4. Das Reich zu verkündigen ist die oberste Sendung, die die Kirche all jenen anvertraut, die durch die Taufe Anteil haben an Tod und Auferstehung Christi, der zugleich Prophet, Priester und König ist. Das geweihte Leben, für das Ihr Euch entschieden habt, ist innerhalb der Kirche ein bevorzugter Weg, um die prophetische und eschatologische Dimension der Frohen Botschaft kundzutun: »Deshalb macht der Ordensstand […] mehr die himmlischen Güter, die schon in dieser Zeit gegenwärtig sind, auch allen Gläubigen kund, bezeugt das neue und ewige, in der Erlösung Christi erworbene Leben und kündigt die zukünftige Auferstehung und die Herrlichkeit des Himmelreiches an« (Lumen gentium, 44). Daher ermutige ich Euch, diese prophetische Dimension für die heutige Welt zu vertiefen und die Zeichen des kommenden Reiches sichtbar werden zu lassen: Dies geschieht durch die Liebe zum Gebet, das stets die Quelle unseres christlichen Lebens darstellt, durch ein brüderliches Leben, das eine Prophetie ist, die sich hier und jetzt ereignet (vgl. Vita consecrata, 85), durch ein eindeutiges Zeugnis sowie durch Euer missionarisches Engagement.  

5. Die Verkündigung des Reiches entfernt die Kirche jedoch nicht von ihrer Sendung innerhalb dieser Welt. Im Gegenteil, ebenso wie der Prophet zum Wächter für das Haus Israel wird (vgl. Ez 3,17), so muß auch sie für dieses Anliegen eintreten, »ob man es hören will oder nicht, [sie] weise zurecht, tadle, ermahne, in unermüdlicher und geduldiger Belehrung« (2 Tim 4,2). Wie der Herr mit den Jüngern von Emmaus (vgl. Lk 24,13 –35), so wandelt auch die Kirche auf den Wegen der Menschen und gemeinsam mit ihnen. Sie teilt mit ihnen dieselben Fragen nach dem Sinn des Daseins, sie bringt das Wort des Herrn zu Gehör und offenbart den Menschen nach und nach seine Gegenwart, um sie zur vollen Erkenntnis seiner Liebe zu führen. Diese tut sich im Schatz des sakramentalen Lebens kund, das ihr anvertraut wurde. Daher möchte ich Euch anspornen, daß Ihr furchtlos diese Pilgerfahrt des Glaubens mit Euren Brüdern erlebt und Euch immer mehr durch das Wort des Herrn verwandeln laßt. Ihr verkündet die barmherzige Liebe des Herrn, der sich uns selbst schenkt, wenn Euer Herz stets vom Durst nach dem lebendigen Gott erfüllt ist – von jenem Verlangen, das Euch dazu drängt, in inniger Liebe vereint mit ihm zu leben (vgl. Ps 62,2)–, wenn Ihr auf die Rufe Eurer Brüder und Schwestern hört und Ihnen Tag für Tag zur Verfügung steht. 

 6. Eure Hundertjahrfeier ist für alle Eure Gemeinschaften ein geeigneter Anlaß, dem Herrn für seine Wohltaten zu danken. Möge die Gnade des Jubiläums in allen Schwestern, die Eurer Union angehören, den Wunsch nach Heiligkeit durch eine stets erneuerte Umkehr beleben! Mit ganz besonderen Wünschen für Euer nächstes Generalkapitel vertraue ich alle Mitglieder der Römischen Union des Ursulinenordens dem mütterlichen Schutz der Jungfrau Maria an und erteile von ganzem Herzen den Apostolischen Segen.  

Aus dem Vatikan, am 10. November 2000

JOHANNES PAUL II.

 

 

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