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ANSPRACHE VON JOHANNES PAUL II.
AN DIE TEILNEHMER DER XIX. INTERNATIONALEN KONFERENZ
DES PÄPSTLICHEN RATS FÜR DIE KRANKENPASTORAL

Freitag, 12. November 2004

 

Herr Kardinal,
verehrte Mitbrüder im bischöflichen Dienst,
liebe Brüder und Schwestern!

1. Es ist mir eine Freude, euch anläßlich der Internationalen Konferenz des Päpstlichen Rats für die Krankenpastoral zu empfangen, deren Arbeiten derzeit im Gang sind. Mit eurem Besuch habt ihr euren wissenschaftlichen und menschlichen Einsatz zugunsten derer bekräftigen wollen, die sich in einem Zustand des Leidens befinden.

Ich danke Herrn Kardinal Javier Lozano Barragán für die freundlichen Worte, die er soeben im Namen aller an mich gerichtet hat. Mein Dank und meine Wertschätzung gelten allen, die zu dieser Versammlung beigetragen haben, ebenso den vielen Ärzten und dem Sanitätspersonal, die in der Welt ihre wissenschaftlichen, menschlichen und geistigen Fähigkeiten zur Linderung des Leidens und seiner Folgen einsetzen.

2. Die Medizin steht immer im Dienst am Leben. Auch wenn sie weiß, daß sie eine schwere Pathologie nicht bezwingen kann, bringt sie die eigenen Fähigkeiten ein, um die Schmerzen zu lindern. Mit ganzer Hingabe zu arbeiten, um dem Patienten in jeder Lage zu helfen, bedeutet, sich der unantastbaren Würde jedes Menschen, auch im äußersten Zustand des Endstadiums, bewußt zu sein. In diesem hingebungsvollen Dienst am Leidenden erkennt der Christ eine wesentliche Dimension seiner Berufung. Denn er weiß, daß er bei der Erfüllung dieser Aufgabe für Christus selbst Sorge trägt (vgl. Mt 25,35–40).

»Durch Christus und in Christus also wird das Rätsel von Schmerz und Tod hell, das außerhalb seines Evangeliums uns überwältigt«, lehrt das Konzil (Gaudium et spes, 22). Wer sich diesem Licht im Glauben öffnet, findet Trost im eigenen Leiden und wird fähig, die Leiden der anderen zu lindern. In der Tat gibt es eine direkt proportionale Beziehung zwischen der Leidensfähigkeit und der Fähigkeit, dem Leidenden zu helfen. Die tägliche Erfahrung lehrt, daß Menschen, die für das Leiden anderer empfänglicher sind und sich mehr bemühen, die Schmerzen der anderen zu lindern, auch bereiter sind, die eigenen Leiden mit Gottes Hilfe anzunehmen.

3. Die Liebe zum Nächsten, die Jesus im Gleichnis vom barmherzigen Samariter eindrucksvoll verdeutlicht hat (vgl. Lk 10,29ff.), befähigt dazu, die Würde jeder Person anzuerkennen, auch wenn die Krankheit das Dasein belastet. Das Leiden, das Altern, der Zustand der Bewußtlosigkeit, der bevorstehende Tod verringern nicht die innewohnende Würde der Person, die als Abbild Gottes geschaffen ist.

Zu den Dramen, die von einer Ethik verursacht werden, die sich anmaßt, festzulegen, wer leben darf und wer sterben muß, gehört das Drama der Euthanasie. Auch wenn sie von Gefühlen eines falsch verstandenen Mitleids oder einer mißverstandenen zu bewahrenden Würde motiviert wird, bewirkt die Euthanasie, anstatt die Person vom Leiden zu befreien, ihre Tötung.

Wenn dem Mitleid der Wille fehlt, dem Leiden entgegenzutreten und den Leidenden zu begleiten, führt es, um den Schmerz zu beenden, zur Auslöschung des Lebens, und verdreht so die ethische Satzung der medizinischen Wissenschaft. Den Kranken bis zum Ende begleiten

4. Das wahre Mitleid hingegen fördert jede vernünftige Anstrengung, um die Genesung des Patienten herbeizuführen. Zugleich ist es eine Hilfe aufzuhören, wenn keine Behandlung mehr zu diesem Ziel zu führt.

Die Verweigerung der lebensverlängernden Maßnahmen ist keine Zurückweisung des Patienten und seines Lebens. Denn Gegenstand der Entscheidung über die Angemessenheit, eine Therapie zu beginnen oder fortzusetzen, ist nicht der Wert des Lebens des Patienten, sondern der Wert des medizinischen Eingriffs beim Patienten.

Die eventuelle Entscheidung, eine Therapie nicht einzuleiten oder zu unterbrechen, wird für ethisch richtig erachtet, wenn diese sich als unwirksam oder eindeutig unangemessen erweist, um das Leben zu erhalten oder die Gesundheit wiederherzustellen. Die Verweigerung der lebensverlängernden Maßnahmen ist deshalb Ausdruck der Achtung, die man dem Patienten in jedem Augenblick schuldet.

Es ist gerade dieser Sinn des liebevollen Respekts, der helfen soll, den Patienten bis zum Ende zu begleiten, indem man ihm alle Handlungen und Aufmerksamkeiten zukommen läßt, die möglich sind, um das Leiden zu verringern und im letzten Lebensabschnitt auf Erden ein möglichst friedvolles Dasein zu fördern, das seinen Geist auf die Begegnung mit dem himmlischen Vater vorbereitet.

5. Vor allem in der Krankheitsphase, in der es nicht mehr möglich ist, angemessene und wirksame Therapien anzuwenden, während es Pflicht ist, jede Form des Beharrens oder lebensverlängernde Maßnahmen zu vermeiden, besteht die Notwendigkeit der »palliativen Behandlungsweisen «, die, wie die Enzyklika Evangelium vitae bekräftigt, »das Leiden im Endstadium der Krankheit erträglicher machen und gleichzeitig für den Patienten eine angemessene menschliche Begleitung gewährleisten sollen« (Nr. 65).

Die palliativen Behandlungsweisen zielen in der Tat darauf ab, besonders bei dem Patienten im Endstadium eine ganze Reihe von physischen, psychischen und geistigen Schmerzsymptomen zu lindern und erfordern deshalb den Einsatz eines Teams von Spezialisten mit medizinischer, psychologischer und religiöser Kompetenz, die gut zusammenarbeiten, um den Patienten in der kritischen Phase zu stützen.

Insbesondere in der Enzyklika Evangelium vitae wurde die traditionelle Lehre über die erlaubte und manchmal pflichtgemäße Anwendung von schmerzstillenden Mitteln unter Achtung der Freiheit der Patienten zusammengefaßt, die, soweit möglich, in der Lage sein sollen, »ihren moralischen und familiären Verpflichtungen nachzukommen, und sich vor allem mit vollem Bewußtsein auf die endgültige Begegnung mit Gott vorzubereiten« (Nr. 65).

Den Patienten darf man es, wenn nötig, nicht an der Erleichterung durch schmerzstillende Mittel fehlen lassen, aber ihre Verabreichung soll nach der Intensität und Behandlung des Schmerzes bemessen sein, so daß jede Form der Euthanasie vermieden wird, zu der es käme, wenn große Mengen von Schmerzmitteln zu dem Zweck verabreicht würden, den Tod herbeizuführen.

Um diese abgestufte Hilfe zu leisten, ist es notwendig, die Ausbildung von Spezialisten für palliative Behandlungsweisen und insbesondere didaktische Strukturen zu fördern, an denen auch Psychologen und pastorale Mitarbeiter interessiert sein können. Den Dienst der freiwilligen Helfer nicht vergessen

6. Wissenschaft und Technik werden jedoch nie eine befriedigende Antwort auf die wesentlichen Fragen des Menschenherzens geben können. Diese Fragen kann nur der Glaube beantworten. Die Kirche will weiterhin ihren besonderen Beitrag durch die menschliche und geistliche Begleitung der Kranken anbieten, die sich der Botschaft der Liebe Gottes öffnen möchten, der immer auf die Tränen dessen achtet, der zu ihm ruft (vgl. Ps 39,13). Hier zeigt sich die Bedeutung der Gesundheitspastoral, in der die Krankenseelsorger, die so viel zum geistlichen Wohl der Patienten der Sanitäreinrichtungen beitragen, eine besondere Rolle spielen.

Nicht zu vergessen ist der wertvolle Beitrag der freiwilligen Helfer, die durch ihren Dienst die »Phantasie der Nächstenliebe« wirken lassen, die auch in der bitteren Leidenserfahrung Hoffnung einflößt. Durch sie kann Jesus auch heute unter den Menschen umhergehen, um ihnen Gutes zu tun und sie zu heilen (vgl. Apg 10,38).

7. So bietet die Kirche ihren Beitrag in dieser faszinierenden Mission zugunsten der leidenden Personen an. Der Herr erleuchte alle, die den Kranken beistehen, und er möge sie ermutigen, in ihren verschiedenen Rollen und unterschiedlichen Verantwortlichkeiten auszuhalten.

Maria, die Mutter Christi, begleite alle in den schwierigen Augenblicken des Leidens und der Krankheit, damit das menschliche Leiden im Heilsgeheimnis des Kreuzes Christi angenommen werde.

Diese Wünsche begleite ich mit meinem Segen.



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