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JOHANNES PAUL II.

Seligsprechung der Diener Gottes
Restituta KAFKA,
Jakob KERN
und Anton Maria SCHWARTZ

21. Juni 1998

 

1. "Für wen halten mich die Leute?" (Lk 9, 18)

Diese Frage hat Jesus einmal seinen Jüngern gestellt, die mit ihm unterwegs waren. Auch den Christen auf den Straßen unserer Zeit legt Jesus die Frage vor: "Für wen halten mich die Leute?"

Wie vor fast zweitausend Jahren in einem versteckten Winkel der damals bekannten Welt, so scheiden sich auch heute an Jesus die Geister: Die einen billigen ihm die Fähigkeit prophetischer Rede zu. Andere halten ihn für eine großartige Persönlichkeit, ein Idol, das Menschen zu fesseln vermag. Wieder andere trauen ihm sogar zu, eine neue Epoche einzuleiten.

"Ihr aber, für wen haltet ihr mich?" (Lk 9, 20)

Die Frage kann man nicht neutral beantworten. Sie verlangt eine Grundsatzentscheidung und geht alle persönlich an. Auch heute stellt Jesus die Frage: Ihr Katholiken Österreichs, ihr Christen dieses Landes, ihr Bürgerinnen und Bürger, für wen haltet ihr mich?

Es ist eine Frage, die aus dem Herzen Jesu kommt. Wer sein eigenes Herz öffnet, der wünscht sich, daß das Gegenüber nicht nur mit dem Kopf antwortet. Die Frage aus dem Herzen Jesu muß uns selbst zu Herzen gehen: Wer bin ich für Euch? Was bedeute ich Euch? Kennt Ihr mich eigentlich? Bekennt Ihr Euch zu mir? Habt Ihr mich lieb?

2. Damals hat Petrus als Sprecher der Jünger geantwortet: Wir halten dich "für den Messias Gottes" (Lk 9, 20). Etwas ausführlicher gibt Matthäus das Bekenntnis des Petrus wieder: "Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes" (Mt 16, 16).

Heute bekennt der Nachfolger des Apostels Petrus, der ich durch Gottes Gnade bin, stellvertretend für Euch und gemeinsam mit Euch: Du bist der Messias Gottes. Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes.

3. Im Laufe der Jahrhunderte wurde immer wieder um das richtige Bekenntnis gerungen. Dank sei Petrus, dessen Worte einen Maßstab gesetzt haben!

An ihm müssen sich die Bemühungen messen lassen, mit denen die Kirche auf ihrem Weg durch die Zeit versucht auszudrücken, was ihr Jesus bedeutet. Dabei genügt das Lippenbekenntnis allein nicht. Die Kenntnis von Schrift und Tradition ist wichtig, das Studium des Katechismus ist wertvoll, aber was nützt das alles, wenn dem Glaubenswissen die Taten fehlen?

Das Christusbekenntnis ruft in die Christusnachfolge. Zum richtigen Bekenntnis muß das richtige Leben treten. Rechtgläubigkeit verlangt Glaubwürdigkeit. Diese anspruchsvolle Wahrheit hat Jesus den Seinen gegenüber von Anfang an nicht verschwiegen. Gerade hat Petrus ein außerordentliches Bekenntnis abgelegt. Im gleichen Atemzug müssen er und der ganze Jüngerkreis sich von Jesus erklären lassen, was ihr Meister sich von ihnen erwartet: "Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme täglich sein Kreuz auf sich und folge mir nach" (Lk 9, 23).

Wie es am Anfang war, so ist es bis heute geblieben: Jesus Christus sucht nicht nur Menschen, die ihm zujubeln. Er sucht Menschen, die ihm nachfolgen.

4. Liebe Schwestern und Brüder! Wer die Geschichte der Kirche mit liebendem Auge betrachtet, darf dankbar entdecken, daß es trotz aller dunklen Punkte und Schattenseiten immer und überall Menschen gegeben hat und gibt, deren Leben neues Licht auf die Glaubwürdigkeit des Evangeliums wirft.

Heute wird mir die große Freude geschenkt, drei Christen aus der Kirche Eurer Heimat in das Buch der Seligen eintragen zu dürfen. Jeder von ihnen hat auf eigene Weise das Messiasbekenntnis mit dem persönlichen Lebenszeugnis eingelöst. Alle drei zeigen uns, daß mit "Messias" nicht nur ein Titel für Christus gemeint ist, sondern die Bereitschaft, an der messianischen Ordnung mitzuarbeiten: Große werden klein und Schwache kommen zum Zug.

Auf dem Heldenplatz, hier und heute, haben nicht die Helden der Welt das Wort, sondern die Helden der Kirche, drei neue Selige. Vor sechzig Jahren hat vom Balkon dieses Platzes aus ein Mensch für sich das Heil proklamiert. Die neuen Seligen haben eine andere Botschaft. Sie sagen uns: Nicht in einem Menschen liegt das Heil, sondern: Heil Christus, dem König und Erlöser!

5. Jakob Kern entstammt einer einfachen Wiener Arbeiterfamilie. Aus seinem Studium im Knabenseminar in Hollabrunn reißt ihn der erste Weltkrieg heraus. Eine schwere Kriegsverletzung macht sein kurzes Leben im Priesterseminar und im Prämonstratenser-Stift Geras zu einer, wie er selber sagt, "Karwoche". Um Christi willen hält er sein Leben nicht fest, sondern opfert es bewußt auf für andere. Zunächst wollte er Weltpriester werden. Doch ein Ereignis sollte für ihn andere Weichen stellen: Ein Prämonstratenser verläßt sein Kloster und schließt sich der neu entstandenen, von Rom getrennten tschechischen Nationalkirche an. In diesem traurigen Vorfall entdeckt Jakob Kern seine Berufung: Er will für den Ordensmann Sühne leisten. Gewissermaßen an seiner Stelle tritt Jakob Kern ins Kloster Geras ein. Gott hat das Geschenk des "Stellvertreters" angenommen.

Der selige Jakob Kern steht vor uns als Zeuge für die Treue zum Priestertum. Ursprünglich war es ein Kindertraum: Schon als kleiner Junge hat er Pfarrer gespielt. Im Laufe seines Lebens ist dieser Wunsch immer reifer geworden. Im Leiden geläutert, ging dem Ordensmann der tiefe Sinn priesterlicher Berufung auf: das eigene Leben mit dem Kreuzesopfer Christi zu vereinen und für das Heil anderer stellvertretend hinzugeben.

Möge der selige Jakob Kern, der ein lebensfroher, "farbtragender" Student war, vielen jungen Männern Mut machen, dem Ruf Christi zum Priestertum hochherzig zu folgen. Seine Worte von damals sind uns gesagt: "Heute braucht man mehr denn je ganze und heilige Priester. Jedes Gebet, jedes Opfer, jede Mühe und Plage werden, wenn mit der richtigen Intention verbunden, heiliges Saatgut Gottes, das früher oder später seine Frucht bringt".

6. In Wien hat sich vor hundert Jahren Pater Anton Maria Schwartz vom Los der Arbeiter anrühren lassen. Vor allem den jungen Menschen in der Ausbildung, den Lehrlingen, widmet er sein Leben. Seine Herkunft aus ärmlichen Verhältnissen vergißt er nie, so daß ihn mit den Bedürftigen aus dem Arbeitermilieu eine Herzensverwandtschaft verbindet. Um ihnen zu helfen, gründet er die "Kongregation der frommen Arbeiter" nach der Regel des heiligen Josef von Kalasanz, die bis heute blüht. Eine große Sehnsucht erfüllt ihn: eine Gesellschaft im Umbruch zu Christus zurückzuführen und sie in Christus zu erneuern. Er hat Verständnis für die Not der Lehrlinge und Arbeiter, denen oft Halt und Orientierung fehlt. Mit Phantasie und Liebe wendet er sich ihnen zu. Er findet Mittel und Wege, "die erste Arbeiterkirche Wiens" zu bauen. Verborgen und bescheiden, ohne sich abzuheben zwischen Häusern mit kleinen Wohnungen, gleicht das Gotteshaus dem Wirken dessen, der es errichtet und vierzig Jahre lang mit Leben erfüllt hat.

Am "Arbeiterapostel" Wiens schieden sich aber auch die Geister. Vielen ging sein Einsatz zu weit. Andere schlugen ihn für höchste Auszeichnungen vor. Pater Schwartz blieb sich treu und scheute nicht davor zurück, auch mutige Schritte zu wagen. Mit seinen Forderungen nach Ausbildungsplätzen für Jugendliche und nach einem arbeitsfreien Sonntag ist er bis in den Reichstag vorgedrungen.

Er hinterläßt uns eine Botschaft: Unternehmt alles, was Euch möglich ist, um den Sonntag zu schützen! Zeigt, daß dieser Tag zu Recht arbeitsfrei bleiben muß, weil er als Tag des Herrn gefeiert wird! Helft vor allem den Jugendlichen, denen das Recht auf Arbeit vorenthalten wird! Wer dafür sorgt, daß die Jugend von heute Brot hat, der trägt dazu bei, daß die Erwachsenen von morgen ihren Kindern Sinn vermitteln können. Ich weiß, daß es dafür keine einfachen Lösungen gibt. Deshalb wiederhole ich ein Wort, unter das der selige Pater Schwartz seine vielfältigen Bemühungen gestellt hat: “Wir müssen mehr beten”.

7. Schwester Restituta Kafka war noch nicht volljährig, als sie den Wunsch äußerte, ins Kloster zu gehen. Die Eltern sind dagegen. Aber die junge Frau hält unbeirrt an ihrem Ziel fest, "aus Liebe zu Gott und den Menschen" Schwester zu werden. Besonders in den Armen und Kranken möchte sie Christus dienen. Bei den "Franziskanerinnen der christlichen Liebe" findet sie den Weg, ihre Berufung im nüchternen, oft harten Spitalsalltag zu leben. Mit Leib und Seele Krankenschwester, wird sie in Mödling bald zur Institution. Ihre fachliche Kompetenz, ihre Durchsetzungskraft und ihre Herzlichkeit tragen dazu bei, daß sie von vielen nicht mehr Schwester Restituta, sondern Schwester Resoluta genannt wird.

Ihr Mut und ihre Unerschrockenheit lassen sie auch vor der nationalsozialistischen Herrschaft nicht schweigen. Schwester Restituta setzt sich über das Verbot der politischen Führung hinweg und läßt in allen Krankenzimmern Kreuze anbringen. Am Aschermittwoch 1942 wird sie von der Gestapo abgeholt. Im Gefängnis beginnt für sie eine mehr als einjährige "Fastenzeit", die am 30. März 1943 auf dem Schafott endet. Als letzte Worte sind uns überliefert: "Für Christus habe ich gelebt, für Christus will ich sterben".

An der seligen Schwester Restituta können wir ablesen, zu welchen Höhen innerer Reife ein Mensch an der Hand Gottes geführt werden kann. Für das Bekenntnis zum Kreuz hat sie ihren Kopf hingehalten. Sie hat es im Herzen bewahrt und vor der Hinrichtung noch einmal leise ausgesprochen, als sie den Gefängnispfarrer um ein "Kreuzerl auf die Stirne" bat.

Man kann uns Christen vieles nehmen. Aber das Kreuz als Zeichen des Heils lassen wir uns nicht nehmen. Lassen wir nicht zu, daß man es aus der Öffentlichkeit entfernt! Hören wir auf die Stimme des Gewissens, die uns sagt: "Man muß Gott mehr gehorchen als den Menschen!" (Apg 5, 29).

8. Liebe Schwestern und Brüder! Die heutige Feier bekommt eine europäische Note. Neben dem verehrten Herrn Bundespräsidenten der Republik Österreich, Herrn Thomas Klestil, geben uns auch Vertreter des politischen Lebens aus dem In- und Ausland die Ehre ihrer Anwesenheit. Ich grüße sie herzlich und mit ihnen die Völker, die Sie vertreten.

In der Freude, daß uns heute drei neue Selige geschenkt wurden, wende ich mich an alle Schwestern und Brüder des Volkes Gottes, die hier versammelt sind oder sich über Radio und Fernsehen mit uns verbunden haben. Ich grüße den Oberhirten der Erzdiözese Wien, Herrn Kardinal Christoph Schönborn, und den Vorsitzenden der Österreichischen Bischofskonferenz, Herrn Bischof Johann Weber, sowie alle Brüder im Bischofsamt, die aus nah und fern zum Heldenplatz gekommen sind. Nicht vergessen möchte ich die vielen Priester und Diakone, die Ordensleute und die pastoralen Mitarbeiter der Pfarren und Gemeinschaften.

Liebe Jugendliche! Einen besonderen Gruß schulde ich heute Euch. Ich freue mich, daß Ihr in so großer Zahl anwesend seid. Wieviele von Euch sind von weither gekommen! Ich meine das nicht nur geographisch ... Aber Ihr seid da: das Geschenk der Jugend, auf die das Leben wartet!

Die drei Helden der Kirche, die wir gerade in das Buch der Seligen eingeschrieben haben, können Euch eine Lebenshilfe sein: der junge Jakob Kern, der gerade in seiner Krankheit das Vertrauen der Jugend gewann; Pater Anton Maria Schwartz, der es verstand, die Herzen der Lehrlinge zu erreichen; Schwester Restituta Kafka, die den Mut aufbrachte, für ihre eigene Meinung einzustehen.

Sie waren keine "fotokopierten Christen", sondern jeder für sich ein Original, unauswechselbar und einzigartig. Sie haben angefangen wie Ihr: als junge Menschen, voller Ideale und auf der Suche nach einem Sinn, für den es sich zu leben lohnt.

Noch etwas macht die drei neuen Seligen so anziehend: Ihre Lebensgeschichten zeigen uns, wie sie als Persönlichkeiten nach und nach gereift sind. Auch Euer Leben ist noch keine reife Frucht. Deshalb kommt es darauf an, daß Ihr das Leben pflegt, damit es zur Blüte und Reife kommen kann. Nährt es mit dem Saft des Evangeliums! Haltet es Christus hin, der Sonne des Heiles! Pflanzt das Kreuz in Eurer Leben ein - das Kreuz als wahren Baum des Lebens!

9. Liebe Schwestern und Brüder! "Ihr aber, für wen haltet ihr mich?"

Wir werden in wenigen Augenblicken das Glaubensbekenntnis beten. In diesem Bekenntnis, mit dem wir uns in die Gemeinschaft der Apostel und der Überlieferung der Kirche sowie in die Schar der Heiligen und Seligen stellen, soll auch unsere persönliche Antwort vorkommen. Die Überzeugungskraft der Botschaft ist auch an die Glaubwürdigkeit ihrer Botschafter gebunden. Deshalb fängt die Neuevangelisierung bei uns selber an, bei unserem Lebensstil.

Die Kirche von heute braucht keine Teilzeitkatholiken, sondern Vollblutchristen! Die drei neuen Seligen waren es. An ihnen können wir Maß nehmen.

Danke, seliger Jakob Kern, für Deine priesterliche Treue!

Danke, seliger Pater Anton Maria Schwartz, für Deine Begleitung der Arbeiter!

Danke, selige Schwester Restituta Kafka, für Dein Schwimmen gegen den Strom der Zeit!

Ihr Heiligen und Seligen Gottes, bittet für uns. Amen.

     



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