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APOSTOLISCHE REISE DES HEILIGEN VATERS
IN DIE TÜRKEI 

(28.-30. NOVEMBER 2014)

PRESSEKONFERENZ MIT DEM HEILIGEN VATER
AUF DEM RÜCKFLUG
NACH ROM

Sonntag, 30. November 2014

[Multimedia]


 

 

(Pater Lombardi)

Vielen Dank, Heiliger Vater, dass Sie bei uns sind; vielen Dank für die so herzliche und freundliche Begrüßung, die Sie allen, einem jeden von uns, zukommen lassen wollten. Wir gehen jetzt zum zweiten Teil über, dem kulturellen, dem Fragenteil. Einige hier haben sich auf die Liste setzen lassen, und wir wollen mit zwei türkischen Kolleginnen beginnen, die ja direkt betroffen sind, weshalb wir natürlich auch erwarten, dass ihre Fragen die Reise betreffen. Eine Reise, auf der Sie sehr viele Dinge getan haben; wir können also viele Aspekte vertiefen. Ich bitte Yasemin, vorzutreten und die erste Frage zu stellen. Yasemin ist vom türkischen Fernsehen, sie hat schon Papst Benedikt auf seiner Reise hierher begleitet, kennt sich also mit Papstreisen in die Türkei bestens aus.

(Yasemin Taskin)

Guten Abend, Heiliger Vater. Meine Frage betrifft natürlich die Reise. Präsident Erdogan hat von „Islamophobie“ gesprochen. Sie haben sich natürlich mehr mit einer derzeitigen Christianophobie in Nahost beschäftigt; also damit, was mit den Christen, den Minderheiten, geschieht. Was kann man außer dem Aufruf zum interreligiösen Dialog noch tun? Ich meine: Ist der interreligiöse Dialog genug? Kann man noch weiter gehen? Und was müssen Ihrer Meinung nach die Mächtigen dieser Welt tun? Ich frage Sie das, weil Sie nicht nur das geistliche Oberhaupt der Katholiken sind, sondern inzwischen auch ein moralischer Führer für die ganze Welt; und so würde ich also auch in diesem Sinn gerne wissen, was man konkret tun kann, ob man weiter gehen kann…

(Papst Franziskus)

Da haben Sie mir ja ein ganzes Buch an Fragen gestellt!… Zum interreligiösen Dialog möchte ich etwas sagen, zur Islamophobie und zur Christianophobie: zu diesen drei Dingen.

Zur Islamophobie: Es stimmt, dass diese Terrorakte nicht nur in dieser Zone, sondern auch in Afrika eine Reaktion auslösen, dass man sagt: „Wenn das der Islam ist, dann macht mich das ganz schön wütend!“ Und viele Muslime fühlen sich dadurch angegriffen, sehr, sehr viele Muslime. „Nein, das sind wir nicht,“  sagen sie. „Der Koran ist ein Buch des Friedens, ein prophetisches Buch des Friedens. Das ist nicht der Islam.“  Ich verstehe das, und ich meine zumindest  – ehrlich gesagt –, dass man nicht sagen darf, dass alle Muslime Terroristen sind: Das darf man nicht sagen. Genauso wie man nicht sagen darf, dass alle Christen Fundamentalisten sind. Denn auch unter uns haben wir sie; in allen Religionen gibt es diese Gruppierungen. Ich habe zum Präsidenten [Erdogan] gesagt: „Es wäre schön, wenn alle islamischen Führer – sei es auf dem Gebiet der Politik, der Religion oder der Wissenschaft – eine deutliche Sprache sprechen und diese Akte verurteilen würden, denn das wird dem Großteil des islamischen Volkes helfen, „nein“ zu sagen. Ja, wirklich: sie müssen es aus dem Mund ihrer Führer hören: von dem religiösen oder dem akademischen Führer, von vielen Intellektuellen und von der politischen Leitung.“ Das war meine Antwort. Denn wir alle brauchen eine weltweite Verurteilung, und die muss auch von den Muslimen kommen, die diese Identität haben, und die sagen müssen: „Das sind wir nicht. Das ist der Koran nicht.“ Das ist das erste.

Christianophobie: Aber wirklich! Ich will hier gar keine beschönigenden Worte gebrauchen. Wir Christen werden aus dem Nahen Osten vertrieben. Manchmal, wie wir im Irak gesehen haben, in der Zone von Mosul, müssen die Christen fortgehen und alles zurücklassen, oder eine Steuer zahlen, die dann doch nichts nützt… Andere Male wieder werden wir sozusagen „mit weißen Handschuhen“ fortgejagt. In einem Staat zum Beispiel lebt der Mann an einem Ort, und seine Frau an einem anderen… Aber nein, lasst den Mann kommen und bei seiner Frau leben. – Nein, nein: Die Frau soll gehen und das Haus frei lassen. Das passiert in verschiedenen Ländern. Es ist, als wollten sie, dass es keine Christen mehr gibt, nichts Christliches mehr bleibt. In jener Zone ist es das, was passiert. Es stimmt, das ist eine Folge des Terrorismus, im ersten Fall – aber wenn man es „diplomatisch“ macht, „mit weißen Handschuhen“, dann steckt da etwas ganz anderes dahinter, und das ist nicht gut!

Drittens, der interreligiöse Dialog. Die schönste Unterhaltung in diesem Sinn war vielleicht die, die ich mit dem Präsidenten für Religionsangelegenheiten und seinen Mitarbeitern hatte. Schon als der neue Botschafter der Türkei gekommen ist – vor anderthalb Monaten – , um mir sein Beglaubigungsschreiben zu überreichen, habe ich gesehen, dass er ein außergewöhnlicher Mann ist, ein Mann von tiefer Religiosität. Und der Präsident dieses Büros ist von derselben Schule. Und sie haben etwas sehr Schönes gesagt: „Derzeit sieht es so aus, als wäre der interreligiöse Dialog am Ende angelangt. Wir müssen einen Qualitätssprung machen, damit der interreligiöse Dialog sich nicht nur auf der Ebene bewegt:  –  Wie seht ihr das?... Wir denken…usw. – Wir müssen einen Qualitätssprung machen! Wir brauchen einen Dialog zwischen religiösen Menschen verschiedener Herkunft.“ Wie schön ist das doch: Männer und Frauen, die andere Männer und Frauen treffen und ihre Erfahrungen austauschen: Man spricht nicht über die Theologie, man spricht von religiöser Erfahrung. Und das wäre ein schöner Schritt nach vorn, ja, das wäre sehr schön! Diese Begegnung hat mir sehr gut gefallen. Sie hatte Qualität! 

Um auf die ersten beiden Aspekte zurückzukommen, vor allem auf den der Islamophobie, müssen wir stets unterscheiden, was der Vorschlag einer Religion ist und welchen konkreten Gebrauch eine bestimmte Regierung von diesem Vorschlag macht. Vielleicht sagt sie: „Ich bin islamisch – ich bin jüdisch – ich bin christlich.“ Aber du regierst dein Land nicht als Muslim, als Jude oder als Christ. Dazwischen liegt ein Abgrund. Wir müssen hier unterscheiden, denn oft gebraucht man den Namen, aber die Realität ist nicht die der Religion. Ich weiß nicht, ob ich die Frage damit beantwortet habe…

(Yasemin Taskin)

Danke, Heiliger Vater.

(Pater Lombardi)

Sie haben sehr ausführlich beantwortet. Wenn nun Esma [Cakir] vortreten möchte, unsere zweite türkische Dame auf dieser Reise. Sie ist von der Nachrichtenagentur.

(Esma Cakir)

Guten Abend, Heiliger Vater. Welche Bedeutung hatte der Moment des so innigen Gebetes, den Sie in der Moschee erlebten? War es für Sie eine Art und Weise, sich an Gott zu wenden? Gibt es etwas Besonderes, das Sie mit uns teilen möchten?

(Papst Franziskus)

Ich bin als Pilger in die Türkei gekommen, nicht als Tourist. Und ich bin aus einem ganz bestimmten Anlass gekommen. Der Hauptgrund war das heutige Fest: Ich bin eigens gekommen, um es mit Patriarch Bartholomäus zu feiern, hatte also ein religiöses Motiv. Doch dann, als ich in die Moschee ging, konnte ich nicht auf einmal sagen: „So, und jetzt bin ich Tourist!“ Nein, es war alles religiös. Und ich habe diese Grandiosität gesehen! Der Mufti erklärte mir alles ganz genau, mit großer Sanftmut, und auch mit Hilfe des Korans, wo von Maria und Johannes dem Täufer die Rede ist. Er erklärte mir alles … Und in dem Moment verspürte ich das Bedürfnis zu beten. Und ich sagte: „Wollen wir ein wenig beten?“ – „Ja, ja“, stimmte er mir zu. Und da habe ich gebetet: für die Türkei, für den Frieden, für den Mufti… für alle… für mich, weil ich es brauche… Ich habe gebetet, ja wirklich… Und ich habe vor allem für den Frieden gebetet. Ich habe gesagt: „Herr, lass uns aufhören mit dem Krieg…“. Es war also ein Moment aufrichtigen Gebets.

(Pater Lombardi)

Kommen wir nun zu dem Orthodoxen unserer Gruppe: Alexey Bukalov, einer unserer „Dienstältesten“, der bei vielen Reisen dabei war. Er ist Russe, und er ist orthodox. Er hat darum gebeten, eine Frage stellen zu dürfen – immerhin handelt es sich ja hier um eine Reise, auf der die Beziehungen zu den Orthodoxen von grundlegender Bedeutung waren.

(Alexey Bukalov)

Vielen Dank. Danke, Pater Lombardi. Heiliger Vater, ich danke Ihnen für alles, was Sie für die orthodoxe Welt tun, und möchte gerne wissen: Welche Perspektiven werden sich nach Ihrem Besuch und der außergewöhnlichen Begegnung mit dem Patriarchen von Konstantinopel für die Kontakte zum Patriarchat Moskau eröffnen? Danke.

(Papst Franziskus)

Letzten Monat ist [Metropolit] Hilarion als Delegat von Patriarch Kyrill zur Synode gekommen. Er wollte mit mir sprechen, aber nicht als Synoden-Delegat, sondern als Präsident der Kommission für den katholisch-orthodoxen Dialog. Wir haben uns eine Weile unterhalten.

Ich werde zuerst etwas über die Orthodoxie im Ganzen sagen und dann zu Moskau kommen. Ich glaube, dass wir mit der Orthodoxie in Bewegung sind. Sie haben die Sakramente, sie haben die apostolische Sukzession… wir sind auf dem Weg. Worauf müssen wir warten? Dass sich die Theologen einigen? Der Tag wird niemals kommen, das kann ich Ihnen sagen, da bin ich skeptisch. Sie arbeiten gut, die Theologen, aber ich kann mich an das erinnern, was  Athenagoras zu  Paul VI. gesagt haben soll: „Schicken wir diese ganzen Theologen doch einfach auf eine Insel, wo sie sich die Köpfe zerbrechen können, und wir machen hier inzwischen alleine weiter!“ Ich hatte gemeint, das sei eine erfundene Geschichte, aber Bartholomäus hat mir versichert: „Nein, es stimmt. Genau das hat er gesagt!“ Man kann nicht darauf warten: Die Einheit ist ein Weg; ein Weg, den wir gehen müssen, und wir müssen es gemeinsam tun. Das ist die geistliche Ökumene: gemeinsam beten, gemeinsam arbeiten. Es gibt so viele Werke der Nächstenliebe, so viel Arbeit… gemeinsam unterrichten… gemeinsam vorangehen. Das ist geistliche Ökumene. Dann gibt es noch die Ökumene des Blutes, wenn sie die Christen umbringen; wir haben viele Märtyrer… angefangen bei denen in Uganda, die vor fünfzig Jahren heilig gesprochen wurden: Sie waren zur Hälfte Anglikaner, zur Hälfte Katholiken; aber jene [die sie umgebracht haben] haben nicht gesagt: „Du bist Katholik… Du bist Anglikaner…“  Nein: „Du bist Christ“, und das Blut vermischt sich. Das ist die Ökumene des Blutes. Unsere Märtyrer rufen uns zu: „Wir sind eins! Wir haben bereits eine Einheit – im Geist und im Blut.“ Ich weiß nicht, ob ich hier schon die Anekdote von Hamburg erzählt habe; die vom Pfarrer aus Hamburg… Habe ich das? Als ich in Deutschland war, musste ich nach Hamburg, um eine Taufe zu spenden. Der Pfarrer dort arbeitete am Heiligsprechungsprozess für einen Priester, den die Nazis enthauptet hatten, weil er Kindern Katechismus-Unterricht gab. Und als er den Fall studierte, da entdeckte er auf einmal, dass hinter dem Priester in der Schlange ein lutherischer Pastor gestanden hatte, der aus  demselben Grund wie der Priester aufs Schafott geschickt wurde. Das Blut der beiden vermischte sich... Da ging der Pfarrer zum Bischof und sagte zu ihm : „Ich werde die Sache nicht für den Priester allein weiter vorantreiben: entweder beide oder keiner!“ Das ist die Ökumene des Blutes, die uns sehr hilft, uns sehr viel sagt. Und ich denke, dass wir auf diesem Weg mutig vorangehen müssen. Ja, die Lehrstühle an den Universitäten teilen, das wird getan, aber wir müssen weitergehen, immer weiter...

Ich werde nun etwas sagen, das vielleicht nicht jeder verstehen mag, und doch … Die katholischen Ostkirchen haben ein Recht, zu existieren, das stimmt. Aber Uniatismus ist ein Wort aus einer anderen Zeit. Heute kann man nicht mehr so sprechen. Es muss ein anderer Weg gefunden werden.

Und jetzt „landen“ wir in Moskau. Ich habe Patriarch Kyrill zu verstehen gegeben – und er ist einverstanden –, dass der Wille zu einer Begegnung besteht. Ich habe ihm gesagt: „Ich komme dorthin, wo du willst. Ruf mich, und ich komme“; und dasselbe will auch er. Aber jetzt, mit dem Problem des Krieges, hat der Arme dort so viel um die Ohren, dass die Begegnung mit dem Papst zweitrangig geworden ist. Doch wir haben beide den Wunsch, einander zu begegnen und voranzukommen. Hilarion hat vorgeschlagen, in einer Studientagung der Kommission, in der er der Delegation der russisch-orthodoxen Kirche vorsteht, das Thema des Primats zu vertiefen. Denn wir müssen im Sinn der Bitte Johannes Pauls II. vorankommen: Helft mir, eine Form von Primat zu finden, mit der wir alle einverstanden sein können! Das ist alles, was ich dazu sagen kann.

(Alexey Bukalov)

Danke, Heiliger Vater.

(Papst Franziskus)

Ich danke Ihnen.

(Pater Lombardi)

Vielen Dank. Jetzt ist Mimmo Muolo an der Reihe. Er gehört zur italienischen Gruppe, ist Journalist von »Avvenire«.

(Mimmo Muolo)

Guten Abend, Heiliger Vater.

(Papst Franziskus)

Geht es dir gut?

(Mimmo Muolo)

Ja, danke der Nachfrage, Heiliger Vater. Es ist mir eine Ehre, Ihnen im Namen der italienischen Journalisten die folgende Frage stellen zu dürfen. Heute Morgen, bei der Göttlichen Liturgie, haben Sie einen Satz gesagt, der mich beeindruckt hat: „Jedem von euch möchte ich versichern, dass die katholische Kirche, um das ersehnte Ziel der vollen Einheit zu erreichen, nicht beabsichtigt, irgendeine Forderung aufzuerlegen.“ Können Sie uns, falls möglich, diesen Satz genauer erklären und auch, ob es dabei um die Frage des Primats ging, die Sie vorhin angesprochen haben?

(Papst Franziskus)

Das ist keine Forderung: Es ist eine Übereinkunft, weil auch sie es wollen. Es ist eine Übereinkunft, eine Form zu finden, die der Form der ersten Jahrhunderte mehr entspricht. Ich habe einmal etwas gelesen, das mir zu denken gegeben hat… Nebenbei gesagt: Das, was ich auf diesem Weg der Einheit als das Wesentlichste empfinde, habe ich in meiner gestrigen Predigt über den Heiligen Geist gesagt: Nur der Weg des Heiligen Geistes ist der richtige Weg. Er ist Überraschung. Er lässt uns erkennen, worauf es ankommt; er ist kreativ… Das Problem –  das ist vielleicht eine Selbstkritik, aber es ist mehr oder weniger das, was ich bei den Generalkongregationen vor dem Konklave gesagt habe, – das Problem ist, dass die Kirche den Fehler, die sündige Gewohnheit hat, zu sehr auf sich selbst zu schauen, so als glaube sie, eigenes Licht zu haben. Doch Vorsicht: die Kirche hat kein eigenes Licht. Sie muss auf Jesus Christus schauen! Die Kirche, die ersten Väter, nannten sie „mysterium lunae“, das Geheimnis des Mondes. Und warum? Weil sie Licht spendet, aber nicht ihr eigenes, sondern das, das von der Sonne kommt. Und wenn die Kirche zu sehr auf sich selbst schaut, dann kommt es zu Spaltungen. Und genau das ist nach dem ersten Jahrtausend passiert. Heute bei Tisch haben wir von dem Moment, von dem Ort  – ich weiß nicht mehr, welchem – gesprochen, wo ein Kardinal dem Patriarchen die Exkommunizierung des Papstes brachte: In jenem Moment hat die Kirche auf sich selbst geschaut! Sie hat nicht auf Jesus Christus geschaut. Und ich glaube, dass all diese Probleme, die es unter uns gibt, unter den Christen – wenigstens, was unsere  katholische Kirche angeht – dann entstehen, wenn sie auf sich selbst schaut: wenn sie autoreferentiell wird.  Bartholomäus hat heute ein Wort gebraucht, das nicht „autoreferentiell“ war, ihm aber ziemlich ähnelte, sehr schön… ich kann mich jetzt nicht daran erinnern, aber es war schön, wirklich sehr schön [das Wort – ins Deutsche übersetzt – war „Introversion“]. Sie akzeptieren den Primat: In der Litanei haben sie heute für den „Hirten und Primas“ gebetet. Wie haben sie gesagt? „Ποιμένα καί Πρόεδρον“, „Der den Vorsitz führt…“. Sie erkennen ihn an, das haben sie heute gesagt, vor mir. Für die Form des Primats müssen wir aber ein bisschen weiter zurückgehen, uns vom ersten Jahrtausend inspirieren lassen. Ich sage nicht, dass sich die Kirche geirrt hat, nein. Sie ist ihren historischen Weg gegangen. Aber jetzt ist der historische Weg der Kirche der, zu dem der heilige Johannes Paul II. aufgerufen hat: Helft mir, im Licht des ersten Jahrtausends einen gemeinsamen Nenner zu finden. Hier liegt der Schlüssel. Wenn sie sich selbst bespiegelt, dann verzichtet die Kirche auf ihr Kirche-Sein und wird stattdessen zu einer „theologischen NGO“.

(Pater Lombardi)

Danke, Heiliger Vater. Erteilen wir nun unserer Freundin Hernández Velasco von „El Mundo“ das Wort. Für sie ist es die letzte Reise, sie wird versetzt... nach Paris.

(Irene Hernández Velasco)

Danke, Heiliger Vater. Ich wollte Sie nach Ihrer gestrigen historischen Verneigung vor dem Patriarchen von Konstantinopel fragen. Vor allem würde ich gerne wissen, wie Sie mit den Kritiken von Seiten jener umzugehen gedenken, die für solche Gesten der Öffnung vielleicht kein Verständnis haben, vor allem in ultrakonservativen Kreisen; Menschen, die diese Ihre Gesten der Öffnung immer mit etwas Misstrauen betrachten…

(Papst Franziskus)

Ich erlaube mir zu sagen, dass das nicht nur unser Problem ist: es ist auch ihr Problem [das der Orthodoxen]. Sie haben das Problem einiger Mönche, einiger Klöster, die diesen Weg eingeschlagen haben. Ein Problem beispielsweise, das seit der Zeit des seligen Papstes Paul VI. diskutiert wird, ist das Datum des Osterfestes. Und wir kommen nicht überein! Wenn wir es nämlich auf den ersten Mond nach dem 14. Nisan legen, dann riskieren wir, dass es auf ein immer späteres Datum fällt, und dann kann es uns  – unseren Urenkeln – passieren, dass wir eines Tages im August Ostern feiern! Wir müssen es weiter versuchen…Der selige Paul VI. hat vorgeschlagen, sich auf ein fixes Datum, einen Sonntag im April, zu einigen. Aber Bartholomäus hat zum Beispiel in zwei Fällen Mut bewiesen – an einen kann ich mich erinnern, es gab aber auch noch einen anderen. In Finnland hat er zu der kleinen orthodoxen Gemeinde gesagt: „Feiert Ostern mit den Lutheranern, an ihrem Datum“, damit es in einem Land mit christlicher Minderheit keine zwei Osterfeste gibt. Aber auch die Katholiken östlicher Tradition… Ich habe einmal bei Tisch in der Via della Scrofa – man bereitete gerade das Osterfest in der katholischen Kirche vor – einen solchen Katholiken sagen hören: „Aber nein, unser Christus steht einen Monat später von den Toten auf! Steht dein Christus heute auf?“ – Darauf der andere: „Dein Christus ist mein Christus.“ Das Datum des Osterfestes ist wichtig. Es gibt da Widerstand, auf ihrer Seite, und auch auf der unsrigen. Und diese Gruppen der Konservativen… wir müssen sie respektvoll behandeln und dürfen nie müde werden zu erklären, Katechese zu betreiben, miteinander zu sprechen, ohne sie zu beleidigen, ohne sie anzuschwärzen, ohne über sie herzuziehen. Denn du darfst einen Menschen nicht zunichte machen, indem du sagst: „Das ist ein Konservativer.“ Nein. Er ist genauso ein Sohn Gottes wie ich. Aber komm, lass uns reden. Wenn er nicht reden will, dann ist das sein Problem, aber ich respektiere ihn. Geduld, Sanftmut und Dialog.

(Pater Lombardi)

Danke, Heiliger Vater. Kommen wir nun zu Patricia Thomas von der AP, die ihre Frage im Namen des amerikanischen Journalistenpools stellt. Sie hat schon viele Papstreisen mitgemacht und repräsentiert das amerikanische Fernsehen.

(Patricia Thomas)

Guten Tag. Erlauben Sie mir, Ich möchte eine Frage zur Bischofssynode stellen, wenn Sie erlauben... Auf der Synode gab es eine gewisse Polemik um die Sprache; darüber, wie sich die Kirche gegenüber den Homosexuellen verhalten soll. Im ersten Dokument hieß es, dass man die Homosexuellen annehmen müsse, und es wurde sehr positiv von ihnen gesprochen. Stimmen Sie dieser Sprache zu?

(Papst Franziskus)

Lassen Sie mich eines vorausschicken: Ich möchte, dass das Hauptthema Ihrer Artikel diese Reise ist! Aber ich werde antworten, keine Sorge. Aber dass mir das hier ja nicht ausgeschlachtet wird: die Leute sollen schließlich über diese Reise informiert werden! Aber ich werde dir antworten. Die Bischofssynode ist ein Weg, eine Wegstrecke. Das ist das erste. Zweitens: Die Synode ist kein Parlament. Sie ist ein geschützter Raum, damit der Heilige Geist sprechen kann. Jeden Tag gab es ein briefing mit Pater Lombardi und anderen Synodenvätern, die berichteten, was an diesem Tag gesagt worden war. Manchmal waren es gegensätzliche Dinge. Dann, am Ende dieser Berichte, wurde ein Entwurf abgefasst, die erste relatio. Die wurde dann zum Arbeitsdokument für die Sprachgruppen, die es diskutiert haben. Sie machten  ihre Vorschläge, und die wurden veröffentlicht, waren also allen Journalisten so zugänglich, wie auch die jeweilige Sprachgruppe – englisch, spanisch, französisch, italienisch – jeden Teil davon [von der ersten relatio] gesehen hatte. Darunter war auch der Teil, den Sie angesprochen haben. Danach ging das Ganze wieder an die Redaktionskommission zurück, und diese Kommission versuchte, alle Änderungen einzufügen. Der wesentliche Teil bleibt, aber alles muss gekürzt werden, alles, einfach alles. Und das, was an Wesentlichem geblieben ist, fließt dann in den Schlussbericht ein. Aber das ist noch nicht alles: Auch der ist ein provisorischer Text, denn er bildet nun die Lineamenta für die nächste Synode. Dieses Dokument ist an die Bischofskonferenzen geschickt worden, die es besprechen und ihre Verbesserungsvorschläge einreichen müssen. Dann schreitet man zur Abfassung eines neuen Instrumentum laboris, und die nächste Synode wird später ihr eigenes erstellen. Es ist ein langer Weg. Und das ist auch der Grund, warum man die Meinung einer Person oder eines Einwurfs nicht einfach isoliert nehmen kann. Wir müssen die Synode in ihrer Gesamtheit sehen. Ich bin auch nicht einverstanden damit – aber das ist meine Meinung, und ich will sie niemandem aufdrängen –, dass man sagt: „Heute hat dieser Synodenvater dies gesagt, heute hat dieser Synodenvater jenes gesagt.“ Nein, man soll sagen, was gesagt wurde, aber nicht, wer es gesagt hat, weil die Synode eben – ich sage es noch einmal – kein Parlament ist; die Synode ist ein geschützter kirchlicher Raum, und dieser Schutz besteht, damit der Heilige Geist am Werk sein kann. Das ist meine Antwort.

(Pater Lombardi)

Danke, Heiliger Vater. Erteilen wir nun Antoine-Marie Izoard von der französischen Gruppe das Wort.

(Antoine-Marie Izoard)

Heiliger Vater, zunächst einmal möchte ich sagen, dass die Familien Frankreichs, die Gläubigen, Sie voller Freude erwarten.

Sie konnten heute Nachmittag ein wenig Zeit mit den Flüchtlingen verbringen. Warum war es nicht möglich, im Rahmen dieser Reise ein Flüchtlingslager zu besuchen? Und könnten Sie uns vielleicht sagen, ob Sie sich mit dem Gedanken tragen, demnächst in den Irak zu reisen?

(Papst Franziskus)

Ja. Ich wollte ein Flüchtlingslager besuchen, und Dr. Gasbarri hat alles genau kalkuliert, alles versucht. Aber dafür hätten wir einen Tag mehr gebraucht, und das war nicht möglich. Es war aus vielen Gründen nicht möglich, nicht nur aus Gründen persönlicher Art. So habe ich die Salesianer, die die Flüchtlingskinder betreuen, gebeten, sie mir zu bringen. Ich war also bei ihnen, bevor ich den erkrankten   armenischen Erzbischof im Krankenhaus besuchen ging, und dann, am Schluss, ging es gleich weiter zum Flughafen. Ich habe mit ihnen gesprochen. Und an dieser Stelle möchte ich mich auch bei der türkischen Regierung bedanken, die  großzügig ist, sehr großzügig! Ich habe vergessen, wie viele Flüchtlinge sie hier haben…

(Alberto Gasbarri)

Fast eine Million, auf das ganze Land verteilt.

(Papst Franziskus)

Eine Million! Habt ihr eine Vorstellung davon, was das heißt: eine Million Menschen, die zu dir kommen, und du musst dich um ihre Gesundheit, ihre Ernährung kümmern; ihnen ein Dach über dem Kopf, ein Bett geben … Das war wirklich großzügig. Ich möchte der Regierung öffentlich meinen Dank sagen. … Wie war noch einmal die andere Frage?...

(Antoine-Marie Izoard)

Der Irak.

(Papst Franziskus)

Ja. In den Irak möchte ich reisen. Ich habe mit Patriarch Sako gesprochen, habe Kardinal Filoni geschickt, und im Moment ist es nicht möglich. Nicht nur, weil ich etwa nicht wollte. Wenn ich jetzt dorthin reisen würde, dann hätten die Autoritäten ein großes Problem, ein Sicherheitsproblem … Aber ich würde es sehr gerne tun, und ich will es. Danke.

(Pater Lombardi)

Wir haben noch zwei Fragen, um den Kreis zu schließen, der vorgesehen ist. Thomas Jansen, für die deutsche Gruppe, und der Japaner Hiroshi Isida. Ich bitte Thomas, vorzutreten.

(Thomas Jansen)

Heiliger Vater, vor ein paar Tagen haben Sie das Europaparlament in Straßburg besucht: Haben Sie mit Präsident Erdogan auch über die Europäische Union und den Beitritt der Türkei gesprochen?

(Papst Franziskus)

Nein, über dieses Thema haben wir mit Erdogan nicht gesprochen. Es ist merkwürdig: Wir haben über viele Dinge gesprochen, aber darüber nicht.

(Pater Lombardi)

Jetzt sind Sie dran, Hiroshi Ishida: kommen wir also zu Asien.

(Hiroshi Ishida)

Heiliger Vater, es freut mich, Ihnen in Vertretung der japanischen Journalisten meine Frage stellen zu dürfen. Diese Reise ist die letzte, auf der ich Sie begleiten kann – im Januar kehre ich nämlich nach Japan zurück. Aber es wird mir eine Freude sein, Sie nächstes Jahr mit den Gläubigen in Nagasaki zu erwarten. Ich möchte Ihnen  also zum „Dritten Weltkrieg“ und zu den Atomwaffen eine Frage stellen: Bei der Gedenkfeier im September in Redipuglia haben Sie gesagt, dass der Dritte Weltkrieg „in Etappen“ wohl schon auf der ganzen Welt ausgetragen wird. Nächstes Jahr begehen wir den 70. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs und des tragischen Abwurfs der Atombombe auf Hiroshima und Nagasaki. Noch immer gibt es auf der Welt viele Atomwaffen. Was denken Sie über die Tragödie von Hiroshima und Nagasaki, und wie sollten wir Menschen Ihrer Meinung nach mit diesen Atomwaffen und der Bedrohung durch die Strahlungen umgehen? Danke.

(Papst Franziskus)

Ich muss zwei Dinge sagen.

Erstens: es ist meine persönliche Meinung, aber ich bin überzeugt davon, dass wir einen dritten Weltkrieg erleben, in Etappen, in Kapiteln, überall. Dahinter stecken Feindschaften, politische Fragen, wirtschaftliche Fragen – nicht nur, aber davon gibt es viele, um dieses System zu retten, das den Götzen Geld in den Mittelpunkt stellt, und nicht die menschliche Person  –  und kommerzielle Interessen. Der Handel mit Waffen ist etwas Schreckliches, er ist derzeit eines der blühendsten Geschäfte. Und darum glaube ich, dass dieses Phänomen zunimmt, weil Waffen in Umlauf gebracht werden. Ich denke an letztes Jahr im September, als gesagt wurde, dass Syrien chemische Waffen hätte. Ich glaube nicht, dass Syrien in der Lage wäre, chemische Waffen herzustellen. Wer hat sie ihnen verkauft? Vielleicht einige von denen, die sie dann dieses Besitzes bezichtigt haben? Ich weiß es nicht. Aber dieses Geschäft mit den Waffen ist mehr als mysteriös.

Zweites. Die Atomenergie. Es stimmt, das Beispiel von Hiroshima und Nagasaki… Die Menschheit hat nichts dazugelernt, rein gar nichts. Was dieses Thema angeht, hat sie noch nicht einmal das Grundkonzept verstanden. Gott hat uns die Schöpfung gegeben, damit wir aus der ursprünglichen Zivilisationslosigkeit eine Zivilisation entstehen ließen. Wir können sie vorantreiben. Das hat der Mensch getan und ist dabei bis zur Atomenergie gelangt, die für vieles dienen kann, aber er benützt sie auch dazu, die Schöpfung, die Menschheit, zu zerstören. Und das wird zu einer zweiten Form von Zivilisationslosigkeit: Jene ursprüngliche Zivilisationslosigkeit, die der Mensch in Zivilisation verwandeln sollte, wird zu einer weiteren Zivilisationslosigkeit, der zweiten. Und diese ist – ich will nicht sagen, das Ende der Welt  ‒, aber doch eine Zivilisationslosigkeit mit Endzeit-Charakter. Dann werden wir wieder ganz von vorn anfangen müssen, und es ist schrecklich zu sehen, wie eure beiden Städte wieder ganz von vorne anfangen mussten.

(Pater Lombardi)

Kommen wir also zur letzten Frage, für die sich Frau Giansoldati von der italienischen Gruppe eingetragen hatte, und damit schließen wir dann.

(Franca Giansoldati)

Heiliger Vater, Sie kehren nun aus der Türkei zurück. Ich habe nichts über die Armenier gehört. Nächstes Jahr begehen wir den hundertsten Jahrestag des Völkermords an den Armeniern, den die türkische Regierung noch immer leugnet. Ich wüsste gern, was Sie darüber denken. Und Sie haben vorhin auch über das Martyrium des Blutes gesprochen, was genau an das erinnert, was hier passiert ist und anderthalb Millionen Menschen das Leben kostete.

(Papst Franziskus)

Danke. Ich bin heute ins armenische Krankenhaus gegangen, um den armenischen Erzbischof zu besuchen, der schon seit geraumer Zeit dort liegt, seit langer Zeit krank ist … So hatte auf dieser Reise heute Kontakte zu Armeniern. Die türkische Regierung hat letztes Jahr ein Zeichen gesetzt: der damalige Premierminister Erdogan hat an dem Tag, an dem sich dieser Gedenktag jährte, einen Brief geschrieben. Einen Brief, der manchen nicht deutlich genug war, meiner Meinung nach aber   egal, ob die Geste nun groß oder klein war – einer ausgestreckten Hand gleichkam. Und das ist immer positiv. Ich kann die Hand so ausstrecken [er zeigt die Geste mit der Hand] oder nur so  –  in der Erwartung dessen, was der andere sagt, damit ich mich nicht blamiere. Und das, was der damalige Premierminister getan hat, ist positiv. Eine Sache, die mir sehr am Herzen liegt, ist die türkisch-armenische Grenze: Wenn man sie öffnen könnte, diese Grenze, das wäre schon eine schöne Sache! Ich weiß, dass es in dieser Zone geopolitische Probleme gibt, die die Öffnung dieser Grenze nicht gerade leicht machen. Doch wir müssen für die Aussöhnung der Völker beten. Ich weiß auch, dass man auf beiden Seiten gut gewillt ist  – wie ich glaube –, und wir müssen dabei helfen, dass das auch wirklich geschieht. Für nächstes Jahr sind viele Gedenkfeiern dieses hundertsten Jahrestages vorgesehen, aber hoffen wir, dass man den Weg der kleinen Gesten einschlägt, der kleinen Schritte der Annäherung. Das möchte ich in diesem Moment dazu sagen. Danke.

(Pater Lombardi)

Vielen Dank, Heiliger Vater. Danke für diese ausführliche Konferenz, die in einem so unbeschwerten Klima erfolgt ist und uns allen so viel Freude und Frieden beschert hat. Abschließend möchte ich Sie nur noch um ein paar Worte für KTO bitten – den  französischen Kirchensender, der sein 15-jähriges Bestehen feiert. 

(Papst Franziskus) 

KTO… Einen herzlichen Gruß, einen herzlichen Gruß und meine besten Wünsche, dass ihr auch weiterhin dazu beitragen mögt, die Dinge zu verstehen, die auf der Welt geschehen. Alles Gute, der Herr segne euch!

Ich danke Ihnen allen für Ihre Liebenswürdigkeit, und bitte, vergessen Sie nicht, für mich zu beten. Ich brauche das. Danke.

(Pater Lombardi)

Danke, Heiliger Vater, wirklich vielen herzlichen Dank für dieses Geschenk.

 



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